Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbungskostenabzug für Fahrten zur Kantine
Leitsatz (amtlich)
Fährt ein Steuerpflichtiger arbeitstäglich von seiner gleichbleibenden Arbeitsstätte zu einer nahegelegenen Kantine, um dort sein Mittagessen einzunehmen, so sind die Fahrtkosten auch dann nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn am Arbeitsort selbst keine entsprechende Verpflegungsmöglichkeit vorhanden ist (teilweise Aufgabe der Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 18.Dezember 1981 VI R 201/78, BFHE 135, 70, BStBl II 1982, 261).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 12 Nr. 1 S. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1988 als Arbeitnehmer bei den amerikanischen Streitkräften auf einem Truppenübungsplatz beschäftigt. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen geltend, die ihm für arbeitstägliche Fahrten von seiner Dienststelle zu einer nahegelegenen Kantine der Bundeswehr entstanden waren (0,95 km x 2 an 220 Tagen zu 0,42 DM = 175,56 DM). Zur Begründung führte er an, bei seiner Dienststelle sei keine Kantine vorhanden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte den Werbungskostenabzug mit dem Hinweis, die Aufwendungen seien Kosten der privaten Lebensführung und somit nach § 12 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abziehbar. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte im wesentlichen aus: Zwar gehörten die Kosten für die Einnahme des Mittagessens einschließlich der dabei anfallenden Fahrtkosten zu den nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung i.S. des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG. Im Streitfall jedoch sei der Kläger nur deshalb von seiner Arbeitsstelle zu der Bundeswehrkantine gefahren, weil keine näher gelegene und zumutbare Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme bestanden habe. In einem derartigen Fall stehe nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.Dezember 1981 VI R 201/78 (BFHE 135, 70, BStBl II 1982, 261) der Weg zur Nahrungsaufnahme noch in einem notwendigen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, auch wenn die Nahrungsaufnahme als solche privat veranlaßt bleibe. Das Urteil beinhalte insoweit eine Ausnahme von dem in § 12 Nr.1 Satz 2 EStG enthaltenen Verbot des Abzugs von sog. gemischten Aufwendungen (Hinweis auf Söffing, Finanz-Rundschau --FR-- 1982, 227). Die dort aufgestellten Grundsätze gälten --entgegen der Auffassung des FA-- nicht nur für Arbeitnehmer, die auf ständig wechselnden Einsatzstellen beschäftigt seien.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 12 Nr.1 EStG. Hierzu führt es u.a. aus: Die streitigen Fahrtkosten seien unmittelbar durch die private Nahrungsaufnahme veranlaßt und gehörten ebenso wie die Kosten für das Mittagessen zu den gemäß § 12 Nr.1 EStG nicht abziehbaren Aufwendungen. Würde man der Auffassung des FG folgen, wären auch Mittagsheimfahrten zur privaten Wohnung beruflich veranlaßt, insbesondere dann, wenn die Entfernung zwischen der Arbeitsstätte und der Wohnung geringer sei als die Entfernung zwischen Arbeitsstätte und nächst gelegener Gaststätte bzw. Kantine. Zu verweisen sei in diesem Zusammenhang auf die gesetzliche Neuregelung in § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.4 Satz 2 EStG 1990, wonach bei den Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zusätzliche Fahrten nur in bestimmten Ausnahmefällen zu berücksichtigen sind.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat die Aufwendungen des Klägers für Fahrten zwischen seiner Dienststelle und der nahegelegenen Bundeswehrkantine zu Unrecht als Werbungskosten angesehen.
a) Dem Werbungskostenabzug steht § 12 Nr.1 Satz 2 EStG entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen steuerlich nicht berücksichtigt werden.
Ebenso wie das Mittagessen selbst gehören nach der Rechtsprechung des BFH zum Bereich der Lebensführung auch die Fahrten zur Wohnung, um dort das Mittagessen einzunehmen (vgl. z.B. Urteil vom 13.Dezember 1962 IV 10/61 S, BFHE 76, 255, BStBl III 1963, 91; Beschluß vom 2.April 1976 VI B 85/75, BFHE 118, 465, BStBl II 1976, 452). Mit Wirkung zum 1.Januar 1990 hat der Gesetzgeber durch das Steuerreformgesetz 1990 in § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.4 EStG die Abziehbarkeit von Kosten für zusätzliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf bestimmte --von der Rechtsprechung bisher anerkannte-- Ausnahmefälle beschränkt und damit auch die vorstehend zitierte Rechtsprechung bestätigt (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 7.April 1989 VI R 176/85, BFHE 157, 360, BStBl II 1989, 925, unter 3. b am Ende).
Zwar handelt es sich im Streitfall nicht um zusätzliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Dennoch gilt hier dem Grunde nach nichts anderes. Es macht keinen Unterschied, ob der Steuerpflichtige zum Mittagessen nach Hause fährt oder ob er eine Gaststätte oder Kantine aufsucht. In beiden Fällen ist maßgeblich die private Lebensführung betroffen. Fährt der Steuerpflichtige zur eigenen Wohnung, mögen zwar noch weitere persönliche Beweggründe hinzukommen. Aber auch wenn er nur zur Kantine oder zu einer Gaststätte fährt, verfolgt er in erster Linie den --im Privatbereich liegenden-- Zweck, sich zu ernähren und damit seine persönliche Leistungsfähigkeit zu erhalten.
b) Daß Kosten zwischen der (gleichbleibenden) Arbeitsstätte und einer Kantine bzw. Gaststätte nicht als Werbungskosten abziehbar sind, ergibt sich zudem aus dem Regelungsgehalt des § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.4 EStG. Der Senat braucht nicht abschließend zu erörtern, ob --wie im Senatsurteil vom 20.Dezember 1982 VI R 64/81 (BFHE 137, 463, BStBl II 1983, 306 unter 2. b bb) angenommen-- Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Sinne der genannten Vorschrift als Ausnahmetatbestand zum Abzugsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG zu werten sind. Er geht jedenfalls davon aus, daß § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.4 EStG den Umfang des Werbungskostenabzugs für solche Fahrten abschließend regelt, die von der gleichbleibenden Arbeitsstätte aus unternommen werden und vom Arbeitgeber nicht angeordnet worden sind, wie z.B. Dienstreisen. Aufwendungen für Fahrten der hier streitigen Art werden weder vom gesetzlichen Grundtatbestand noch von den durch die Rechtsprechung entwickelten (nunmehr im Gesetz geregelten) Ausnahmetatbeständen erfaßt und sind daher von vornherein vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen.
c) Der Senat hat zwar in seinem Urteil in BFHE 135, 70, BStBl II 1982, 261 ausgeführt, der Weg zur Essenseinnahme sei dann beruflich veranlaßt, wenn der Steuerpflichtige während einer beruflich veranlaßten Abwesenheit von seiner Wohnung eine nahegelegene und zumutbare Gaststätte aufsucht, um, da eine Betriebskantine nicht zur Verfügung steht, dort sein Essen zu sich zu nehmen. Mit diesen und anderen Erwägungen hat er die Kosten eines Unfalls, der sich auf der Fahrt von der Arbeitsstelle zu einer nahegelegenen Gaststätte ereignet hatte, als Werbungskosten anerkannt. Soweit diesem Urteil die Aussage zu entnehmen sein sollte, unter den gegebenen Umständen seien auch die Kosten der Fahrt selbst als Werbungskosten abziehbar, hält der Senat daran zumindest für den Fall nicht fest, daß die Fahrt von einer gleichbleibenden Arbeitsstätte aus unternommen wird. Damit stimmt er im Ergebnis mit der Auffassung verschiedener FG überein, nach der Aufwendungen für Fahrten von der gleichbleibenden Arbeitsstätte zu einer Kantine bzw. einer Gaststätte nicht als Werbungskosten anzuerkennen sind (vgl. Urteil des FG Bremen vom 20.Dezember 1990 I 217/87 K, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1991, 469; Urteil des FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 8.April 1992 2 K 176/88, EFG 1992, 444; zustimmend: Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 11.Aufl., § 9 Anm.7d; Hartz/ Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stand Juni 1992, "Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte" Rz.27).
Fundstellen
Haufe-Index 64280 |
BFH/NV 1993, 38 |
BStBl II 1993, 505 |
BFHE 170, 375 |
BFHE 1993, 375 |
BB 1993, 2216 |
BB 1993, 2216 (LT) |
DB 1993, 1169 (LT) |
DStR 1993, 720 (KT) |
DStZ 1993, 436 (K) |
HFR 1993, 379 (KT) |
StE 1993, 266 (K) |