Entscheidungsstichwort (Thema)
Sportmedizinischer Fortbildungslehrgang zur Skihauptsaison an bekannten Wintersportorten - keine berufliche Veranlassung
Leitsatz (amtlich)
Die Teilnahme an einem Fortbildungslehrgang, der von einem Ärzteverband veranstaltet wird und mit bestimmten Stundenzahlen auf die Voraussetzungen zur Erlangung der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" angerechnet werden kann, ist nicht ganz überwiegend beruflich veranlaßt, wenn der Lehrgang nach Programm und Durchführung in nicht unerheblichem Maße die Verfolgung privater Erlebnis- und Erholungsinteressen zuläßt. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Lehrgang zur Skihauptsaison an bekannten Wintersportorten stattfindet und weitgehend Gelegenheit zur Ausübung des Wintersports bietet.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 21.06.1988; Aktenzeichen VI 5758/86 E) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog im Streitjahr als Arzt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. In seiner Einkommensteuererklärung machte er u.a. Aufwendungen für die Teilnahme am Fortbildungslehrgang des Deutschen Sportärztebundes/Bayerischen Sportärzteverbandes in Laax-Flims/Schweiz (vom 26.Januar bis 9.Februar) in Höhe von ... DM geltend. Ferner hatte er an der Weiterbildungsveranstaltung des Deutschen Sportärztebundes/Sportärztebund Westfalen in Wolkenstein/Dolomiten (vom 24.März bis 31.März) teilgenommen; die Aufwendungen in Höhe von ... DM machte er ebenfalls als Werbungskosten geltend.
Nach dem von dem Kläger vorgelegten Programm des Lehrgangs in Laax-Flims war die Zeit von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr regelmäßig sportpraktischen Übungen (u.a. alpine Skikurse, Skilanglauf, Skiwandern, Skigymnastik) vorbehalten. Um 17 Uhr schlossen sich Vorträge zu sportmedizinischen Themen und Filme (neben wissenschaftlichen Filmen auch Sport- und Skilehrfilme) an. Seminare zu den Referaten wurden jeweils zwischen 8.45 Uhr und 9.45 Uhr des folgenden Tages abgehalten.
Das Programm des Lehrgangs in Wolkenstein bot regelmäßig sportpraktische Übungen zwischen 8 Uhr und 9 Uhr (Gymnastik) und zwischen 14 Uhr und 16 Uhr (Skilauf, Schwimmen) an. Zwischen 9 Uhr und 13 Uhr wurden auch Seminare und ab 16.30 Uhr Vorträge zu sportmedizinischen Themen abgehalten.
Die Teilnahme wurde für den Lehrgang in Laax-Flims auf einer Teilnahmekarte und für den Lehrgang in Wolkenstein durch Stempelaufdruck und Gegenzeichnung auf dem Veranstaltungsprogramm testiert.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die geltend gemachten Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Im Einspruchsverfahren erkannte das FA lediglich die Teilnahmegebühr für den Lehrgang in Laax-Flims in Höhe von ... DM als Werbungskosten an.
In seiner Klagebegründung wies der Kläger insbesondere darauf hin, daß er den Erwerb der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" anstrebe. Zu deren Erlangung sei die Teilnahme an den vom Sportärztebund veranstalteten Kongressen notwendig.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 630 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus:
Auslandsreisen, die nach der Lebenserfahrung sowohl dem beruflichen Bereich als auch der Lebensführung zugehören könnten, führten nur dann zu Werbungskosten, wenn die Reisen ausschließlich oder weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen würden. Das setze voraus, daß die Verfolgung privater Interessen, wie z.B. Sport, Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen sei. Andernfalls seien die gesamten Kosten nicht abziehbar, sofern nicht ein durch den Beruf veranlaßter Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgegrenzt werden könne.
Im Streitfall bilde die praktische Sportausübung nach den vorgelegten Programmen einen wesentlichen Teil der jeweiligen Fortbildungsveranstaltung. Damit aber hätten beide Veranstaltungen die Gelegenheit zur Verfolgung privater Interessen am jeweiligen Wintersport in nicht nur geringem Ausmaß geboten. Insbesondere seien die Techniken und Methoden des Skilaufs vermittelt worden, die auch sonst im Rahmen von Skikursen den privat am Skisport interessierten Urlaubern beigebracht würden. Dies werde auch dadurch deutlich, daß an den Veranstaltungen jeder Arzt habe teilnehmen können. Im übrigen hätten beide Lehrgänge während der Skihauptsaison an bekannten Wintersportorten stattgefunden.
Dieser Würdigung stehe nicht entgegen, daß der Kläger die Zusatzbezeichnung Sportmedizin angestrebt habe. Eine solche Zusatzbezeichnung könne führen, wer die Anerkennung durch die jeweilige Ärztekammer erhalten habe. Die Anerkennung werde grundsätzlich ohne Prüfung allein aufgrund der vorgelegten Zeugnisse und Nachweise ausgesprochen. Nachzuweisen seien insbesondere die Teilnahme an den anerkannten Einführungskursen in Theorie und Praxis für Leibesübungen mit einer bestimmten Stundendauer, die Teilnahme an von der Ärztekammer anerkannten sportmedizinischen Kursen mit einer festgelegten Stundendauer und eine einjährige praktische sportärztliche Tätigkeit in einem Sportverein oder Sportverband. Der Fortbildungslehrgang in Laax-Flims sei mit 40 Stunden Theorie und 40 Stunden Praxis anrechenbar, der Lehrgang in Wolkenstein mit 40 Stunden Theorie und Praxis der Leibesübungen und 50 Stunden Theorie und Praxis der Sportmedizin. Durch diese Einbindung der sportpraktischen Betätigung, hier der Ausübung des Skisports, in die Weiterbildung trete jedoch nicht der mit dem Skisport verbundene, der Erholung dienende sportliche Aspekt so weit in den Hintergrund, daß er gegenüber der beruflichen Veranlassung von untergeordneter Bedeutung sei. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, daß die Zusatzbezeichnung Sportmedizin nicht etwa mit dem Abschluß einer Facharztausbildung verglichen werden könne; denn die Bundesärztekammer weise ausdrücklich darauf hin, daß die Bezeichnung "Sportarzt" nicht geführt werden dürfe. Der Senat gehe davon aus, daß im Rahmen der Fortbildungsmaßnahme die Einbindung der sportpraktischen Teile der Ausbildung bewußt mit der theoretischen Ausbildung verbunden werde. Die einzelnen Landessportärzteverbände, die die Kurse veranstalteten, hätten bei der Abfassung der Lehrgangsprogramme auch einen Erholungswert für die Teilnehmer im Auge gehabt; denn im Programm für Laax-Flims werde ausdrücklich die Möglichkeit der Teilnahme von Ehefrauen und Begleitpersonen angesprochen, im Programm für Wolkenstein die Teilnahme von Nichtmitgliedern.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 9 Abs.1 Satz 1 i.V.m. § 12 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er trägt im wesentlichen vor, die hier streitigen Veranstaltungen seien mit privaten Skikursen nicht vergleichbar. Das ergebe sich schon daraus, daß die Teilnahme berufsrechtlich für die erstrebte Zusatzbezeichnung vorgeschrieben sei. Der Umstand, daß auch mit einer beruflich veranlaßten Tätigkeit ein Erlebniswert oder die Befriedigung sportlicher Bedürfnisse verbunden sein könne, unterbreche weder die kausale noch die finale Beziehung zum Beruf des Steuerpflichtigen und den daraus fließenden Einnahmen. Da das Skilaufen als solches hier zwingende Voraussetzung für die Teilnahme an den Veranstaltungen und damit die spätere Erlangung der Zusatzbezeichnung sei, werde ein evtl. vorhandenes privates Interesse vollständig überlagert. Die Vermittlung von sportmedizinischen Kenntnissen sei ohne praktische Betätigung nicht möglich. Die Kurse hätten unter Leitung speziell ausgebildeter Mediziner gestanden, was sich aus den Programmen ergebe. Gegenstand der sportärztlichen Praxis sei gerade nicht die sportliche Betätigung als solche gewesen, sondern die Betätigung, die hinter der Vermittlung von sportmedizinischen Kenntnissen stehe. Private Erholungs- und Bildungsinteressen träten deshalb völlig in den Hintergrund; ein außerberuflicher Reisezweck müsse deshalb als ausgeschlossen angesehen werden.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids in der Form der Einspruchsentscheidung weitere Aufwendungen in Höhe von ... DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen.
Das FA beantragt, unter Bezugnahme auf die Begründung des FG, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann die geltend gemachten Kosten für die Teilnahme an den Lehrgängen in Laax-Flims und Wolkenstein nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen.
Das FG ist in tatsächlicher Hinsicht --gemäß § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für den Senat bindend-- davon ausgegangen, daß der Kläger die Lehrgänge mit dem Ziel besucht hat, die Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" zu erwerben. Diese Zielvorstellung liegt im beruflichen Bereich des Klägers. Denn auch Aufwendungen, die dazu dienen, sich im ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu halten oder fortzubilden, sind beruflich veranlaßt und können deshalb Werbungskosten i.S. des § 9 Abs.1 Satz 1 EStG sein (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.August 1988 VI R 175/85, BFHE 154, 513, BStBl II 1989, 91).
Der Abziehbarkeit der streitigen Aufwendungen steht jedoch § 12 Nr.1 Satz 2 EStG entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen Aufwendungen für die Lebensführung nicht abgezogen werden, auch wenn sie der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen. Das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG verbietet zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern. Nur wenn die berufliche (betriebliche) Verursachung bei weitem überwiegt, private Gesichtspunkte also nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen, bleibt der Abzug der (vollen) Aufwendungen als Werbungskosten (Betriebsausgaben) zulässig (BFH-Urteil vom 16.Oktober 1986 IV R 138/83, BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208, m.w.N.). Ob die allgemeine Lebensführung in nicht nur ganz untergeordneter Weise berührt ist, muß im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände geprüft werden. Nach der für Auslandsreisen und -aufenthalte ergangenen Rechtsprechung des BFH reicht es insbesondere nicht aus, daß die Reise fachlich, z.B. von einem Fachverband organisiert ist (Entscheidungen vom 22.Mai 1974 I R 212/72, BFHE 113, 274, BStBl II 1975, 70, unter 3 a, und vom 27.November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, unter II 1 d). Vielmehr kommt es vorrangig auf den ganz überwiegenden beruflichen (betrieblichen) Zweck der Reise bzw. des Aufenthalts an, der nach objektiven Merkmalen genügend klar erkennbar sein muß (Urteil in BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208, unter 2 c).
Danach ist die Teilnahme des Klägers an den Lehrgängen in Laax-Flims und Wolkenstein nicht schon deshalb beruflich veranlaßt, weil die Lehrgänge vom Deutschen Sportärztebund veranstaltet und organisiert wurden. Der Senat folgt auch nicht dem FG Köln (Urteil vom 27.Oktober 1987, EFG 1988, 67), wenn es die nach seiner Ansicht ganz überwiegende berufliche Veranlassung derartiger Lehrgänge des Deutschen Sportärztebundes damit begründet, daß die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung zwingende Voraussetzung für die Erlangung der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" sei. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG waren die hier streitigen Lehrgänge lediglich (mit bestimmten Stundenzahlen) auf die für die Erlangung der Zusatzbezeichnung festgelegte Stundendauer in Theorie und Praxis der Leibesübungen bzw. der Sportmedizin anrechenbar. Die Voraussetzungen für die Erlangung der Zusatzbezeichnung konnten auch in anderer Weise erfüllt werden. Im übrigen stimmt der Senat dem FG auch darin zu, daß eine bewußt herbeigeführte Verbindung zwischen beruflicher Fortbildung und privatem Erholungswert auch dann schädlich ist, wenn sie von einem Berufsverband mit dem Ziel der Erlangung einer bestimmten beruflichen Bezeichnung vorgenommen wird.
Daß die streitigen Lehrgänge einen nicht unbedeutenden privaten Erlebnis- und Erholungswert hatten, hat das FG ohne Rechtsirrtum angenommen. Es hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, daß beide Lehrgänge an bekannten Wintersportorten stattfanden, in erheblichem Maße Gelegenheit zur Ausübung des Wintersports boten und der Vermittlung der Techniken und Methoden des Skilaufs dienten, alles Umstände, die sonst im Rahmen privater Skiurlaube und Skikurse anzutreffen sind. Ferner hat das FG zu Recht hervorgehoben, daß der private Erholungswert auch durch die Möglichkeit der Teilnahme von Ehefrauen und Begleitpersonen (so für den Lehrgang in Laax-Flims) bzw. für Nichtmitglieder (so für den Lehrgang in Wolkenstein) zum Ausdruck kommt, die in den jeweiligen Programmen ausdrücklich angesprochen sind.
Wenn der Kläger demgegenüber einwendet, ein evtl. privater Erlebniswert oder die Befriedigung sportlicher Bedürfnisse unterbreche die Beziehung zu seinem Beruf nicht, so ist darauf zu erwidern, daß es hier nicht um die Ingangsetzung einer zweiten, nicht beruflichen Ursachenkette geht, sondern um die gleichzeitige Verfolgung beruflicher und (nicht unerheblicher) privater Interessen. Dies ist auch dem Hessischen FG (Urteil vom 22.Januar 1987, EFG 1987, 549) entgegenzuhalten, das unter Verwendung desselben Arguments die Abziehbarkeit derartiger Lehrgangskosten bejaht hat.
Auch die weitere Einwendung des Klägers, die Vermittlung sportmedizinischer Kenntnisse sei ohne praktische Betätigung nicht möglich, steht der Auffassung des Senats nicht entgegen, ohne daß es darauf ankommt, ob bzw. inwieweit diese Behauptung zutrifft. Denn sie besagt nichts über die Notwendigkeit einer Betätigung in der hier gewählten Form einer unverhältnismäßig starken Betonung des Wintersports mit der Folge einer Einbeziehung erheblicher privater Erholungsinteressen.
Die Versagung der Abziehbarkeit in Fällen der vorliegenden Art steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Senats in BFHE 154, 513, BStBl II 1989, 91. Nach diesem Urteil sind Aufwendungen für die Teilnahme an einem Lehrgang zum Erwerb einer Schulskileiter-Lizenz unter eng begrenzten Voraussetzungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar. Dabei wird aber --zum Ausschluß von Fällen, in denen der allgemeine Erlebnis- und Erholungswert eine nicht untergeordnete Rolle spielt--, u.a. vorausgesetzt, daß der Steuerpflichtige Sportlehrer ist, Sportunterricht erteilt und die erworbenen Fähigkeiten anschließend im Lehrerberuf durch die Leitung von Schulskireisen oder Schulskitagen verwendet. Derartige Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Denn der Arzt benötigt Skilaufen zur Ausübung seines Berufs nicht, auch wenn er die Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" führt. Insofern lassen sich die hier zu beurteilenden Lehrgänge auch nicht mit Lehrgängen und Trainingskursen vergleichen, an denen Skilehrer oder Berufsskisportler teilnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 62718 |
BFH/NV 1990, 3 |
BStBl II 1990, 134 |
BFHE 158, 532 |
BFHE 1990, 532 |
BB 1990, 539 |
BB 1990, 539-541 (LT) |
DB 1990, 207-208 (LT) |
DStR 1990, 82 (KT) |
HFR 1990, 244 (LT) |
StE 1990, 18 (K) |