Leitsatz (amtlich)
1. Ein Gebäude, das ein Miteigentümer nach Bruchteilen (Betriebsinhaber) im eigenen Namen und auf eigene Rechnung mit Zustimmung des betriebsfremden Miteigentümers auf dem gemeinsamen Grundstück errichtet und unentgeltlich betrieblich nutzt, ist in der Handels- und Steuerbilanz des Betriebsinhabers in vollem Umfang nach den für materielle Wirtschaftsgüter geltenden Vorschriften auszuweisen und zu bewerten.
2. Von den Herstellungskosten, die auf den Gebäudeanteil des betriebsfremden Miteigentümers entfallen, sind AfA nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Gebäudes oder, wenn die voraussichtliche Dauer der unentgeltlichen betrieblichen Nutzung durch den Betriebsinhaber kürzer ist, nach dieser vorzunehmen. Die AfA-Sätze für Gebäude nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG sind auf diesen Anteil nicht anwendbar.
2. Die Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 GewStG ist in diesem Fall nur von dem auf den Anteil des Betriebsinhabers entfallenden Einheitswert zulässig.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1-2, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1, 4-5; AktG § 151 Abs. 1 Aktivseite II A Nr. 4; GewStG § 9 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ein ...meister, betreibt einen ...maschinenhandel mit Reparaturwerkstatt. Er und seine Ehefrau hatten 1964 je zur ideellen Hälfte ein Grundstück erworben. Auf diesem Grundstück errichtete der Kläger mit eigenen Mitteln für seinen Betrieb eine Werkhalle mit Büro.
Nach einer Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, daß das vom Kläger errichtete Betriebsgebäude ebenso wie das Grundstück zur Hälfte der Ehefrau des Klägers gehöre und der Kläger deshalb mit dem Grundstückseigentum zusammenhängende Belastungen nur zur Hälfte steuerlich berücksichtigen dürfe. Dementsprechend erging ein berichtigter Gewerbesteuermeßbescheid für 1966, in dem der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nicht um 3 v. H. des gesamten Einheitswerts des Grundstücks mit Gebäude, sondern nur um 3 v. H. der Hälfte davon gekürzt wurde. So wurde auch beim Erlaß eines Gewerbesteuermeßbescheids für 1967 verfahren, in dem zusätzlich der erklärte Gewerbeertrag um die Hälfte der erklärten Absetzung für Abnutzung (AfA) für das Werkstattgebäude erhöht wurde.
Nach vergeblichem Einspruch hatte die Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 544 (EFG 1974, 544) veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus:
Die Kürzung der Gewerbeerträge nach § 9 Nr. 1 GewStG sowie um die volle AfA so, wie vom Kläger beantragt, sei gerechtfertigt, weil beide Ehegatten hier an dem Grundstück wirtschaftlich zugunsten des Klägers ein Erbbaurecht, mithin ein grundstücksgleiches Recht, begründet und vollzogen hätten. Die Eheleute hätten sich praktisch so verhalten, als hätten sie in ihrer Eigenschaft als gemeinsame Eigentümer des erworbenen Grundstücks dem Ehemann allein das veräußerliche und vererbliche Recht eingeräumt, auf der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Dieses Verhalten sei nach § 1 Abs. 2 und 3, § 11 Nr. 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) zu berücksichtigen. Der Kläger sei wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes, weil die Ehefrau kraft ihres eigenen Willens auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausgeschlossen worden sei. Für den bei der Frage nach wirtschaftlichem Eigentum bedeutsamen Begriff "auf Dauer ausgeschlossen" genüge es, wenn die dem wirtschaftlichen Eigentümer eingeräumte Rechtsstellung solange bestehe, als sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nichts ändere. Das sei der Fall. Hier sei die vom FA erwähnte Möglichkeit der Ehefrau, den Kläger in seiner Rechtsausübung zu beschränken, eine nicht zu erwartende und daher unvorhersehbare Maßnahme.
Mit der Revision des FA - auf Nichtzulassungsbeschwerde hin durch Beschluß des Senats vom 29. Oktober 1975 VIII B 41/74 zugelassen - wird unrichtige Anwendung der §§ 4, 5, 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 9 Nr. 1 GewStG, § 11 Nr. 4 StAnpG gerügt. Dazu wird geltend gemacht:
Wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Mai 1971 I R 18/70 (BFHE 102, 396, BStBl II 1971, 643) ergebe, könnten in Fällen, in denen der Ehemann mit Mitteln seines gewerblichen Betriebs ein Gebäude auf einem Grundstück errichte, das ihm und der Ehefrau je zur ideellen Hälfte gehöre, die Kürzung des Gewinns aus Gewerbebetrieb nach § 9 Nr. 1 GewStG um 3 v. H. des vollen Einheitswerts des Grundstücks und der Abzug der vollen AfA nur vorgenommen werden, wenn der Ehemann als wirtschaftlicher Eigentümer an dem zum wesentlichen Bestandteil des Grundstücks gewordenen Gebäude anzusehen sei. Das sei entgegen der Annahme des FG hier nicht der Fall. Ein Erbbaurecht - wie es das FG sehe - könne nicht wirtschaftlich begründet und vollzogen werden. Ein zivilrechtlich nicht wirksam begründetes Erbbaurecht sei auch steuerrechtlich unbeachtlich. Wirtschaftliches Eigentum als Eigenbesitz i. S. von § 11 Nr. 4 StAnpG habe nicht vorgelegen, weil die tatsächliche Einwirkungsmacht der Ehefrau nicht so abgeschwächt gewesen sei, daß ihre Eigentümerposition lediglich als eine formale erscheinen würde. Zur Begründung von Eigenbesitz reiche das Gestatten einer Nutzung nicht aus.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist zum Teil begründet.
1. Die Gewerbeerträge der Streitjahre 1966 und 1967 dürfen nur um die Hälfte des nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG maßgebenden Satzes des Einheitswertes des Gebäudegrundstücks gekürzt werden. Für das vom Kläger errichtete Werkstattgebäude ist eine weitergehende Kürzung des Gewerbeertrags als für seinen Anteil am Grundstück nicht zulässig.
Nach dem BFH-Urteil I R 18/70 darf, wenn der Ehemann mit Mitteln seines gewerblichen Betriebs ein Gebäude auf einem ihm und seiner Ehefrau je zur ideellen Hälfte gehörenden Grundstück errichtet, die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG nur von dem auf den Anteil des Ehemanns entfallenden Einheitswert vorgenommen werden, auch wenn der Ehemann das Grundstück und Gebäude in vollem Umfange in seiner Bilanz geführt hat. Dies folgt aus der in § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG, § 20 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) angeordneten Entscheidung über die Zugehörigkeit von Grundbesitz zum Betriebsvermögen nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Welche Wirtschaftsgüter einem Steuerpflichtigen einkommensteuerrechtlich zuzurechnen sind, ergibt sich aus § 5 EStG und § 11 StAnpG (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 1978 IV R 160/73, BFHE 124, 335, BStBl II 1978, 299). Aus § 11 StAnpG ergibt sich wiederum, daß Wirtschaftsgüter, die im Miteigentum mehrerer Personen stehen, den Miteigentümern steuerrechtlich anteilig zuzurechnen sind. Außerdem ist nach § 11 StAnpG eine vom bürgerlich-rechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung nur bei wirtschaftlichem Eigentum möglich. Nach diesen Grundsätzen kann der auf dem Grundstücksanteil der Ehefrau errichtete Gebäudeanteil dem Kläger weder aufgrund bürgerlich-rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums noch aus anderen Gründen zugerechnet werden.
a) Bürgerlich-rechtlich ist der Kläger nicht Alleineigentümer des von ihm errichteten Gebäudes geworden. Aufgrund ihrer Miteigentümerstellung ist auch die Ehefrau kraft Gesetzes Eigentümerin an den mit dem Grundstück verbundenen Gebäuden geworden (§ 946 BGB). Eine davon abweichende Rechtslage ist mangels der nach bürgerlichem Recht für eine dingliche Rechtsänderung notwendigen Voraussetzungen nicht eingetreten (vgl. dazu BFH-Urteil I R 18/70).
b) Wirtschaftliches Eigentum des Klägers an dem seiner Ehefrau gehörenden Gebäudeanteil ist - entgegen der Auffassung des FG - nicht anzunehmen. Wie in dem BFH-Urteil I R 18/70 ausgeführt wurde, ist in Fällen der vorliegenden Art wirtschaftliches Eigentum des Ehemanns in der Form von Eigenbesitz i. S. von § 11 Nr. 4 StAnpG nicht schon deshalb zu bejahen, weil die Ehefrau mit dem Bauvorhaben des Ehemanns einverstanden ist. Wirtschaftliches Eigentum - auch ohne Eigenbesitz - erfordert, daß der Eigentümer durch vertragliche Vereinbarungen oder aus anderen Gründen von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut für dauernd ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264). Von einem solchen Ausschluß kann aber bei einem bloßen Einverständnis mit einem Bauvorhaben unter den hier gegebenen Umständen keine Rede sein. Ein derartiges Einverständnis rechtfertigt lediglich die Annahme, daß ausdrücklich oder stillschweigend ein Nutzungsrecht vereinbart wurde. Das FG hat weder vertragliche Vereinbarungen noch tatsächliche Umstände anderer Art festgestellt, die einen Ausschluß von Einwirkungsmöglichkeiten der Ehefrau auf ihren Grundstücksanteil begründen könnten. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Ehefrau die ihr aufgrund ihrer Miteigentümerstellung zustehende Rechtsposition jederzeit ausüben kann. Etwas anderes läßt sich auch nicht - wie das FG meint - unter Annahme eines "wirtschaftlichen Erbbaurechts" rechtfertigen. Dieser Begriff ist dem Steuerrecht fremd.
c) Eine Zurechnung des im Miteigentum der Ehefrau stehenden Gebäudeanteils zum Betriebsvermögen ist - entgegen der Meinung des Klägers - auch nicht aufgrund handels- und steuerrechtlicher Buchführungsvorschriften, wie sie für Bauten auf fremdem Grund und Boden gelten, möglich.
Zwar sind, wie im BFH-Urteil vom 13. Juli 1977 I R 217/75 (BFHE 123, 32, BStBl II 1978, 6) unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 26. Februar 1975 I R 32/73 (BFHE 115, 238, BStBl II 1975, 443) und vom 26. Februar 1975 I R 184/73 (BFHE 115, 250, BStBl II 1975, 443) ausgesprochen wurde, die Herstellungskosten eines Gebäudes, das ein Miteigentümer nach Bruchteilen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung mit Zustimmung des Miteigentümers auf dem gemeinsamen Grundstück errichtet und betrieblich nutzt, wie Herstellungskosten eines materiellen Wirtschaftsgutes in gleicher Weise zu aktivieren wie diejenigen Kosten, die im Rahmen eines Mietverhältnisses bei der Errichtung eines Gebäudes auf dem fremden Grundstück anfallen. Hieraus ist indessen nicht zu entnehmen, daß Gebäude oder Gebäudeteile zu aktivieren und dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sind, die weder im zivilrechtlichen noch im wirtschaftlichen Eigentum des Steuerpflichtigen stehen. Die sich über § 5 EStG auf die Vorschriften des Aktiengesetzes (AktG) über die Gliederung der Bilanz (§ 151 AktG) stützende Rechtsprechung verneint unter Hinweis auf § 151 Abs. 1 Aktivseite II A Nr. 4 AktG - Bauten auf fremden Grundstücken - für die in Rede stehenden Fälle das Vorliegen von immateriellen Wirtschaftsgütern i. S. des § 153 Abs. 3 AktG, § 5 Abs. 2 EStG, die - weil nicht entgeltlich erworben - nicht aktiviert werden dürften. Die Rechtsprechung verlangt unter Berufung auf die erwähnten Vorschriften den Ausweis und die Bewertung nach den für materielle Wirtschaftsgüter geltenden Vorschriften, auch wenn es sich nicht um die Gebäude oder Gebäudeteile, sondern der Sache nach um die aus deren Errichtung entstandenen schuldrechtlichen Ansprüche auf Verwendungsersatz oder nur um verbesserte Gebrauchsvorteile handelt. Daraus folgt für den Streitfall, daß der Ausweis solcher Wirtschaftsgüter nicht zur Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG berechtigt, weil nach dieser Vorschrift nur Grundbesitz zu berücksichtigen ist.
2. Auf die vom Kläger für das Werkstattgebäude aufgewandten Herstellungskosten sind soweit sie seinen Miteigentumsanteil betreffen, AfA nach § 7 EStG, soweit sie den Miteigentumsanteil seiner Ehefrau betreffen, AfA nach § 7 Abs. 1 EStG - nicht nach § 7 Abs. 4 oder 5 EStG - vorzunehmen.
Wie sich aus der unter Nr. 1 c angeführten BFH-Rechtsprechung und aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, sind bei der Bebauung eines Grundstücks in Bruchteilsgemeinschaft durch einen Miteigentümer unter Zustimmung des anderen Miteigentümers die Herstellungskosten des Gebäudes auch insoweit, als sie auf den ideellen Anteil des Miteigentümers entfallen, wie Herstellungskosten eines materiellen Wirtschaftsguts zu aktivieren, es sei denn, es handelt sich um Baumaßnahmen mit einer nur vorübergehenden Nutzungsmöglichkeit. Da es sich im Streitfall bei dem zu aktivierenden Wirtschaftsgut um eine dem bauenden Miteigentümer zustehende Nutzungsmöglichkeit handelt, für die ein Aufwand entstanden ist, ist dieser Aufwand auch nach § 7 Abs. 1 EStG auf die Dauer der Nutzungsmöglichkeit zu verteilen. Für den Fall, daß der Miteigentümer, der das Gebäude hergestellt hat, es auch während der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer nutzen kann, bestehen keine Bedenken, den Aufwand auf diese Zeit zu verteilen und dementsprechend die AfA vorzunehmen. Ist die voraussichtliche Nutzung kürzer, so ist der Aufwand auf diese Nutzungsdauer zu verteilen.
Soweit allerdings in der Übernahme der Baukosten für den Miteigentumsanteil der Ehefrau eine Schenkung liegt, kommen eine Aktivierung der Herstellungskosten und damit auch AfA nicht in Betracht.
3. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsüberlegungen ausgegangen ist und darauf beruht, war danach aufzuheben. Der Senat kann selbst entscheiden, soweit es um den Gewerbesteuermeßbescheid für 1966 geht; insoweit ist die Klage abzuweisen. Hinsichtlich des Gewerbesteuermeßbescheids für 1967 ist zurückzuverweisen, damit das FG die notwendigen Feststellungen zur voraussichtlichen Nutzungsdauer und damit zur Aufwandverteilung sowie zur Frage der Schenkung trifft.
Fundstellen
BStBl II 1979, 399 |
BFHE 1979, 163 |