Leitsatz (amtlich)
Die Abzinsung von Kaufpreisraten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25. Juni 1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431) ist bei allen Forderungen vorzunehmen, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 20
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin der am 1. Mai 1976 verstorbenen A (Steuerpflichtige).
Die Steuerpflichtige, die an einer GmbH beteiligt war, veräußerte am 22. September 1972 - ebenso wie andere Gesellschafter - ihre im Privatvermögen gehaltenen Geschäftsanteile zum Preis von 310 v. H. des Nominalwerts und übertrug die Geschäftsanteile auf die Erwerberin. Nach dem Veräußerungsvertrag sollten Nutzungen und Lasten der veräußerten Geschäftsanteile rückwirkend zum 1. Januar 1972 auf die Erwerberin übergehen. Der Kaufpreis sollte erst am 31. Dezember 1973 fällig werden.
Als sich 1973 günstige Festgeldanlagemöglichkeiten boten, wünschten einige Veräußerer der Geschäftsanteile die vorzeitige Auszahlung des Kaufpreises. Die Erwerberin war damit unter der Bedingung einverstanden, daß der Kaufpreis mit 7 v. H. p. a. abgezinst würde. Einer entsprechenden Vereinbarung schloß sich die Steuerpflichtige an und erhielt ihren Kaufpreis am 2./4. Juli 1973 abgezinst um 59 256 DM zur Verfügung gestellt. Den Verfügungsbetrag legte die Steuerpflichtige auf einem zu 11 v. H. p. a. verzinslichen Festgeldkonto an und erhielt dafür 1973 69 513 DM Zinsen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte bei der Einkommensteuerveranlagung für 1973 den nicht abgezinsten Kaufpreis aus der Veräußerung der Geschäftsanteile als steuerfreien Veräußerungsgewinn, ließ jedoch den Abzinsungsbetrag für die vorzeitige Auszahlung des Kaufpreises nicht zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu. Einspruch und Klage gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid 1973 blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:
Der umstrittene Abzinsungsbetrag sei keine als Werbungskosten i. S. von § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbare Aufwendung.
Dahinstehen könne, ob auch für die Zeit vom Abschluß des Kaufvertrags bis zur Auszahlung der zinslos gestundeten Kaufpreissumme eine Abzinsung vorzunehmen und ein Abzinsungsbetrag als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen sei. Das FA habe darauf verzichtet und demzufolge die Steuerpflichtige nicht in ihren Rechten verletzt.
Für die Zeit vom 2./4. Juli bis 31. Dezember 1973 hätten jedoch die Steuerpflichtige und die Erwerberin unter Vorverlegung des Fälligkeitstermins eine Abzinsung vereinbart und vorgenommen. Dadurch sei objektiv zum Ausdruck gekommen, daß nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner für diese Zeit die Gesamtforderung in einen Kapital- und einen Zinsanteil zu zerlegen sei. Der Zinsanteil sei Gegenleistung für eine weitere Belassung des Kaufpreises über den 2./4. Juli 1973 gewesen. Auf die Erzielung dieses Vorteils habe die Steuerpflichtige verzichtet, indem sie den abgezinsten Verfügungsbetrag anderweitig höherverzinslich angelegt habe. Damit seien der Steuerpflichtigen die Vorteile, welche ihr die Erwerberin geboten habe, entgangen. Entgangene Einnahmen seien keine Werbungskosten.
Mit der Revision wird geltend gemacht, das FG habe zu Unrecht aus der Vorverlegung der Fälligkeit des Kaufpreises und der damit verbundenen Abzinsung geschlossen, daß die Vertragspartner objektiv bereits in dem Kaufvertrag vom 22. September 1972 eine Verzinsung des Kaufpreises vereinbart hätten. Dies sei nicht der Fall. Das FG habe untersuchen müssen, ob bei einer kurzfristigen Stundung wie im Streitfall der Kaufpreis in einen Zins- und einen Tilgungsanteil aufzuteilen, sei was nach Meinung der Klägerin zu verneinen sei.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Betrag von 59 255,56 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der Vorentscheidung ist darin beizutreten, daß der umstrittene Abzinsungsbetrag bei den Einkünften aus Kapitalvermögen der Steuerpflichtigen nicht als Werbungskosten abgezogen werden durfte (§§ 20, 9 EStG).
Nach § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie entstanden sind. Keine Aufwendungen und damit keine Werbungskosten liegen vor, wenn Einnahmen dadurch entgehen, daß darauf verzichtet wird oder verzichtet werden muß, den Tatbestand der Einkunftserzielung zu erfüllen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Dezember 1977 VI R 102/75, BFHE 124, 189, BStBl II 1978, 216).
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Steuerpflichtige erhielt mit ihrem Einverständnis den Kaufpreis vorzeitig ausbezahlt. Damit verzichtete sie darauf, durch weitere Stundung des Kaufpreises Einkünfte aus Kapitalvermögen in Gestalt der im Kaufpreis enthaltenen Zinsen zu erzielen.
Wie der Senat im Urteil vom 25. Juni 1974 VIII R 163/71 (BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431) ausgeführt hat, bezieht der Verkäufer eines zum Privatvermögen gehörenden Wirtschaftsguts, wenn die Kaufpreisforderung längerfristig gestundet wird, neben der auf den Kaufpreis zu verrechnenden Tilgungsleistung auch einen Zinsanteil. Dies gilt nicht nur bei ausdrücklicher Vereinbarung einer Verzinsung, sondern auch dann, wenn die Parteien eine Verzinsung ausgeschlossen haben. Die Aufspaltung der Kaufpreisforderung in einen Tilgungsteil und einen Zinsanteil ist - entgegen der Meinung der Klägerin - nicht nur bei langfristigen Ratenzahlungen von 10 bis 50 Jahren vorzunehmen. Wie sich aus der nach § 1 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) 1965 auch insoweit für die Einkommensteuer maßgebenden Vorschrift des § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG 1965 - § 14 Abs. 3 Satz 1 BewG 1934 - ergibt, gilt dies bei allen Forderungen, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig werden. Bei der Kaufpreisforderung der Steuerpflichtigen war dies der Fall, weil sie nach der Vereinbarung im Vertrag vom 22. September 1972 rd. 15 Monate später fällig werden sollte.
Hinsichtlich der Höhe des vom FG angenommenen Entgelts bestehen keine Bedenken. Zwar ist in der Regel für die Berechnung eines Zinsanteils ein Rechnungszinsfuß von 5, 5 v. H. zugrunde zu legen (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 1970 IV 143/64, BFHE 100, 97, BStBl II 1970, 807 mit weiteren Nachweisen). Den Vertragspartnern ist es jedoch unbenommen, von einem höheren Rechnungszinsfuß auszugehen, wie dies im Streitfall geschehen ist. Die Parteien bringen dann zum Ausdruck, daß ihnen die Kapitalüberlassung das vereinbarte Entgelt wert ist.
Fundstellen
BStBl II 1981, 160 |
BFHE 1981, 38 |