Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob ein Reisevertreter als selbständiger Gewerbetreibender oder als Arbeitnehmer anzusehen ist.
Normenkette
EStG §§ 19, 15/1, § 2/3
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einkünfte, die der Beschwerdeführer (Bf.) im Jahre 1949 von der Firma E. bezogen hat, als Arbeitslohn oder als gewerbliche Einkünfte zu behandeln sind.
Der Bf. ist Reisevertreter der Firma E. Am 11. Juli 1949 hat er beim Finanzamt die Eintragung eines steuerfreien Betrages wegen erhöhter Werbungskosten auf der Lohnsteuerkarte beantragt. Das Finanzamt hat den Antrag abgelehnt. Es vertritt die Auffassung, daß der Bf. nicht Arbeitnehmer, sondern selbständiger Kaufmann sei, der nicht im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitslohn, sondern im Wege der Veranlagung zur Einkommensteuer heranzuziehen ist.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) beantragt der Bf. Aufhebung der Vorentscheidung und Feststellung, daß seine Bezüge von der Firma E. Arbeitslohn seien. Außerdem wird gerügt, daß das Finanzgericht dem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben habe, und daß das Finanzgericht es abgelehnt habe, von der Industrie- und Handelskammer ein Gutachten einzuholen. In der mündlichen Verhandlung machte der Vertreter des Bf. insbesondere noch geltend, daß die Firma E. zusätzlich den Abschluß einer Wettbewerbsvereinbarung verlange. Die Verhandlungen hierüber hätten noch zu keinem endgültigen Ergebnis geführt, da über den Inhalt der Wettbewerbsvereinbarung noch keine Einigung erzielt werden konnte.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Handelsvertreter als unselbständig oder als selbständig anzusehen ist, hat sich der Reichsfinanzhof eingehend in einer Reihe von Urteilen gefaßt. Dabei sind folgende Gesichtspunkte hervorgehoben worden: Unselbständigkeit liegt vor, wenn der Vertreter einem Unternehmen derart eingegliedert ist, daß er den Weisungen des Unternehmens zu folgen verpflichtet ist, und zwar muß diese Unterordnung hinsichtlich Ort, Zeit, Art und Weise der Tätigkeit gegeben sein (Reichssteuerblatt 1929 S. 375). Unselbständigkeit liegt nicht vor bei Handelsvertretern mit typischer Agenturtätigkeit für bestimmte Bezirke, selbst wenn der Vertreter täglich seiner Firma berichten muß und diese die Verkaufsreise bestimmen kann (Reichssteuerblatt 1942 S. 399, Reichssteuerblatt 1944 S. 381; Urteil des Reichsfinanzhofs V 46/43 U vom 4. Februar 1944, Steuer und Wirtschaft 1944 Nr. 171). Unwesentlich ist, wie die Beteiligten ihr Vertragsverhältnis bezeichnen. Entscheidend ist auch nicht, wie die Vergütung geregelt ist. Weitgehende vertragliche Bindungen sind mit der Selbständigkeit vereinbar. Für die Grenzziehung ist im Zweifelsfalle das Gesamtbild maßgebend. Dieser Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs schließt sich der erkennende Senat an.
In dem zwischen dem Bf. und der Firma am 31. Dezember 1948 abgeschlossenen "Angestellten-Engagement" ist im wesentlichen folgendes vereinbart: Der Bf. ist Mitarbeiter im Außendienst; er hat die bisherige Kundschaft zu besuchen und ist nach besten Kräften verpflichtet, weitere Kunden für die Firma zu werben. Sein Arbeitsgebiet umfaßt genau abgegrenzte Teile der Regierungsbezirke Schwaben, Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz, Ober- und Mittelfranken. Der Bf. ist verpflichtet, jährlich 45 bis 47 Wochen, und zwar jeweils von Montag bis Freitag, tätig zu sein. Dienstbeginn und Dienstbeendigung sind jeweils der vorgeschriebenen Geschäftszeit des Büros anzupassen. Er darf nur die Firma E. vertreten; Nebengeschäfte irgendwelcher Art sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung gestattet. Für seine Tätigkeit erhält er ein Monatsgehalt von 300 DM, außerdem erhält er Reisespesenzuschuß. Hierbei werden für den Unterhalt des Reisewagens monatlich pauschal 75 DM vergütet, wenn der Wagen 20 Tage benutzt worden ist. Außerdem erhält der Bf. Provision, die für die einzelnen Warengattungen gestaffelt ist (2 bis 8 Prozent des Umsatzes). Das Gehalt und die Reisespesen werden am Ende eines jeden Monats ausgezahlt. Die Provisionsabrechnung erfolgt monatlich zusammengefaßt nach Eingang und Massgabe der Zahlungen der Kunden jeweils bis zum 15. des darauffolgenden Monats. Außerdem erhält der Bf. einen Umsatz-Bonus, abgerechnet nach der Schlußsumme der monatlichen Provisionsauszüge. Der Umsatz-Bonus wird jeweils am 31. Dezember berechnet und gezahlt. Das Abkommen gilt ab 1. Januar 1949 zunächst für ein Jahr, es verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, sofern es nicht drei Monate vor Ablauf durch eingeschriebenen Brief gekündigt wird. Der Bf. hat die Pflicht, alle Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes abzuwickeln.
Das Finanzgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Bf. trotz der vorliegenden starken vertraglichen Bindungen als selbständiger Kaufmann anzusehen sei. Er vermittle Verkaufsgeschäfte und übe damit eine typische Agententätigkeit aus. Ein Agent sei aber nach § 84 des Handelsgesetzbuches ein selbständiger Kaufmann. Der Firma E. komme es nicht so sehr auf die Arbeitskraft des Bf. an als auf den Arbeitserfolg. Die Firma sporne den Bf. durch Gewährung von Provision und Umsatz-Bonus zu erhöhten Leistungen an. Die Tätigkeit des Bf. entferne sich dadurch, daß er trotz der vertraglich festgelegten Arbeitszeit tatsächlich die Arbeitszeit und den Arbeitsort weitgehend selbst bestimme, sowie dadurch, daß die Entschädigung für die Tätigkeit von seiner Tatkraft abhänge, von der Stellung eines Arbeitnehmers.
Die Ausführungen des Finanzgerichts lassen einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten nicht erkennen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Stellung des Bf. Die Entlohnung in Form einer Provision für jedes Geschäft spricht für die Selbständigkeit des Bf.; desgleichen der Umstand, daß der Bf. Provision für die von ihm beigebrachten Kunden erhält, die ihre Aufträge indirekt erteilen. Ferner spricht für die Selbständigkeit, daß der Bf. seine schriftlichen Arbeiten in der eigenen Wohnung und nicht an einem ihm vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz erledigt. Die Rüge des Bf., daß das Finanzgericht es unterlassen habe, ein Gutachten der Industrie- und Handelskammer einzuholen, ist unbegründet. Die Entscheidung darüber, ob die Sache spruchreif ist, hatte das Finanzgericht nach seinem Ermessen zu treffen. Wenn das Finanzgericht den Sachverhalt für hinreichend geklärt hielt, so konnte es von der Einholung eines Gutachtens der Industrie- und Handelskammer absehen. Auch der Einwand des Bf., daß die Arbeitsgerichte die Provisionsvertreter als "arbeitnehmerähnliche" Personen behandeln, ist nicht durchschlagend. Die Frage, ob der Bf. als lohnsteuerpflichtig zu behandeln ist oder nicht, ist ausschließlich nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Nach alledem muß die Rb. als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407338 |
BStBl III 1952, 79 |
BFHE 1953, 200 |
BFHE 56, 200 |