Leitsatz (amtlich)
Im Fall einer Umschuldung ist das alte Disagio durch eine außerplanmäßige Abschreibung zu tilgen, soweit es nicht bei wirtschaftlicher Betrachtung als zusätzliche Gegenleistung für das neue oder veränderte Darlehen anzusehen ist.
Normenkette
EStG § 5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Grundstücksverwaltungsgesellschaft, die nunmehr in der Rechtsform einer KG besteht, nahm im Jahr 1958 eine Hypothek im Nennbetrag von 1 Mill. DM auf. Sie aktivierte das Disagio und schrieb es entsprechend der Laufzeit der Hypothek ab. Nach einem vergeblichen Versuch der Klägerin im Jahre 1959, die Bedingungen des Darlehens umzugestalten, kam es am 11. November 1963 zu einer "Abänderung von Zins- und Zahlungsbedingungen". Das Darlehen von 1 Mill. DM wurde durch Zahlung auf 895 800 DM herabgemindert. Für diesen Schuldbetrag wurden ab 1. Januar 1964 neue Zins- und Tilgungsbedingungen vereinbart. Die "Umschuldungsgebühr" betrug für die Zeit vom 1. Juni 1964 bis 31. Dezember 1965 jährlich 1 v. H. der Darlehnssumme von 895 800 DM.
Die Klägerin schrieb in der Bilanz zum 31. Dezember 1963 das restliche Disagio von 28 570 DM ab. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte diese Abschreibung nicht an. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage hin hat das FG den angefochtenen Feststellungsbescheid und die Einspruchsentscheidung dahin geändert, daß der festaestellte Gewinn 1963 um eine Disagio-Sonderabschreibung in Höhe eines Teilbetrags von 15 133 DM gemindert werde und das verbleibende Disagio von 13 437 DM auf die Laufzeit des neuen Darlehens zu verteilen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des materiellen Rechts, insbesondere der Denkgesetze und der Auslegungsregeln gerügt wird. Das FG habe den rechtserheblichen Sachverhalt unzutreffend gewertet, indem es in den Vereinbarungen vom 11. November 1963 die Begründung eines neuen Darlehens gesehen habe. In Wahrheit seien nur günstigere Zinsbedingungen für das ursprüngliche Darlehen eingetreten.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung, soweit sie auch für das Steuerrecht maßgeblich sind, darf das Disagio in Höhe eines Teilbetrags von 15 133 DM abgeschrieben werden (§ 5 EStG).
Das Disagio, das heißt der Unterschied zwischen dem Auszahlungsbetrag und dem Rückzahlungsbetrag eines Darlehens, stellt in der Regel eine zusätzliche Vergütung für die Überlassung des Kapitals und damit einen Teil des Effektivzinses dar. Daher ist es zu aktivieren und durch planmäßige Abschreibungen, die auf die gesamte Laufzeit des Darlehens verteilt werden, zu tilgen (vgl. § 156 Abs. 3 AktG). Ein Wahlrecht für die Aktivierung, wie es handelsrechtlich überwiegend angenommen wird (vgl. Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Bd. 1, § 156 Tz. 26), besteht steuerrechtlich nicht (BFH-Urteile vom 25. September 1968 I 52/64, BFHE 93, 444, BStBl II 1969, 18, und vom 20. November 1969 IV R 3/69, BFHE 97, 418, BStBl II 1970, 209). Wird das Darlehen vorzeitig zurückgezahlt, so ist eine außerplanmäßige Abschreibung des Disagios geboten, da ihm keine Gegenleistung mehr gegenübersteht (Adler-Düring-Schmaltz, a. a. O., § 156 Tz. 34).
Eine Umschuldung kann einer Rückzahlung ganz oder teilweise gleichstehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bürgerlich-rechtlich das bisherige Schuldverhältnis geändert oder durch ein neues ersetzt wird (§ 305 BGB). Entscheidend ist vielmehr, ob und wie weit das alte Disagio bei wirtschaftlicher Betrachtung noch als Gegenleistung für das neue oder veränderte Darlehen anzusehen ist. Im Streitfall wurde durch die Vereinbarung vom 11. November 1963 der Zinssatz von 8,25 v. H. auf 6,75 v. H. gesenkt. Der Tilgungsbetrag wurde wie bisher auf 2 v. H. bemessen, zuzüglich der durch fortschreitende Minderung des Kapitals ersparten Zinsen. Die gleichbleibende Jahresleistung belief sich damit auf 8,75 v. H. der Darlehenssumme von 895 800 DM. Diese Vereinbarungen hatten zur Folge, daß sich auch die Laufzeit des Darlehens veränderte.
Die Klägerin hatte außerdem "zum Ausgleich für die vorgeschossenen Umschuldungskosten" eine Umschuldungsgebühr für die Zeit vom 1. Juni 1964 bis 31. Dezember 1965 in Höhe von jährlich 1 v. H. der Darlehnssumme von 895 800 DM zu zahlen. Diese Leistung der Klägerin stellte - ebenso wie ein Disagio - eine zusätzliche Vergütung für die Überlassung des Kapitals dar, auch wenn sie dazu bestimmt war, Kosten des Kreditinstituts zu decken. Denn jede im wirtschaftlichen Austauschverkehr vereinbarte Gegenleistung, z. B. auch die für ein Darlehen zu zahlenden Nominalzinsen, sind beim Empfänger dazu bestimmt, die Kosten auszugleichen und darüber hinaus einen Gewinn zu erbringen. Es kann auf sich beruhen, ob kein zusätzliches Entgelt für die Nutzung des Kapitals, sondern selbständige Erstattung von Kosten angenommen werden könnte, wenn die Bank dem Kreditnehmer Kosten in Rechnung stellt, die durch den Abschluß des Darlehnsvertrags entstehen und die dem Grunde und der Höhe nach bestimmt sind. Im Streitfall lägen diese Voraussetzungen nicht vor. Die zusätzliche Leistung der Klägerin wurde pauschal in einem Vomhundertsatz von der Kreditsumme vereinbart. In diesem Fall ist - unbeschadet der Frage, ob bürgerlichrechtlich ein Zins vorliegt (vgl. dazu Belke, BB 1968, 1219 ff.) - bei wirtschaftlicher Betrachtung die Leistung des Kreditnehmers als zusätzliches Entgelt für die Überlassung des Kapitals anzusehen (vgl. BFH-Urteil I 52/64).
Mit Recht hat daher das FG die Umschuldungsgebühr mit dem normalen Disagio, das das Kreditinstitut bei einem neuen Darlehen einzubehalten pflegte, verglichen. Die Tatsache, daß sich das Kreditinstitut mit einer Umschuldungsgebühr begnügte, die um 1,5 v. H. niedriger lag als das Disagio bei der Ausgabe eines neuen Darlehens, rechtfertigt den Schluß des FG, daß in Höhe des Unterschiedsbetrags von 13 437 DM das alte Disagio in die Laufzeit des neuen (oder veränderten) Darlehens "fortwirkte", das heißt als Gegenleistung für die Überlassung des neuen (oder veränderten) Darlehens zu betrachten ist. Im übrigen, das heißt in Höhe von 15 133 DM, bestehen dagegen keine Anhaltspunkte für ein solches Fortwirken. Dieser Betrag ist daher abzuschreiben.
Fundstellen
Haufe-Index 70851 |
BStBl II 1974, 359 |
BFHE 1974, 527 |