Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung, ob eine Geldeinlage in das Handelsgewerbe eines Dritten eine stille Gesellschaft oder ein partiarisches Darlehen begründet, kann nur unter umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles getroffen werden.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 77 Abs. 2 Nr. 7
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte am 1. Januar 1963 seinen Wohnsitz in der Schweiz. Er war an diesem Veranlagungszeitpunkt Alleingesellschafter der X-GmbH - im folgenden GmbH - mit Sitz in Y. Er hatte an diesem Veranlagungszeitpunkt bei der GmbH eine Geldeinlage von 640 000 DM. Mit dieser Vermögenseinlage war eine Gewinn- und Verlustbeteiligung von 80 v. H. des steuerlichen Gewinns der GmbH verbunden, wobei sich die Teilnahme an den Verlusten auf die Höhe der Einlage beschränkte. Die Vermögenseinlage wurde in den einschlägigen Verträgen als partiarisches Darlehen bezeichnet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) setzte die Vermögensteuerjahresschuld 1963 fest. Dabei bewertete es die von ihm als stille Beteiligung angesehene Vermögenseinlage des Klägers mit 842 206 DM.
Das FG wies die Klage ab.
Die Revision des Klägers rügt, daß Kapitalforderungen eines Schweizers gegen eine deutsche GmbH in Deutschland nicht steuerpflichtig seien. Das FA sei nur dadurch zur Steuerpflicht gekommen, daß es das Darlehen entgegen dem Vertragstext als stille Beteiligung angesehen habe.
Der Kläger beantragt, den Bescheid, die Einspruchsentscheidung und die Vorentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das FG hat die Vermögenseinlage des Klägers bei der GmbH im Ergebnis zu Recht als stille Beteiligung angesehen.
a) Nach § 335 HGB ist eine stille Gesellschaft gegeben, wenn sich eine Person am Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage beteiligt. Zivilrechtlich ist es nicht zweifelhaft, daß auch der Gesellschafter einer GmbH sich am Unternehmen der GmbH als stiller Gesellschafter beteiligen kann. Denn die GmbH ist eine selbständige Rechtspersönlichkeit (§ 13 GmbHG), so daß ihre Gesellschafter mit ihr wie mit jeder anderen natürlichen oder juristischen Person Rechtsbeziehungen begründen können (vgl. auch Urteil des BFH vom 9. Dezember 1976 IV R 47/72, BFHE 120, 534 [538], BStBl II 1977, 155). Für die Einmann-GmbH ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.
b) Zwischen der stillen Gesellschaft und dem partiarischen Darlehen besteht ein grundsätzlicher rechtlicher Unterschied. Bei der stillen Gesellschaft verbinden sich der Inhaber des Handelsgewerbes und der stille Gesellschafter zu einem gemeinsamen Zweck, nämlich zum Betrieb des Handelsgewerbes durch den Geschäftsinhaber im Interesse der Gesellschaft. Beim partiarischen Darlehen fehlt ein solcher gemeinsamer Zweck. Trotz dieses deutlichen rechtlichen Unterschiedes ist es in der Praxis bisweilen schwierig, ein Vertragsverhältnis dem einen oder dem anderen Rechtsinstitut unterzuordnen, wenn aussagekräftige Anzeichen für den Willen der Parteien fehlen. In diesem Fall kann die Entscheidung nur unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände getroffen werden. Dabei sind der Vertragszweck und die wirtschaftlichen Ziele der Parteien, ihre bisherigen persönlichen Beziehungen, die geplante Dauer der Beteiligung, das Streben des Geldgebers, sein Risiko zu verringern, sowie das Interesse des Geschäftsinhabers an der Person des Geldgebers zu berücksichtigen (vgl. Koenigs, Die stille Gesellschaft, S. 33). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sieht der Senat folgende Umstände für die Beurteilung des hier in Rede stehenden Rechtsverhältnisses als stille Gesellschaft für maßgebend an:
Der Kläger ist nicht nur am Gewinn der GmbH, sondern auch an eventuell eintretenden Verlusten beteiligt (§ 336 HGB). Seine Geldeinlage von 640 000 DM ist für ein Darlehen im Verhältnis zum Stammkapital der GmbH von 40 000 DM ungewöhnlich hoch. Die Höhe der Geldeinlage erklärt zwar die hohe Gewinnbeteiligung von 80 v. H. des Gewinns. Diese Gewinnbeteiligung ist aber ein weiteres Anzeichen dafür, daß zwischen dem Kläger und der GmbH gleichgerichtete Interessen bestehen. Hinzu kommt, daß die Geldeinlage von beiden Seiten unkündbar ist. Es kann unentschieden bleiben, ob diese Vereinbarung bürgerlich-rechtlich uneingeschränkt wirksam ist; der Kläger muß sie sich jedenfalls, solange sie eingehalten wird, entgegenhalten lassen (vgl. § 5 StAnpG und § 41 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Der Kläger hat nicht vorgetragen, daß er für seine Geldeinlage Sicherheiten erhalten habe. Ein fremder Kapitalgeber, der sich dem Geschäftsbetrieb nicht verpflichtet fühlt, würde aber einen im Verhältnis zum Geschäftskapital so bedeutenden Kredit nicht ohne entsprechende Sicherheiten gewähren.
Der Kläger hat schließlich, wenn auch gegenüber der Vorschrift des § 338 HGB eingeschränkte Kontrollrechte bezüglich des von der GmbH betriebenen Handelsgewerbes. Immerhin erhält er nach den unangefochtenen Feststellungen des FG eine Abschrift der Bilanz der GmbH nebst Gewinn- und Verlustrechnung sowie den Prüfungsbericht des Jahresabschlusses, den der mit der Prüfung beauftragte Wirtschaftsprüfer erstellt. Im Hinblick auf diesen Prüfungsbericht erscheint es unbedeutend, daß er nicht selbst die Bücher der GmbH einsehen kann und daß weitere Kontrollrechte durch die Verträge im Zusammenhang mit der Geldhingabe ausgeschlossen sind. Bei der Wertung dieser Beschränkung für die Entscheidung über das Rechtsverhältnis des Klägers zur GmbH ist zunächst zu berücksichtigen, daß § 338 HGB nicht zwingendes Recht, sondern abdingbar ist (vgl. Schlegelberger-Geßler, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 338 Rdnr. 1). Die Kontrollrechte des stillen Gesellschafters können damit erweitert, aber auch eingeschränkt werden. Deshalb kann allein auf die Vereinbarung der Überwachungsrechte die Qualifikation des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und der GmbH nicht gestützt werden (vgl. auch Koenigs, a. a. O.). Der Einschränkung der Kontrollrechte kommt im vorliegenden Fall aber auch deshalb keine besondere Bedeutung zu, weil der Kläger Alleingesellschafter der GmbH ist.
Die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die Parteien als partiarisches Darlehen kann nur einen unverbindlichen Anhalt bieten (Schlegelberger-Geßler, a. a. O., § 335 Rdnr. 23). Denn für die bürgerlich-rechtliche Qualifikation eines Vertrags ist der Rechtsfolgewille maßgebend, den die Beteiligten zum Ausdruck gebracht haben, dagegen nicht ihre eigene Qualifikation, wenn diese im Widerspruch zum Rechtsfolgewillen steht (vgl. BFH-Entscheidung vom 5. August 1969 II R 11, 12/67, BFHE 96, 491, BStBl II 1969, 689). Die im Zusammenhang mit der Vermögenseinlage getroffenen vertraglichen Regelungen lassen in ihrer Gesamtheit erkennen, daß der Kläger und die GmbH sich nicht als Kreditgeber und Kreditnehmer gegenüberstehen, sondern als Beteiligte, die sich zur Verfolgung eines gemeinsamen Ziels zusammengeschlossen haben. Damit kann es unentschieden bleiben, ob der Alleingesellschafter einer GmbH, wie das FG annimmt, sich an der GmbH aufgrund der ihm als Gesellschafter der GmbH zustehenden Einwirkungsrechte auf den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft nur als stille Gesellschafter, dagegen nicht als Kreditgeber eines partiarischen Darlehens beteiligen kann.
c) Der Kläger kann sich für seine Rechtsauffassung, seine Vermögenseinlage in das Unternehmen der GmbH sei als partiarisches Darlehen zu werten, nicht auf das BFH-Urteil IV R 47/72 berufen. In dieser Entscheidung wird allerdings ausgeführt, Voraussetzung für die Anerkennung eines stillen Gesellschaftsverhältnisses zwischen einer GmbH und einem Gesellschafter dieser GmbH sei, daß diese stille Gesellschaft im voraus klar und eindeutig vereinbart sei (BFHE 120, 538). Doch steht diese Auffassung im Zusammenhang mit der weiteren Überlegung, daß der Gesellschafter einer GmbH Leistungen zugunsten der GmbH in der Form der verdeckten Einlage erbringen könne. Deshalb könne nur dann angenommen werden, der Gesellschafter habe diese Leistungen nicht in seiner Eigenschaft als Gesellschafter, sondern wie ein Fremder aufgrund besonderer schuldrechtlicher Beziehungen zur GmbH erbracht, wenn diese im vorhinein eindeutig und klar vereinbart seien. Die Interessenlage, die dieser Auffassung zugrunde liegt, ist gerade entgegengesetzt zu der des Klägers. Während die Ausführungen in der Entscheidung IV R 47/72 auf dem Fall beruhen, daß der Gesellschafter einer GmbH bezüglich seiner Leistungen an die GmbH als stiller Gesellschafter behandelt werden will, bestreitet der Kläger, im Rahmen einer stillen Gesellschaft tätig geworden zu sein. Aus diesem Grund kann sich der Kläger auf den von ihm zitierten Satz der Entscheidung IV R 47/72, der aus dem Zusammenhang genommen wurde, nicht berufen.
Schließlich kann der Kläger auch das BFH-Urteil vom 10. Dezember 1975 I R 135/74 (BFHE 117, 467, BStBl II 1976, 226) nicht zur Begründung seines Rechtsstandpunkts heranziehen. Mit diesem Urteil hat der BFH entschieden, daß Gesellschafterdarlehen an eine GmbH regelmäßig auch dann nicht als verdecktes Stammkapital anzusehen seien, wenn die GmbH überschuldet sei. Die Frage, ob bei der GmbH verdecktes Stammkapital vorliege, ist im Rahmen dieses Verfahrens aber nicht zu entscheiden; hierüber wird bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der GmbH befunden.
d) Der Kläger war nach vorstehenden Ausführungen am 1. Januar 1963 als stiller Gesellschafter der GmbH anzusehen. Die Forderung aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter gehört zum Inlandsvermögen eines beschränkt Vermögensteuerpflichtigen, wenn der Schuldner, wie die GmbH des Streitfalles, seine Geschäftsleitung im Inland hat (§ 77 Abs. 2 Nr. 7 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung).
2. Der Besteuerung der stillen Beteiligung des Klägers an der GmbH steht auch nicht das für den Veranlagungszeitpunkt 1963 maßgebende DBA-Schweiz vom 15. Juli 1931 (RGBl II 1934, 38) i. d. F. vom 20. März 1959 (BGBl II 1959, 1253) entgegen. Art. 3 Abs. 4 DBA-Schweiz weist das Besteuerungsrecht für Beteiligungen an einem gesellschaftlichen Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland zu, wenn die Betriebstätte des Unternehmens in der Bundesrepublik Deutschland gelegen ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 15. Januar 1971 III R 125/69, BFHE 101, 536, BStBl II 1971, 379, mit weiteren Nachweisen), daß als gesellschaftliches Unternehmen i. S. dieser Vertragsregelung des Doppelbesteuerungsabkommens auch die typische stille Gesellschaft nach deutschem Handelsrecht zu verstehen ist. Der Senat hält auch im Streitfall an der bisherigen Rechtsprechung fest.
Anm.: Die Zahlenangaben wurden geändert.
Fundstellen
BStBl II 1978, 256 |
BFHE 1978, 374 |
NJW 1978, 1280 |