Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Berichtigt das Finanzamt die einheitliche Gewinnfeststellung einer Personengesellschaft in der Weise, daß bei gleichbleibendem Gewinn ein bisher als laufender Gewinn bezeichneter Teil des Gewinns nunmehr als Veräußerungsgewinn behandelt wird, so ist der Gewerbesteuermeßbescheid von Amts wegen nach § 35 b GewStG zu ändern. Eine solche änderung hat nicht nur Bedeutung für die Anwendung des § 34 EStG, sondern beeinflußt - anders als im Urteil I 206/61 U vom 18. September 1962 (BStBl 1962 III S. 468, Slg. Bd. 75 S. 547) - auch die Höhe des Gewerbeertrags.
Normenkette
GewStG § 35b
Tatbestand
Das Finanzamt setzte bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Bfin. für 1956 ursprünglich einen laufenden gewerblichen Verlust von 40.176 DM und einen Veräußerungsgewinn von 306.112 DM an. Danach ergab sich für die Gewerbesteuer ein Gewerbeverlust von 10.968 DM. Am 31. Juli 1959 wurde die einheitliche Gewinnfeststellung wegen anderer Berechnung des Veräußerungsgewinns geändert. Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1960 berichtigte das Finanzamt diese einheitliche Gewinnfeststellung nochmals nach § 222 AO und änderte nunmehr auch den Gewerbesteuermeßbetrag. Dabei ging es bei der Berechnung des Meßbetrags für den Gewerbeertrag von einem Gewerbegewinn von 29.824 DM aus. Die berichtigte einheitliche Gewinnfeststellung, der ein laufender Verlust von 40.176 DM und ein Veräußerungsgewinn von 298.887 DM zugrunde lag, wurde von der Bfin. mit Erfolg angefochten. Das Finanzamt gab dem Einspruch gegen die Berichtigung der einheitlichen Gewinnfeststellung am 4. August 1961 nach § 94 Abs. 2 AO voll statt; es rechnete den Veräußerungsgewinn von 298.887 DM nunmehr in voller Höhe dem persönlich haftenden Gesellschafter und nicht mehr wie früher auch teilweise den Kommanditisten zu. Der berichtigte Gewerbesteuermeßbescheid wurde der Bfin. zusammen mit dem berichtigten Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde vom 10. April 1961 zugestellt. Anfang Oktober 1961 setzte ein Schriftwechsel zwischen der Bfin. und dem Finanzamt über die änderung der Gewerbesteuer für 1956 ein. In Schreiben vom 12. Oktober und 8. November 1961 stellte der Vorsteher des Finanzamts der Bfin. anheim, gegen den berichtigten Gewerbesteuermeßbescheid Einspruch einzulegen, wies aber gleichzeitig auf die wahrscheinliche überschreitung der Rechtsmittelfrist hin und bezeichnete die Möglichkeit einer Nachsichtgewährung als offen. Am 1. Dezember 1961 legte die Bfin. durch ihren Vertreter vorsorglich Einspruch ein, für den sie jedoch weder Nachsichtgewährung beantragte noch eine nähere Begründung gab. Das Finanzamt wies den Einspruch gegen den Gewerbesteuermeßbescheid als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, daß der Einspruch als unzulässig zu verwerfen gewesen wäre. Der angefochtene Gewerbesteuermeßbescheid gelte nach § 17 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) als am 13. April 1961 zugestellt. Der am 1. Dezember 1961 eingelegte Einspruch sei als verspätet unzulässig. Nachsicht sei trotz Hinweises durch das Finanzgericht nicht beantragt worden. Die Auffassung der Bfin., der Gewerbesteuermeßbescheid müsse nach § 35 b GewStG von Amts wegen geändert werden, treffe nicht zu. Der Gesamtbetrag des gewerblichen Gewinns sei sowohl im einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid vom 23. Februar 1961 als auch in dem Berichtigungsbescheid vom 4. August 1961 auf 258.711 DM festgestellt worden. § 35 b GewStG setze eine änderung des Gewinns voraus. Die in dem berichtigten Bescheid vorgenommene änderung der Verteilung des Veräußerungsgewinns genüge nicht. Der Gewinnfeststellungsbescheid vom 23. Februar 1961 gehe von einem anderen gewerblichen Gewinn aus als der Gewerbesteuermeßbescheid. Das liege daran, daß der gewerbliche Gewinn bei der Einkommensteuer auch Veräusserungsgewinne umfasse, bei der Gewerbesteuer dagegen nicht. Wenn die Bfin. der Auffassung sei, daß bei der Gewerbesteuer ein unrichtiger Gewerbegewinn infolge unzutreffender Ermittlung des Veräußerungsgewinns zugrunde gelegt worden sei, so hätte das nur im Rechtsmittelverfahren gegen den Gewerbesteuermeßbescheid richtiggestellt werden können. Falls die Bfin. sich über diese Rechtslage geirrt habe, rechtfertige das keine Nachsicht wegen Versäumung der Einspruchsfrist.
Die Bfin. trägt zur Begründung ihrer Rb. vor: Sie habe mit der Einlegung des Einspruchs gegen den Feststellungsbescheid vom 23. Februar 1961 gleichzeitig den damit zusammenhängenden Gewerbesteuermeßbescheid angefochten. Denn im Einspruch vom 23. März 1961 gegen den berichtigten Feststellungsbescheid habe sie sich insbesondere gegen die Ausscheidung eines laufenden Gewinns aus dem Veräußerungsgewinn gewendet. Dieser laufende Gewinn sei aber gleichzeitig die Grundlage für die Annahme eines Gewinns im Gewerbesteuermeßbescheid gewesen. Dem Einspruch sei hinsichtlich des Feststellungsbescheids voll entsprochen worden; ihm liege ein laufender Verlust von 40.176 DM zugrunde. Infolge der Abhängigkeit des Gewerbesteuermeßbescheids vom Feststellungsbescheid sei auch für die Gewerbesteuer von diesem Verlust auszugehen und ein Gewerbeertrag von 0 DM anzunehmen. Der noch immer bestehende Gewerbesteuermeßbescheid vom 10. April 1961 gehe jedoch von 29.824 DM Gewinn aus.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Einspruchsentscheidung.
Nach § 35 b GewStG ist ein Gewerbesteuermeßbescheid von Amts wegen durch einen neuen zu ersetzen, wenn ein Einkommensteuerbescheid, ein Körperschaftsteuerbescheid oder ein Gewinnfeststellungsbescheid geändert wird und diese änderung die Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb berührt. Im Streitfall hatte das Finanzamt in dem Bescheid über die einheitliche Gewinnfeststellung für 1956 vom 23. Februar 1961 für den Komplementär der Bfin. einen Verlust von 40.176 DM als Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres festgestellt, außerdem für ihn einen Veräußerungsgewinn von 166.711 DM und für die vier Kommanditisten einen solchen von je 33.044 DM, insgesamt also einen Gewinn von 258.711 DM. In einem Vermerk in dem Berechnungsbogen heißt es dazu: "Im Veräußerungsgewinnanteil des Komplementärs in Höhe von 166.711 DM sind Normalgewinne mit 70.000 DM enthalten; somit verbleiben nach § 34 EStG begünstigt 96.711 DM In Wirklichkeit betrug also nach dieser einheitlichen Gewinnfeststellung der steuerbegünstigte Veräußerungsgewinn nur 228.887 DM; für den laufenden Geschäftsbetrieb ergab sich ein Gewinn von 29.824 DM. Die Bfin. wandte sich mit ihrem Einspruch gegen diesen Gewinnfeststellungsbescheid, insbesondere gegen die Zurechnung der 70.000 DM zum laufenden Gewinn. Sie hatte damit auch Erfolg; denn in dem nach § 94 Abs. 2 AO ergangenen berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid vom 4. August 1961 wird der vom Komplementär allein zu tragende Verlust ohne Einschränkung auf 40.176 DM festgestellt und der Veräußerungsgewinn auf 298.887 DM. Daß der Veräußerungsgewinn in diesem Bescheid entsprechend dem Antrag der Bfin. ebenfalls allein dem Komplementär zugerechnet wurde, hat für die Gewerbesteuer, bei der ein Veräußerungsgewinn nicht erfaßt wird, keine Bedeutung und ist daher auch für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unwesentlich.
Ob die in erster Linie auf § 35 b GewStG gestützte Rb. Erfolg haben kann, hängt von der Auslegung dieser Vorschrift ab. Im Streitfall ist zwar bei der einheitlichen Gewinnfeststellung in dem Berichtigungsbescheid vom 23. Februar 1961 und auch in dem nach § 94 Abs. 2 AO ergangenen Bescheid vom 4. August 1961 der Gewinn auf 258.711 DM festgestellt worden. Wenn es bei der einheitlichen Gewinnfeststellung nur um die Abgrenzung des nach § 34 EStG begünstigten Veräußerungsgewinns von dem laufenden Gewinn gehen würde, käme allerdings § 35 b GewStG nicht zur Anwendung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 206/61 U vom 18. September 1962, BStBl 1962 III S. 468, Slg. Bd. 75 S. 547). Im Streitfall geht es aber nicht lediglich um diese Abgrenzung, sondern um die Höhe des der Gewerbesteuer überhaupt unterliegenden Gewinns. Bei wörtlicher Anwendung des § 35 b GewStG ist allerdings die Möglichkeit einer Berichtigung des Gewerbesteuerbescheids, der auf der einheitlichen Gewinnfeststellung vom 23. Februar 1961 beruht, zweifelhaft. Die Nichtanwendung dieser Vorschrift würde im Streitfall aber nicht ihrem Sinn und Zweck entsprechen. Durch sie soll wie insbesondere die Ausgestaltung in Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 zeigt, die doppelte Einlegung von Rechtsmitteln bei den sachlich eng zusammenhängenden Gewinnfeststellungen im Rahmen der Ertragsbesteuerung und den Gewerbesteuermeßbeträgen für den Gewerbeertrag vermieden werden. Wenn also eine änderung der Gewinnfeststellung auch für den Meßbetrag des Gewerbeertrags Auswirkung hat, greift § 35 b Abs. 1 Satz 1 GewStG ein, so daß eine änderung der ertragsteuerlichen Gewinnfeststellung ohne weiteres eine entsprechende änderung des Gewerbesteuermeßbetrags zur Folge hat. Dieser Sachverhalt liegt hier vor. Während nach dem Gewinnfeststellungsbescheid vom 23. Februar 1961 der auch für die Gewerbesteuer wesentliche laufende Gewinn 29.824 DM betrug, bestand das Geschäftsergebnis des Jahres 1956 nach dem berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid vom 4. August 1961 aus einem Verlust von 40.176 DM. Beide Bescheide weichen daher in einem für die Gewerbesteuer wesentlichen Punkt voneinander ab. Damit sind die Voraussetzungen für die Anwendung des § 35 b Abs. 1 Satz 1 GewStG gegeben.
Das Finanzamt hat daher dem Antrag der Bfin. im Schriftsatz vom 31. Oktober 1961, den Gewerbesteuermeßbescheid entsprechend dem einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid von Amts wegen zu ändern, zu Unrecht nicht entsprochen. Hiergegen ist das Berufungsverfahren gegeben (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 98/60 S vom 23. November 1961, BStBl 1962 III S. 199, Slg. Bd. 74 S. 535).
Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung, die eine Berichtigung des Gewerbesteuermeßbescheids nach § 35 b GewStG abgelehnt haben, werden wegen Rechtsirrtums aufgehoben. Es erscheint dem Senat zweckmäßig, die Sache an das Finanzamt zurückverweisen, damit es aus den vorstehenden Ausführungen die erforderlichen Folgerungen zieht.
Fundstellen
Haufe-Index 411286 |
BStBl III 1964, 581 |
BFHE 1965, 296 |
BFHE 80, 296 |