Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff des Entgelts hat bei der Besteuerung und bei der Vergütung denselben Inhalt, gleichgültig ob jeweils von vereinnahmten oder vereinbarten Entgelten ausgegangen wird.
2. Bei der Vergütung nach vereinbarten Entgelten mindern Wechselvorzinsen die Bemessungsgrundlage.
Normenkette
UStG § 5 Abs. 1 S. 1; UStDB §§ 10, 51, 73 Abs. 1-2
Tatbestand
Streitig ist, ob § 51 UStDB im Vergütungsrecht anzuwenden ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Antragstellerin - Astin -) beantragte für ihre Exporte Umsatzsteuervergütung nach vereinbarten Entgelten. In der Zeit von Januar 1960 bis Dezember 1961 nahm die Astin in einer größeren Zahl von Fällen von den ausländischen Kunden Wechsel entgegen, die sie von ihrer Bank diskontieren ließ. Die Wechselvorzinsen belastete sie zu etwa einem Drittel dem Auslandskunden, während sie im übrigen den Vorzinsenabzug selbst trug. In ihren Vergütungsanträgen legte die Astin als Bemessungsgrundlage die vollen Rechnungsbeträge zugrunde, nicht die um die Wechselvorzinsen gekürzten Beträge. Bei einer Vergütungsprüfung stellte das FA diesen Sachverhalt fest und forderte den Vergütungsbetrag zurück, der auf die Differenz zwischen dem Rechnungsbetrag und den Zahlungen entfiel, die sie von Kunden und Bank erhielt. Gegen den Rückforderungsbescheid legte die Astin Sprungberufung ein, der das FG stattgab.
Zur Begründung dieser Entscheidung führt das FG aus: § 51 UStDB stehe mit dem Entgeltbegriff in § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht in Einklang. Der Empfänger der Lieferung wende tatsächlich den ganzen im Wechsel genannten Betrag auf, um die Lieferung zu erhalten. Der im Wechsel genannte Betrag entspreche somit dem Entgeltbegriff. Die Wechselvorzinsen seien ebenso wie die Wechselumlaufkosten Unkosten des Lieferers und seien nicht mit dem Skonto vergleichbar. § 51 UStDB enthalte eine Fiktion, die im Vergütungsrecht nicht angewendet werden könne. Im übrigen könne es dahingestellt bleiben, ob die Rückforderung des FA gegen Treu und Glauben verstoßen habe, weil das FA bei früheren Prüfungen, wie die Astin behaupte, den Ansatz der vollen Wechselbeträge nicht beanstandet habe.
Hiergegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA (§ 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO), mit der beantragt wird, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Sprungberufung (-Klage) gegen den Rückforderungsbescheid als unbegründet zurückzuweisen. Hierzu wird geltend gemacht, der Entgeltbegriff im Umsatzsteuerrecht und im Umsatzsteuervergütungsrecht stimme überein, gleichgültig ob es sich um vereinnahmtes oder vereinbartes Entgelt handle; die Vorinstanz habe deshalb § 51 UStDB zu Unrecht nicht angewandt.
Die Astin wendet ein, § 51 UStDB könne u. a. auch deshalb nicht angewendet werden, weil ihr die Berechnung der Vergütung nach vereinbarten Entgelten eingeräumt worden sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
Der Rückforderungsbescheid des FA ist zu Recht ergangen, denn die Voraussetzungen für die Bewilligung der Vergütung in der beantragten Höhe liegen nicht vor.
1. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 UStDB ist bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Vergütung von dem Entgelt auszugehen, das der Antragsteller für den Gegenstand der Lieferung vereinnahmt hat. Anstelle des vereinnahmten Entgelts kann nach Wahl des Antragstellers das vereinbarte Entgelt treten (§ 73 Abs. 2 Satz 1 UStDB). Unter Entgelt ist dabei das Entgelt im Sinn von § 10 UStDB zu verstehen, wie sich aus der Verweisung auf diese Vorschrift in § 73 Abs. 1 UStDB ergibt; § 10 UStDB wiederum enthält die nähere Bestimmung für den in § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG verwendeten Entgeltbegriff. Der Begriff ist somit einheitlich, gleichgültig ob er die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung oder für die Vergütung bezeichnet. Denn ein in einem einheitlichen Gesetz wiederholt gebrauchter Begriff muß grundsätzlich jeweils dieselbe Bedeutung haben.
2. Das Umsatzsteuerrecht knüpft für die Bemessung sowohl der Besteuerung wie der Vergütung an das "vereinnahmte" Entgelt an. In beiden Fällen kann an die Stelle des vereinnahmten Entgelts das "vereinbarte" Entgelt treten (§ 14 UStG, § 73 Abs. 2 UStDB). Zwischen den beiden Besteuerungsarten besteht insoweit kein sachlicher Unterschied, als auch bei der Besteuerung nach den vereinbarten Entgelten im Endergebnis nur zu versteuern ist, was tatsächlich vereinnahmt ist; denn nur in diesem Umfang besteht die Steuerschuld zu Recht (siehe Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 9. Auflage, Tz. 5773; Sölch-Ringleb, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 7. Auflage, § 14 Bem. 1). Ein Unternehmer, der seine Umsätze nach den Soll-Einnahmen versteuert, kann Entgelte, die ihm endgültig nicht zufließen, vom Gesamtbetrag der vereinbarten Entgelte absetzen, wie dies u. a. beim Gewähren von Rabatten, beim Rückgängigmachen von Geschäften oder beim Ausfall einer Forderung (z. B. im Konkurs) möglich ist (§§ 12, 14 Abs. 2 UStG). Das gleiche gilt für nachträgliche Erhöhungen des Entgelts. § 14 Abs. 2 UStG enthält die Grundlage dafür, daß der materielle Inhalt der Umsatzsteuerpflicht gleich bleibt, unabhängig davon, welche Steuererhebungs- bzw. Steuerentrichtungstechnik angewandt wird. Im wesentlichen liegt der Unterschied der beiden Besteuerungsarten im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld und demgemäß der Steuerentrichtung.
Auch das Vergütungsrecht unterscheidet zwischen der Bemessung der Vergütung nach der Ist-Einnahme und der nach der Soll-Einnahme. Aus den gleichen Überlegungen wie bei der Besteuerung folgt, daß auch hier der Entgeltbegriff keinen unterschiedlichen Inhalt etwa deshalb hat, weil die Vergütungstechnik an die Ist- oder die Soll-Einnahme anknüpft (siehe auch Plückebaum-Malitzky, a. a. O., Tz. 6237). Obwohl Bemessungsmaßstab für die Vergütung das vereinbarte Entgelt, also der Rechnungsbetrag ist, kommt der tatsächlichen Vereinnahmung des Entgelts auch im Vergütungsrecht ausschlaggebende Bedeutung zu. Auch hier besteht der Vergütungsanspruch nur insoweit zu Recht, als das Entgelt vereinnahmt wird (§§ 14 Abs. 2, 12, 5 Abs. 1 Satz 1 UStG).
3. Zuzustimmen ist der Vorinstanz darin, daß unter Entgelt im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG alles zu verstehen ist, was der Empfänger einer Lieferung aufwendet, um die Lieferung zu erhalten (§ 10 Satz 1 UStDB). Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für die Lieferung gewährt (§ 10 Satz 2 UStDB). Damit ist der Entgeltbegriff nach Umfang und Höhe bestimmt. Dem Entgelt, das der Lieferer erhält, entspricht im Regelfall der Aufwand des Abnehmers. Bei der Wechselhingabe wendet der Lieferungsempfänger für die Lieferung das auf, was der Lieferer bei der vorzeitigen Einlösung des Wechsels erhält, nämlich den um die Wechselvorzinsen geminderten Betrag. Die Differenz zwischen Wechselsumme und ausgezahltem Betrag wendet der Empfänger der Lieferung jedoch nicht für die Lieferung sondern dafür auf, daß ihm gegenüber in Höhe des ausgezahlten Wechselbetrages eine Kreditleistung erbracht wird. So gesehen enthalten § 39 Abs. 2 UStDB 1934, § 46 UStDB 1938 und § 51 UStDB 1951 entgegen der Auffassung der Vorinstanz keine von § 5 Abs. 1 UStG und § 10 UStDB abweichende Regelung, sondern drücken nur die aus der Auslegung dieser Vorschriften zu gewinnende Erkenntnis aus, daß nicht schon die Annahme eines Wechsels die Vereinnahmung von Entgelt bedeutet, sondern erst seine Verwertung.
Nimmt ein Lieferant einen Wechsel entgegen, so hat er als Gläubiger noch nicht den Gegenwert für seine Leistung und umsatzsteuerlich noch kein Leistungsentgelt erhalten. Er hat zwar die Möglichkeit, vor Fälligkeit der Forderung mit der Wechselsumme zu arbeiten, denn er kann den Wechsel zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten als Zahlungsmittel weitergeben oder ihn einlösen. Aber erst wenn er aus dem Wechsel (durch Weitergabe oder Einziehung) befriedigt wird, liegt die Zahlung vor, ist er umsatzsteuerlich zu seinem Entgelt gekommen.
Der Abzug für Wechselvorzinsen, den der Unternehmer, der einen Wechsel hereingenommen hat, bei der Weitergabe (Diskontierung) erleidet, mindert sein Entgelt für die Lieferung. Für den Lieferanten ist es gleichgültig, ob ihm der Lieferungsempfänger oder an seiner Stelle die Bank den um den Wechseldiskont geminderten Betrag zahlt. Tatsächlich erlangt er wirtschaftlich wie rechtlich in dem Zeitpunkt der Zahlung nur den geminderten Betrag als Entgelt für seine Lieferung oder Leistung (vgl. schon Urteile des RFH V A 236/26 vom 16. April 1926, RFH 19, 35; VA 327/28 vom 3. Juli 1928, RFH 24, 4; V 374/39 vom 16. Mai 1941, RFH 50, 223; V 82/42 vom 25. Juni 1943, RFH 53, 232). § 51 UStDB ist ein Ausfluß dieser Rechtsprechung. Da die Bemessungsgrundlage, das Entgelt bei vereinnahmten und bei vereinbarten Entgelten, wie dargetan, gleich ist, muß § 51 UStDB auch bei vereinbarten Entgelten angewendet werden. Denn die bei Einlösung des Wechsels nachträglich eintretende Minderung des vereinnahmten Entgelts ist auch bei Versteuerung nach Soll-Einnahmen zu berücksichtigen. Ist aber § 51 UStDB bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten anzuwenden, so besteht im Hinblick auf die Einheitlichkeit des Entgeltbegriffs im UStG keine Möglichkeit, ihn bei der Vergütung nach vereinbarten Entgelten nicht anzuwenden.
4. Ein Verstoß des FA gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ist nicht feststellbar. Das FA ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur an Zusagen und Auskünfte gebunden, die der zuständige Sachgebietsleiter der Astin erteilt, nachdem diese das FA unter vollständiger Darstellung eines verschiedener steuerlicher Beurteilung fähigen Sachverhalts um Klarstellung gebeten hatte.
Selbst wenn ein früherer Betriebsprüfer bemerkt hätte, daß der Abzug der Vorzinsen unterblieben ist und die Handhabung nicht beanstandet hätte, wäre das FA nicht gehalten gewesen, in späteren Vergütungszeiträumen ebenso vorzugehen. Die Grundlagen der Vergütung sind bei jeder Entscheidung über den Vergütungsantrag selbständig festzustellen und Sachverhalt sowie Rechtslage neu zu prüfen. Die mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebieten es, auch wenn dadurch im Einzelfalle das Prinzip des Dispositionsschutzes beeinträchtigt werden sollte, eine falsche Rechtsanwendung vom ehestmöglichen Zeitpunkt ab, also in der Regel bei der nächsten Entscheidung über einen Vergütungsantrag, aufzugeben und nunmehr das richtige Recht anzuwenden (vgl. die Urteile des Senats V 92/61 S vom 16. Juli 1964, BFH 80, 446, BStBl III 1964, 634, und V 181/63 vom 15. Dezember 1966, BFH 87, 469, BStBl III 1967, 212).
Die Vorentscheidung war infolgedessen aufzuheben und die nunmehr als Sprungklage zu behandelnde Sprungberufung als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1968, 128 |
BFHE 1968, 442 |