Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung nur eines Wohnmobils als Unternehmertätigkeit: Beurteilungskriterien für nachhaltige Tätigkeit zur Einnahmeerzielung, Vorgaben des EG-Rechts, gerichtliche Nachprüfung und Bindung des BFH an die Sachverhaltswürdigung des FG
Leitsatz (amtlich)
Die nur gelegentliche Vermietung eines (im übrigen privat genutzten) Wohnmobils durch den Eigentümer ist keine unternehmerische Tätigkeit. Bei der Beurteilung, ob zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vermietet wird, kann ins Gewicht fallen, daß nur ein einziges, seiner Art nach für die Freizeitgestaltung geeignetes Fahrzeug angeschafft, es überwiegend für private eigene Zwecke und für nichtunternehmerische Zwecke des Ehegatten genutzt worden ist, daß es nur mit Verlusten eingesetzt und weitestgehend von dem Ehegatten finanziert und unterhalten wurde, daß es nur für die Zeit der effektiven Nutzung als Mietfahrzeug versichert worden war und daß weder ein Büro noch besondere Einrichtungen zur Unterbringung und Pflege des Fahrzeugs vorhanden waren.
Orientierungssatz
1. Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit i.S. des § 2 Abs.1 Satz 3 UStG 1980 muß bei richtlinienkonformer Anwendung (Art.4 Abs.1, 2 der Richtlinie 77/388/EWG) eine wirtschaftliche Tätigkeit sein. Die Vermietung eines körperlichen Gegenstands erfüllt diese Voraussetzungen, wenn sie als Nutzung des Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen wird. Eine nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit reicht nicht aus.
2. Die Feststellung, ob die Vermietung eines körperlichen Gegenstands wie eines Wohnmobils zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen wird, ist von dem nationalen Gericht aufgrund der Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen. Wird ein Gegenstand vermietet, der seiner Art nach sowohl für wirtschaftliche als auch für private Zwecke verwendet werden kann, sind dabei alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird. Eine Nachprüfungsmöglichkeit ist der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende den Gegenstand tatsächlich nutzt, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird (vgl. EuGH-Urteil vom 26.9.1996 C-230/94).
3. Bei der Überprüfung der Unternehmereigenschaft ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für und gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können. Es sind u.a. zu würdigen: die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden, das Unterhalten eines Geschäftslokals. Der tatsächlichen Würdigung der Einzelheiten durch das Tatsachengericht kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Der BFH prüft als Revisionsinstanz nur, ob dem FG bei der tatsächlichen Würdigung Rechtsverstöße unterlaufen sind (vgl. BFH-Urteil vom 24.11.1992 V R 8/89).
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 1, 2 S. 2; FGO § 118 Abs. 2, § 96 Abs. 1 S. 1; UStG 1980 § 15 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als kaufmännische Angestellte im Steuerberatungsbüro ihres Ehemannes tätig. Am 15. September 1984 meldete sie bei der Gemeinde sowie bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) die Vermietung von Wohnmobilen als Gewerbe an. Am 28. September 1984 erwarb sie ein Wohnmobil für 46 249 DM zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer von 6 474,89 DM. Insgesamt 7 270,77 DM machte sie in der Umsatzsteuererklärung für 1984 als Vorsteuerbetrag geltend. Der Vorsteuer stand ausschließlich Eigenverbrauch gegenüber. Vermietungsumsätze hatte sie im Jahr 1984 nicht. In den Jahren 1985 und 1986 erklärte die Klägerin Umsätze mit folgenden Bemessungsgrundlagen:
-
1985: insgesamt 2 535 DM, davon 2 205 DM Entgelte für
Vermietungen an den Ehemann,
- 1986: insgesamt 1 728 DM, davon 868 DM Entgelte für
Vermietungen an den Ehemann.
Außerdem erklärte sie 1986 die Entnahme des Fahrzeugs mit
einer Bemessungsgrundlage von 19 000 DM und einen
Steuerabzugsbetrag als Kleinunternehmerin (§ 19 Abs. 3 des
Umsatzsteuergesetzes --UStG 1980--) in Höhe von 80 v.H. der zu
entrichtenden Umsatzsteuer.
Der Ehemann hatte pauschal 90 DM täglich als Miete an die
Klägerin gezahlt. Er hatte sich an den Kosten für die
Anschaffung und den Unterhalt des Wohnmobils in Höhe der
folgenden Ausgaben beteiligt:
1984:42 321 DM,
1985:8 270 DM,
1986:8 751 DM.
Die erste Fahrt mit dem Wohnmobil, das auf die Klägerin zugelassen worden war, unternahmen die Ehegatten gemeinsam. Sie entdeckten dabei, daß Feuchtigkeit durch ein Fenster eindrang, und verlangten Mängelbeseitigung. Während der Nachbesserungsversuche des Verkäufers nutzten die Ehegatten das Fahrzeug privat. Nachdem es repariert worden war, vermietete die Klägerin es zweimal an Fremde. Dabei wurde das Fahrzeug bei einem Unfall beschädigt. Nach einer Aufstellung der Klägerin wurde das Wohnmobil wie folgt genutzt:
Gesamtnutzung
an 250 Tagen; Gesamtfahrtstrecke von 25 781 km,
Privatnutzung
an 79 Tagen mit einer Fahrtstrecke von 13 100 km,
Nutzung durch den Ehemann
an 40 Tagen mit einer Fahrtstrecke von 5 239 km,
Vermietung an Dritte
an 18 Tagen mit einer Fahrtstrecke von 3 236 km,
Werkstattfahrten
an 113 Tagen mit einer Fahrtstrecke von 4 206 km.
Das Wohnmobil war privat haftpflichtversichert. Bei einer
Überlassung an fremde Mieter schloß die Klägerin eine
Haftpflichtversicherung für Mietfahrzeuge ab und händigte
den Mietern den Versicherungsschein aus. Der Ehemann
durfte das Fahrzeug nach einer Vereinbarung mit dem
Haftpflichtversicherer ohne einen entsprechenden
zusätzlichen Versicherungsschutz benutzen.
Die Klägerin betrieb für die Wohnmobilvermietung keine Werbung in Tageszeitungen. Das Fahrzeug stand, wenn es nicht vermietet wurde, auf einem überdachten Stellplatz bei dem von der Klägerin mit ihrem Ehemann bewohnten Wohnhaus.
Das FA setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre (1984 bis 1986) zunächst erklärungsgemäß fest. Es änderte (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) die Steuerfestsetzungen durch Änderungsbescheide vom 3. April 1989. In diesen erfaßte das FA nur noch die von der Klägerin den Mietern des Wohnmobils gesondert berechnete Umsatzsteuer. Das FA stellte sich dabei auf den Standpunkt, die Klägerin schulde diese Steuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1980, weil sie diese als Nichtunternehmerin ausgewiesen habe.
Einspruch und Klage waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die angefochtenen Steuerbescheide und führte u.a. aus, die Klägerin sei bei der Wohnmobilüberlassung nicht als Unternehmerin tätig gewesen. Sie habe nicht die erforderliche Absicht gehabt, nachhaltig durch Vermietung des Wohnmobils Gewinn zu erzielen. Im übrigen wird auf die Veröffentlichung der Vorentscheidung in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 614 Bezug genommen.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung sachlichen Rechts. Sie legt dar, daß die vom FG herangezogenen Kriterien einer Unternehmertätigkeit nicht entgegenstünden. Weder die Anschaffung nur eines der Freizeitgestaltung dienenden Fahrzeugs noch dessen Nutzung, Unterbringung, Finanzierung, Versicherung, Unterhaltung sowie der Erfolg der Vermietung oder der Umfang der Haupttätigkeit stünden der Annahme der Unternehmertätigkeit entgegen.
Die Klägerin begehrt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer unter Änderung der angefochtenen Steuerfestsetzungen vom 3. April 1989 auf ./. 7 175,80 DM für 1984, auf ./. 171,79 DM für 1985 und auf 643,40 DM für 1986 festzusetzen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Der Senat hat durch Beschluß vom 5. Mai 1994 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1994, 394). Der EuGH hat diese Fragen durch Urteil vom 26. September 1996 Rs. C-230/94 (Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1996, 338) beantwortet.
Die Beteiligten haben zu den Ausführungen des EuGH unter Beibehaltung ihrer Rechtsansichten Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorentscheidung hält den Revisionsangriffen stand. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Klägerin in den Streitjahren das Wohnmobil nicht als Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG 1980) vermietet hat, daß sie nicht berechtigt war, Vorsteuerbeträge für die Anschaffung und die Unterhaltung des Wohnmobils abzuziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980), und daß sie Umsatzsteuer nicht gesondert berechnen durfte (§ 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980).
1. Zum Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 nur ein Unternehmer berechtigt. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1980, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Bei richtlinienkonformer Anwendung muß dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit (Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--) ausgeübt werden.
Die Vermietung eines körperlichen Gegenstands erfüllt diese Voraussetzungen, wenn sie als Nutzung des Gegenstands (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Richtlinie 77/388/EWG) zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen wird (EuGH-Urteil in UVR 1996, 338, Rdnrn. 21, 22). Eine nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit reicht nicht aus (EuGH-Urteil in UVR 1996, 338, Rdnr. 20).
Die Feststellung, ob die Vermietung eines körperlichen Gegenstands wie eines Wohnmobils i.S. von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Richtlinie 77/388/EWG zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen wird, ist von dem nationalen Gericht aufgrund der Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH-Urteil in UVR 1996, 338, Rdnr. 30.). Wird ein Gegenstand vermietet, der seiner Art nach sowohl für wirtschaftliche als auch für private Zwecke verwendet werden kann, sind dabei alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird (EuGH-Urteil in UVR 1996, 338, Rdnr. 27). Eine der Methoden, mit denen geprüft werden kann, ob die betreffende Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird, ist der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende den Gegenstand tatsächlich nutzt, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird (EuGH-Urteil in UVR 1996, 338, Rdnr. 28). Ferner sind die tatsächliche Dauer der Vermietung des Gegenstands, die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen Gesichtspunkte, die zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehören und daher neben anderen Gesichtspunkten bei dieser Prüfung berücksichtigt werden können (EuGH-Urteil in UVR 1996, 338, Rdnr. 29).
a) Dem entspricht es, daß nach der Rechtsprechung des Senats im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen ist, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776). Dabei ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können. Es sind u.a. zu würdigen: die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden, das Unterhalten eines Geschäftslokals. Der tatsächlichen Würdigung der Einzelheiten durch die Tatsacheninstanz kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Der BFH prüft als Revisionsinstanz nur, ob dem FG bei der tatsächlichen Würdigung Rechtsverstöße unterlaufen sind (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1992 V R 8/89, BFHE 170, 275, BStBl II 1993, 379). Ob auch ein anderes Ergebnis der Würdigung vertretbar gewesen wäre, ist nicht entscheidend.
b) Im Streitfall hat das FG die vom EuGH und vom BFH bezeichneten Merkmale für die Beurteilung, ob die Klägerin die Vermietung ihres Wohnmobils zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt hat, herangezogen. Es ist aufgrund von tatsächlichen Schlußfolgerungen bei der Würdigung des festgestellten Sachverhalts zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe das Wohnmobil nicht zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen, sondern nur gelegentlich vermietet.
Für diese Würdigung des FG war maßgebend, daß die Klägerin nur ein einziges, seiner Art nach für die Freizeitgestaltung geeignetes Fahrzeug angeschafft und es überwiegend für private eigene Zwecke und für nichtunternehmerische Zwecke ihres Ehemannes genutzt hatte. Das FG berücksichtigte weiter, daß das Wohnmobil nur mit Verlusten eingesetzt und weitestgehend von ihrem Ehemann finanziert und unterhalten wurde, daß es nur für die Zeit der effektiven Nutzung als Mietfahrzeug versichert worden war und daß weder ein Büro vorhanden war noch besondere Einrichtungen zur Unterbringung und Pflege des Fahrzeugs. Diese tatsächliche Würdigung läßt keine fehlerhafte Schlußfolgerung auf das Fehlen der rechtserheblichen nachhaltigen Einnahmeerzielung (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 in richtlinienkonformer Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Richtlinie 77/388/EWG) erkennen.
2. Daraus folgt, daß der Klägerin nicht das Recht auf Vorsteuerabzug zustand und sie die Umsatzsteuer, die sie unberechtigt ausgewiesen hatte, schuldete (§ 14 Abs. 3 UStG 1980).
Fundstellen
Haufe-Index 421999 |
BFH/NV 1997, 238 |
BStBl II 1997, 368 |
BFHE 182, 388 |
BFHE 1997, 388 |
BB 1997, 2145 |
DB 1997, 914 |
DStRE 1997, 389-391 (Leitsatz und Gründe) |
DStZ 1997, 574 |
HFR 1997, 419 |
StE 1997, 240 |