Leitsatz (amtlich)
Atypischer stiller Gesellschafter und Mitunternehmer kann auch sein, wer zwar nicht am Verlust, an den stillen Reserven und am Geschäftswert beteiligt ist, jedoch wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Unternehmens Einfluß nehmen kann; dies ist anzunehmen, wenn dem stillen Gesellschafter die Geschäftsführung des Unternehmens überlassen ist.
Normenkette
EStG § 15 (Abs. 1) Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Gesellschafter der OHG X waren Frau A und ihre Schwiegertochter B. Die Geschäfte der OHG wurden durch zwei Söhne der Gesellschafterin A, die Brüder C und D geführt; D war der Ehemann der Gesellschafterin B.
Die Brüder C und D hatten mit der Gesellschaft Dienstverträge abgeschlossen. Sie bezogen ein Festgehalt und eine von Umsatz und Gewinn der Gesellschaft abhängige Erfolgsbeteiligung. Die Erfolgsbeteiligung erhöhte sich mit steigender Umsatzrendite. Bei einer Umsatzrendite unter 10 v. H. betrug sie jeweils 2 v. H. des Umsatzes, um bei einer Umsatzrendite von 20 v. H. und mehr auf 5 v. H. des Umsatzes zu steigen. Im Streitjahr 1974 betrug das Gehalt der Brüder jeweils 106 000 DM, ihre Tantieme jeweils 246 000 DM. Erhebliche Teile ihrer Bezüge überließen sie der Gesellschaft als verzinsliche Darlehen; im Streitjahr hat die Gesellschaft hierauf 94 000 DM Zinsen gezahlt. Für 1974 hat die OHG einen Bilanzgewinn von 242 000 DM ausgewiesen. Ihr Eigenkapital einschließlich Guthaben der Gesellschafter belief sich nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zum 31. Dezember 1974 auf 993 000 DM, die Darlehen der Brüder C und D auf 809 000 DM. Im Streitjahr haben die Brüder C und D für 2 Mio. DM Herstellungskosten ein Betriebsgebäude für die Gesellschaft errichtet und ihr dann im Jahre 1975 vermietet. Ebenfalls im Jahre 1975 gründeten die Brüder eine eigene Gesellschaft, die Produkte der OHG vertrieb; hierüber ist mit der OHG ein Kooperationsvertrag abgeschlossen worden.
Nach einer Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Brüder C und D erstmals für das Streitjahr als Mitunternehmer der Personengesellschaft an. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos.
Mit der Revision wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.
Die Revisionskläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Brüder C und D nicht am Gewinn der OHG zu beteiligen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß zwischen der OHG und den Brüdern C und D jeweils eine stille Gesellschaft bestanden hat, die sich wegen der besonderen Umstände des Streitfalls als Mitunternehmerschaft darstellt. Diese rechtliche Würdigung ist nicht zu beanstanden.
1. Ob ein Steuerpflichtiger als Mitunternehmer am Gewinn eines gewerblichen Betriebes beteiligt ist, beurteilt sich nach den Rechtsbeziehungen, in denen er zum Unternehmen steht. Mitglieder einer Personengesellschaft, die einen Gewerbebetrieb unterhält, können nach Maßgabe von § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung Mitunternehmer sein. Im Streitfall sind zwischen den Brüdern C und D und der Personengesellschaft als Arbeitsverträge bezeichnete Vereinbarungen getroffen worden. Die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung des Rechtsverhältnisses ist jedoch nicht ausschlaggebend. Maßgebend ist vielmehr, welches rechtlich gesicherte Ergebnis die Vertragschließenden herbeiführen wollen und welches Rechtsverhältnis sich daraus bei Würdigung aller Einzelheiten ergibt (Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1978 III R 115/76, BFHE 124, 374, BStBl II 1978, 256). Ob eine Arbeitsleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder als Einlage in eine stille Gesellschaft (§ 335 des Handelsgesetzbuches - HGB -) erbracht wird, hängt davon ab, ob die Beteiligten in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung jeweils ihre eigenen Interessen im Auge haben oder ob sie in partnerschaftlicher Gleichberechtigung ein gemeinsames Ziel verfolgen (BFH-Urteile vom 28. Juli 1971 I R 78/68, BFHE 103, 204, BStBl II 1971, 815; vom 6. Oktober 1971 I R 215/69, BFHE 103, 572, BStBl II 1972, 187; vom 11. Dezember 1980 IV R 91/76, BFHE 132, 278, BStBl II 1981, 310).
Das FG konnte aus der Art der Betätigung der Brüder C und D in den Angelegenheiten der Gesellschaft folgern, daß sie nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft gewesen seien. Nach seinen Feststellungen haben sich die Brüder C und D nicht auf die Erbringung von Arbeitsleistungen beschränkt, sondern auch die Neuordnung der Gesellschaftsverhältnisse in die Hand genommen. Unstreitig beruht außerdem der wirtschaftliche Aufschwung der Klägerin auf technischen Entwicklungen, die ihr die Brüder C und D ohne besonderes Entgelt zur Verfügung gestellt haben. Die Verbindung der Gesellschaft mit ihnen wurde noch dadurch verstärkt, daß sie für 2 Mio. DM ein Betriebsgebäude errichteten, dieses im Jahre 1975 an die OHG verpachteten und darüber hinaus ebenfalls im Jahre 1975 eine Gesellschaft für den Vertrieb von Erzeugnissen der Klägerin gründeten. Das FG konnte diese Umstände berücksichtigen, obwohl sie erst nach Ablauf des Streitjahres 1974 eingetreten sind; bei der Beurteilung eines Vertragsverhältnisses muß auch beachtet werden, wie sich die Beziehungen der Beteiligten in der Folge entwickelt haben. Aus allem konnte das FG folgern, daß mit den Brüdern C und D eine über ein Arbeitsverhältnis hinausgehende Zusammenarbeit ins Auge gefaßt war, die sich rechtlich als stille Gesellschaft darstellt.
Für diese Beurteilung sprechen auch Art und Höhe der von der Klägerin gezahlten Vergütung. Hierin liegt ein wichtiger Anhaltspunkt für die Unterscheidung zwischen Arbeitsverhältnis und stiller Gesellschaft (BFH-Urteile in BFHE 103, 204, BStBl II 1971, 815; BFHE 132, 278, BStBl II 1981, 310). Zwar kann eine Erfolgsbeteiligung auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eingeräumt werden; doch spricht eine ungewöhnlich hohe Erfolgsbeteiligung eher für ein Gesellschaftsverhältnis (BFHE 103, 572, BStBl II 1972, 187). Im Streitfall hatte die Erfolgsbeteiligung der Brüder C und D im Vergleich zu ihrem Festgehalt und zum Gewinn der OHG einen ungewöhnlich großen Umfang. Sie machte im Streitjahr mehr als das Doppelte ihres Festgehalts wie auch des der OHG verbleibenden Gewinns aus. Dabei handelte es sich auch nicht um ein einmaliges Ergebnis. Vielmehr hatte die Tantiemeregelung zur Folge, daß stets ein erheblicher, wenn nicht der überwiegende Teil des von der OHG erwirtschafteten Ergebnisses den Brüdern zufloß. Solche Vereinbarungen werden nach aller Erfahrung mit Arbeitnehmern nicht getroffen.
2. Zu Recht hat das FG auch angenommen, daß die Brüder C und D Mitunternehmer waren. Mitunternehmer ist nach ständiger Rechtsprechung, wer eine Mitunternehmerinitiative entfalten kann und ein Unternehmerrisiko trägt. Zwar waren die Brüder aufgrund der Vergütungsregelung nicht nach Art eines atypischen stillen Gesellschafters auch am Verlust, an den stillen Reserven und am Geschäftswert des Unternehmens beteiligt. Auch wenn eine solche Beteiligung nicht vorgesehen ist, kann ein stiller Gesellschafter doch Mitunternehmer sein, wenn es ihm der Inhaber des Unternehmens abweichend von der Regelung der §§ 335 ff. HGB ermöglicht, wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Unternehmens und damit auch seiner eigenen Erfolgsbeteiligung Einfluß zu nehmen (BFH-Urteile in BFHE 103, 204, BStBl II 1971, 815; vom 23. Januar 1974 I R 206/69, BFHE 112, 254, BStBl II 1974, 480; vom 28. November 1974 I R 232/72, BFHE 114, 418, BStBl II 1975, 498). Hierzu genügt, daß er im Unternehmen die Stellung eines Geschäftsführers einnimmt, die er aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses selbständig und aus eigenem Recht bekleidet (vgl. BFH-Urteile vom) 9. Oktober 1969 IV 294/64, BFHE 98, 21, BStBl II 1970, 320; in BFHE 112, 254, BStBl II 1974, 480).
Eine solche Rechtsstellung haben die Brüder im Streitfall eingenommen; sie haben die Geschicke der OHG nach der insoweit unbeanstandeten Darstellung des FG selbständig gestaltet. Die Brüder waren der OHG außerdem durch hohe Darlehensforderungen und durch die Überlassung von technischen Entwicklungen verbunden; für die Sicherheit ihrer Forderungen und den Wert der Entwicklungen hatte ihre Tätigkeit im Unternehmen entscheidende Bedeutung; auch das spricht für ihre Mitunternehmerschaft (BFH-Urteil vom 5. Juli 1978 I R 22/75, BFHE 125, 545, BStBl II 1978, 644).
Fundstellen
BStBl II 1982, 389 |
BFHE 1982, 297 |