Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Berufssportler, die ihre Tätigkeit selbständig ausüben, sind gewerbesteuerpflichtig.
Eine Selbständigkeit ist nicht gegeben, wenn sie ihre Arbeitskraft einem Unternehmer für eine Zeitdauer, die eine Reihe von Veranstaltungen umfaßt - also nicht lediglich für einige Stunden eines Abends -, ausschließlich zur Verfügung stellen.
Normenkette
EStG §§ 15, 18 Abs. 1 Nrn. 1, 3; GewStG § 2
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist als Berufsringer ein Berufssportler (professional). Er ist in öffentlichen Sportveranstaltungen aufgetreten und hat hierfür von den Veranstaltern der Wettkämpfe Entlohnungen in Geld bezogen. Das Finanzamt sah hierin den Betrieb eines Gewerbes und zog den Stpfl. aus einem geschätzten Gewinn von 15.000 RM für 1947, das Streitjahr, zur Gewerbesteuer heran. Der Stpfl. wandte sich hiergegen mit der Begründung, seine Tätigkeit sei als selbständige Arbeit im Sinne des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen und deshalb nicht gewerbesteuerpflichtig. Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Der Berufssportler wende sich regelmäßig nicht an die Allgemeinheit direkt, sondern trete lediglich mit den Unternehmern der Veranstaltungen in unmittelbare geschäftliche Beziehungen. Seine Leistungen würden ausschließlich durch seine persönliche Arbeitskraft bewirkt. Das persönliche Moment der Leistung stehe bei sportlichen Wettkämpfen in einer ebenso charakteristischen Weise im Vordergrund wie bei der künstlerischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamtsvorstehers ergibt folgendes:
Der Vertreter des Stpfl. hat im Rechtsmittelverfahren auf die nahen Beziehungen des Berufssportlers zum Artisten hingewiesen. In einem Schriftsatz vom 11. März 1949 wird folgendes ausgeführt: Der Stpfl. sei im internationalen Berufsringkämpferverband e. V., Sitz X, organisiert der korporativ der internationalen Artistenloge Y angeschlossen sei. In der Artistenloge werde er als Artist in der Sparte "Ringkämpfer" geführt. Als solcher könne er sich in Engagements bei zirzensischen Unternehmen oder in Variete-Unternehmen verpflichten. Wenn der Stpfl. als "Berufsringer" und Artist als gewerbesteuerpflichtig angesehen werde, würde damit ein Feld angeschnitten, auf dem ungefähr 7000 bis 8000 Artisten arbeiteten. Die Nennung zu einem Wettkampf sei doch wohl nicht anders zu werten als das Engagement eines Artisten.
Der von dem Stpfl. vertretenen Auffassung, daß die Verhältnisse des Berufssportlers mit denjenigen des Artisten gleichartig sind, wird man beipflichten müssen. Von der gleichen Auffassung ist die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 572/26 vom 1. Dezember 1926, Reichssteuerblatt (RStBl) 1927 S. 77, ausgegangen, die als Beispiel für die Artistik den Ringkämpfer aufführt.
Eine Gewerbesteuerpflicht kommt nur dann in Frage, wenn sich die Tätigkeit als eine selbständige Tätigkeit darstellt. Der Reichsfinanzhof hat sich mit der Frage der selbständigen Tätigkeit bei Artisten in der oben mitgeteilten Entscheidung VI A 572/26 vom 1. Dezember 1926 eingehend befaßt. Beachtlich sind folgende Ausführungen:
Es könne nicht entscheidend darauf ankommen, nach welchen Grundsätzen das Entgelt für den Artisten bemessen werde. Es sei z. B. bei Ringkämpfern ganz gleich, ob sie für den einzelnen Ringkampf oder für die Dauer des Ringens oder je nachdem sie siegen, unterliegen oder unentschieden ringen würden, verschieden bezahlt würden. Von Bedeutung sei vielmehr in erster Linie, ob der zur Leistung Verpflichtete während der Dauer des Vertrages als frei oder unfrei anzusehen sei. Hier komme es in der Hauptsache darauf an, ob der zu den Leistungen Verpflichtete nach den Verhältnissen seines Berufes durch den Vertrag im wesentlichen über seine Arbeitskraft verfügt habe. Obwohl es sich bei den Artisten regelmäßig nur um eine Tätigkeit in den Abendstunden handle, liege eine wesentliche Verfügung über die Arbeitskraft vor, weil es sich gerade um die Stunden handle, in denen die Arbeitskraft eines Artisten im allgemeinen allein ausgenutzt werden könne. Ein Artist, der sich auf Wochen oder Monate zum täglichen Auftreten am Abend verpflichte, sei schon dadurch allein in der anderweitigen Ausübung seines Berufes derart beschränkt, daß er als Angestellter anzusehen sei.
In gleicher Weise wird in der Entscheidung VI A 601/30 vom 16. April 1930, RStBl 1930 S. 481, die sich mit der Lohnsteuerpflicht des Filmkünstlers befaßt, der Grundsatz ausgesprochen, daß ein Angestelltenverhältnis vorliege, wenn jemand über seine Arbeitskraft für eine gewisse Zeit zugunsten eines Unternehmers verfüge. Es sei nicht von Bedeutung, wenn es sich hierbei nur um die Dauer einer Woche handle und der Künstler lediglich im wirtschaftlichen Sinn betrachtet gehindert sei, seine Arbeitskraft anderweit auszunutzen. Dieselben Grundsätze haben der Reichsfinanzhof und der Oberste Finanzgerichtshof hinsichtlich der Lohnsteuerpflicht der Musikkapellen (s. Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 15/50 vom 18. April 1950, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen - BayFMBl. - 1950 S. 241 und die dort aufgeführte Rechtsprechung) und der Opernsänger (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 423/27 vom 21. Dezember 1927, RStBl 1928 S. 95, und VI A 358/36 vom 10. Juni 1936, RStBl 1936 S. 1010) vertreten.
Meist werden an einem Wettkampf eine größere Zahl von Ringern teilnehmen, so daß sich die Kämpfe, die von einem Unternehmer veranstaltet werden, über eine längere Zeit erstrecken. Die Frage, ob der einzelne Ringer durch seinen Vertrag in einem Arbeitnehmerverhältnis zum Unternehmer steht, muß nach den Bindungen, die er wirtschaftlich betrachtet eingeht, beurteilt werden. Die vertragliche Bindung des einzelnen Ringers wird auf Grund der Besonderheiten dieses Berufes vielfach geringer sein als ganz überwiegend bei Arbeitnehmerverträgen anderer Berufsgruppen (s. die Ausführungen S. 3 des Schriftsatzes des Stpfl. vom 11. März 1949). Man wird aber trotzdem nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, ein Angestelltenverhältnis dann annehmen müssen, wenn ein Ringer seine Arbeitskraft für eine Zeitdauer, die eine Reihe von Veranstaltungen umfaßt, nicht lediglich für einige Stunden eines Abends, ausschließlich einem Unternehmer zur Verfügung stellt.
Wie der Reichsfinanzhof in der Entscheidung VI 192/42 vom 15. Juli 1942, RStBl 1942 S. 989, ausgesprochen hat, sind die Unternehmungen des Vergnügungsgewerbes, also die Zirkusse, die Varietes, gewerbesteuerpflichtig. Das ist auch dann der Fall, wenn lediglich Artisten auftreten, und wenn diese Artisten, wie es bei Seiltänzergruppen häufig der Fall ist, selbst die Unternehmer sind, d. h. das Risiko der Veranstaltung tragen.
Die Artisten fallen nicht unter die freien Berufe des § 18 Absatz 1 Ziffer 1 EStG. Wie der Reichsfinanzhof und der Oberste Finanzgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, so der Oberste Finanzgerichtshof in der Entscheidung IV 4/49 vom 10. Mai 1949, Ministerialblatt des Bundesministeriums der Finanzen 1950 S. 332, ausgesprochen haben, sind als ähnliche Berufe im Sinne des § 18 Absatz 1 Ziffer 1 EStG nur solche Berufe anzusehen, die einem bestimmten der im Gesetz aufgeführten Berufe ähnlich sind. Das ist bei den Artisten, auch bei den Berufsringern, nicht der Fall. In der Entscheidung VI 192/42 wird im einzelnen dargestellt, daß eine Gewerbesteuerpflicht auch dort in Frage kommen kann, wo die Tätigkeit lediglich auf der persönlichen Arbeitskraft beruht.
Die Artisten fallen des weiteren nicht unter § 18 Absatz 1 Ziffer 3 EStG. Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Obersten Finanzgerichtshofs hat § 18 Absatz 1 Ziffer 3 EStG in erster Linie mehr gelegentliche Tätigkeiten im Auge (s. Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 4/49 und die dort aufgeführte Rechtsprechung). Eine gelegentliche Tätigkeit ist auch dann nicht gegeben, wenn eine Tätigkeit, wie die des Sängers, des Artisten, des Sportlers, nur eine beschränkte Zahl von Jahren ausgeübt werden kann. Der Auffassung des Urteils des Finanzgerichts in der Finanz-Rundschau 1950 S. 249 kann nicht beigetreten werden. Eine gelegentliche Tätigkeit im Sinne dieser Rechtsprechung kommt bei Amateur-Sportlern in Frage, die neben einem Hauptberuf lediglich gelegentlich an Wettkämpfen teilnehmen und hierfür Entgelte erhalten, nicht aber bei berufsmäßigen Artisten, berufsmäßigen Sportlern. Unter § 18 Absatz 1 Ziffer 3 EStG kann ausnahmsweise auch eine Tätigkeit fallen, wenn sie nicht nur gelegentlich ausgeübt wird. Im Gegensatz zu Ziffer 1 des § 18 Absatz 1 EStG ist bei Ziffer 3 die Beschränkung auf "ähnliche Berufe" nicht ausdrücklich ausgesprochen. Es werden aber bei Ziffer 3 die dort aufgeführten Tätigkeiten als Beispiele bezeichnet. Hieraus muß geschlossen werden, daß die Beispiele auch für die Abgrenzung des Begriffes der "sonstigen selbständigen Arbeit" bedeutsam sind. Andernfalls wäre Ziffer 3 nur eine unverständliche Wiederholung der Eingangsworte des Paragraphen "Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind:". Die Beispiele sollen den Begriff der sonstigen selbständigen Arbeit charakterisieren. Der Reichsfinanzhof hat deshalb in der Entscheidung VI 822/38 vom 22. Februar 1939, Slg. Bd. 46 S. 189, RStBl 1939 S. 576, ausgesprochen, daß er es nicht für angängig halte, über die in § 18 Absatz 1 Ziffer 3 EStG bezeichneten und etwa ganz ähnlichen Tätigkeiten hinauszugehen und andere Berufe ebenfalls als Ausübung sonstiger selbständiger Arbeit anzuerkennen. Bei einem Berufsartisten fehlt genau so wie beim Trainer (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 259/41 vom 13. August 1941, RStBl. 1941 S. 678, und VI 192/42 vom 15. Juli 1942, RStBl. 1942 S. 989) die ähnlichkeit.
Diese Grundsätze gelten auch für den Berufssportler. Auch seine Tätigkeit ist nicht den in § 18 EStG aufgeführten Tätigkeiten dem Wesen nach ähnlich. Besonders deutlich tritt die gewerbliche Tätigkeit in den allerdings seltenen Fällen zutage, wo Berufssportler das Risiko des Publikumserfolges bei den Veranstaltungen selbst tragen. Aber die Frage kann nicht anders beantwortet werden, wenn das Risiko der Veranstaltung ein Unternehmer trägt und der einzelne Berufssportler gegen eine feste Bezahlung auftritt, sofern er nach den unter 2. dargestellten Grundsätzen selbständig bleibt. Siehe auch die Entscheidung des Reichsfinanzhofs V A 227/29 vom 8. November 1929, RStBl. 1930 S. 125, zur Umsatzsteuerpflicht der Schrittmacher und Rennfahrer. Der Begriff des Gewerbebetriebes nach § 2 des Gewerbesteuergesetzes stellt es nicht darauf ab, ob eine unmittelbare Leistung an den Verbraucher erfolgt. Der Fabrikant, der Zwischenhändler sind ebenso Gewerbetreibende wie der Einzelhändler. Sie üben eine selbständige nachhaltige Tätigkeit in Gewinnabsicht aus und beteiligen sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (§ 7 Absatz 2 der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 16. Dezember 1941, RStBl 1941 S. 937).
Da das Finanzgericht diese Rechtsgrundsätze nicht berücksichtigt hat, muß die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Würdigung an das Finanzgericht zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407216 |
BStBl III 1951, 97 |
BFHE 1952, 255 |
BFHE 55, 255 |