Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung einer Drohverlustrückstellung wegen Verluste aus einem Mietverhältnis - Aktivierung einer Nutzungsmöglichkeit bei Anmietung von Räumen - Grundsatz der Einzelbewertung bei Bildung einer Verlustrückstellung - Keine Bindung nach § 11 Abs. 3 FGO an Rechtssatz
Leitsatz (amtlich)
Dem Großen Senat werden gemäß § 11 Abs. 4 FGO folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
a) Steht der Standortvorteil, der sich für den Betrieb einer Apotheke aus der Vermietung von Praxisräumen an einen Arzt in benachbarter Lage ergibt, der Bildung einer Rückstellung wegen drohender Verluste aus dem Mietverhältnis entgegen oder mindert dieser Vorteil die Rückstellung?
b) Ist eine Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften abzuzinsen?
Orientierungssatz
1. Hat ein Apotheker Räumlichkeiten angemietet, um sie an einen Arzt zum Betrieb einer Praxis unterzuvermieten, so gehört die Nutzungsmöglichkeit, unabhängig davon, daß sie im Hinblick auf die Grundsätze des schwebenden Geschäfts nicht zu aktivieren ist, zum notwendigen Betriebsvermögen der Apotheke. Mit dem Abschluß des Untermietvertrages erlangt der Apotheker jedoch kein Wirtschaftsgut, das mit einem Wert zu aktivieren ist, der eine zu Lasten des Gewinns gebildete Rückstellung wegen des zu erwartenden Verpflichtungsüberschusses aus dem Dauerschuldverhältnis "Untervermietung" ausgleicht.
2. Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung dürfen in eine drohende Verlustrückstellung nur die Aufwendungen und Erträge einbezogen werden, die durch die Verpflichtungen und Ansprüche des einzelnen schwebenden Geschäfts ausgelöst werden; eine Erhöhung des Geschäftswerts bleibt außerhalb des Saldierungsbereichs (so auch BFH-Urteil vom 19.7.1983 VIII R 160/79).
3. Der Rechtssatz einer Entscheidung unterliegt nicht der Bindung des § 11 Abs. 3 FGO (vgl. BFH-Beschluß vom 15.2.1968 V B 46/67).
Normenkette
AktG § 152 Abs. 7, § 156 Abs. 4; HGB § 249 Abs. 1 S. 1, § 253 Abs. 1 S. 2; EStG § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3; FGO § 11 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
A) Sachverhalt
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Apotheker (Gewinnermittlung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Er betreibt seine Apotheke auf dem ihm gehörenden Grundstück in A, K-Straße 23.
Gegenüber dem Apothekengrundstück befindet sich das K gehörende Grundstück A, K-Straße 18, das mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut ist. Mit Vertrag vom 26.Juni 1981 mietete der Kläger von K die im II.Obergeschoß des Hauses K-Straße 18 gelegenen Büro- und Wohnräume (Größe 200 qm). In § 1 des Mietvertrages hieß es, der Kläger wolle die Räume in erster Linie an einen Arzt untervermieten, als erstes an Dr.K. Das Mietverhältnis sollte mit der Räumung durch den bisherigen Mieter beginnen, die spätestens am 24.September 1983 erfolgen sollte. Das Mietverhältnis konnte erstmals zum 30.September 2003 gekündigt werden und verlängerte sich bei Ausbleiben der Kündigung um jeweils drei Jahre. Dem Kläger stand jedoch ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, wenn es zur Aufgabe der in den gemieteten Räumen betriebenen Arztpraxis kommen sollte. Der Mietzins betrug monatlich 10 DM/qm, also 2 000 DM. Es bestand eine Wertsicherungsklausel.
Mit Untermietvertrag vom 26.Juni 1981 vermietete der Kläger die von K angemieteten Räume an Dr. K "zum Zwecke des Betriebs einer Arztpraxis". Das Mietverhältnis sollte mit der Räumung durch den bisherigen Mieter --spätestens am 1.Oktober 1983-- beginnen. Es lief "fest" bis zum 30.September 2003 und verlängerte sich bei Ausbleiben einer Kündigung um jeweils drei Jahre. Der Kläger konnte den Vertrag vorzeitig kündigen, falls Dr. K die Mieträume nicht für Zwecke einer Arztpraxis nutzen sollte. Der Mietzins betrug monatlich 5 DM/qm, also 1 000 DM. Es bestand eine Wertsicherungsklausel. Der Kläger verpflichtete sich, die Mieträume für Zwecke des Dr. K herzurichten.
Dr. K übte damals seine Praxis in Räumen des Hauses A, B-Straße 5, aus. Der Kläger hatte sich in § 1 Abs.2 des Untermietvertrages verpflichtet, Dr. K dessen Mietzins von monatlich 1 000 DM für die Praxisräume B-Straße 5 "bis zum Beginn des Untermietvertrages" zu erstatten. Außerdem erklärte sich der Kläger bereit, dem Vermieter des Dr. K im Hause B-Straße 5 solange einen Zuschuß von monatlich 150 DM zu zahlen, bis Dr. K umgezogen war.
Dr. K zog am 1.April 1983 in das Haus K-Straße 18 ein. Der Kläger wandte im Frühjahr 1983 für die Praxisräume Umbaukosten von 20 125 DM auf.
In der Bilanz zum 31.Dezember 1981 bildete der Kläger eine Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften in Höhe von 293 250 DM, die er wie folgt errechnete:
1. Verlust aus dem Untermietvertrag
1.April 1983 bis 30.September 2003
(246 Monate x 1000 DM) 246 000 DM
2. Mietzinserstattung an Dr. K
1.Januar 1982 bis 31.März 1983
(15 Monate x 1000 DM) 15 000 DM
3. Umbaukosten (geschätzt) 30 000 DM
4. Zuschuß an Vermieter des Hauses
B-Straße 5
1.Januar 1982 bis 31.März 1983
(15 Monate x 150 DM) 2 250 DM
----------
Summe 293 250 DM
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, die Rückstellung sei nicht gerechtfertigt, und erließ für 1981 vorbehaltlose Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide, die die Rückstellung nicht mehr berücksichtigten. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Im Klageverfahren erging ein geänderter Gewerbesteuermeßbescheid für 1981, den der Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens machte. Das Finanzgericht (FG) verband die Klagen zur gemeinsamen Entscheidung und wies sie mit folgender Begründung ab: Leistung und Gegenleistung aus dem Untermietvertrag stünden sich ausgewogen gegenüber. Zwar habe der Kläger dem Dr. K die Räume, deren Mietwert monatlich 2 000 DM betragen habe, für nur monatlich 1 000 DM zur Nutzung überlassen. Dr. K habe sich jedoch darüber hinaus verpflichtet, in den gemieteten Räumen eine Arztpraxis zu betreiben. Insoweit habe der Kläger eine "Forderung" an Dr. K zum Betrieb einer Arztpraxis. Die Anschaffungskosten dieser Forderung hätten 283 375 DM betragen (*= Rückstellungsbetrag, jedoch Umbaukosten nur in Höhe des tatsächlich angefallenen Aufwands). Da danach Leistung und Gegenleistung aus dem Untermietvertrag ausgeglichen seien, sei nach den Grundsätzen des schwebenden Vertrags "einerseits die Forderung nicht zu aktivieren, andererseits für eine Rückstellungsbildung für drohende Verluste kein Raum".
Der Kläger begehrt mit der Revision eine Gewinnminderung von 248 575 DM: Die begehrte Rückstellung sei im Hinblick darauf, daß die Umbaukosten tatsächlich nur 20 125 DM betragen hätten, auf 283 375 DM zu ermäßigen, die Gewerbesteuerrückstellung um 34 800 DM zu kürzen. Dr. K sei nicht zum Betrieb einer Arztpraxis verpflichtet worden. Eine solche Gebrauchspflicht sei nicht gewollt gewesen und auch nicht aus dem Untermietvertrag herzuleiten. Der erwartete Vorteil aus einer Verbesserung der künftigen Ertragslage durch Patienten von Dr. K sei nicht in den Saldierungsbereich einzubeziehen, weil sich die künftigen Betriebseinnahmen nicht unmittelbar der Untervermietung zurechnen ließen. Bei der Bewertung der Rückstellung seien die Wertsicherungsklauseln unberücksichtigt geblieben. Andererseits sei in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum entgegen dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.Juli 1983 VIII R 160/79 (BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56) von einer Abzinsung abgesehen worden.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die angegriffenen Bescheide dahingehend zu ändern, daß der Gewinn aus Gewerbebetrieb jeweils mit ... DM angesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es erwidert: Die Auslegung des Untermietvertrages ergebe, daß Dr. K neben der Mietzinszahlung zu der weiteren Hauptleistung verpflichtet worden sei, die Räume als Arztpraxis zu nutzen. Nach der Rechtsprechung werde der Wert der Gegenleistung durch Vorteile beeinflußt, die mit der zu erwartenden Gegenleistung verbunden seien (BFH-Urteil vom 25.Januar 1984 I R 7/80, BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344). Dies gelte auch für den Vorteil, den der Kläger durch "die Vergrößerung des Kundenstamms der Apotheke" erlangt habe. Dieser Befund werde durch die Kontrollüberlegung bestätigt, daß der Kläger die Räume einem Immobilienmakler oder Rechtsanwalt nicht zu den Konditionen vermietet hätte, die er Dr. K zugestanden habe. Hilfsweise werde geltend gemacht, daß die Rückstellung abzuzinsen sei. Der Kläger sei so zu behandeln, als ob er K gegenüber "bereits jetzt alle Mieten bis zum erstmaligen Kündigungszeitpunkt vorgestreckt, ihm also insoweit ein Darlehen gewährt" habe. "Gleiches" gelte für die von Dr. K zu erwartenden Zahlungen.
Entscheidungsgründe
B) Stellungnahme des Senats
I. Der Senat nimmt zu dem Sachverhalt, soweit sich dieser ohne die vorgelegten Rechtsfragen beurteilen läßt, wie nachstehend Stellung:
1. Die Nutzungsmöglichkeit, die der Kläger durch das Mieten der Räume von K erlangt hat, gehört, unabhängig davon, daß sie im Hinblick auf die Grundsätze des schwebenden Geschäfts nicht zu aktivieren ist, zum notwendigen Betriebsvermögen der Apotheke. Sie dient unmittelbar den Zwecken der Apotheke. Das FG hat unter Billigung der Beteiligten seiner Entscheidung den Erfahrungssatz zugrunde gelegt, daß sich eine Arztpraxis in unmittelbarer Nähe einer Apotheke auf deren Umsatz (Gewinn) regelmäßig günstig auswirkt. Der Kläger konnte bei einem gewöhnlichen Gang der Dinge erwarten, daß die langjährige Bindung des Arztes Dr. K an Praxisräume in einem Hause gegenüber der Apotheke sein Geschäft sichern und beleben würde. Private Gründe für die verbilligte Weitergabe der Praxisräume an Dr. K sind nicht ersichtlich.
2. Die betrieblich veranlaßte Untervermietung ist ein Dauerschuldverhältnis, aus dem ein Verpflichtungsüberschuß zu erwarten ist, der unbeschadet eines anzurechnenden Standortvorteils (dazu unter II) und einer Abzinsung (dazu unter III) eine Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 152 Abs.7 des Aktiengesetzes --AktG-- 1965, § 249 Abs.1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches --HGB--) nach den Vorstellungen des Klägers rechtfertigen würde.
a) Der Verpflichtungsüberschuß errechnet sich aus der Gegenüberstellung der Ansprüche des Klägers auf den Mietzins des Dr. K und des Werts der Verpflichtungen des Klägers zur Überlassung und Erhaltung der Praxisräume. Die Ansprüche auf Mietzins sind Geldansprüche, die sich --auch in ihrer Summe-- zuverlässig bestimmen lassen. Hingegen sind die Verpflichtungen des Klägers auf eine Sachleistung gerichtet. Sie bemessen sich nach dem Geldwert aller Aufwendungen (Vollkosten), die zu ihrer Bewirkung erforderlich sind (BFHE 139, 244, 249, BStBl II 1984, 56 unter III.3.).
Der Kläger hat die vermieteten Räume seinerseits gemietet. Seine Sachleistungen sind vor allem anhand der Aufwendungen für die Anmietung zu bestimmen. Wie vom Kläger geltend gemacht, ergibt sich bei der erstmaligen Bildung der Rückstellung zum 31.Dezember 1981 ein Verpflichtungsüberschuß von monatlich 1 000 DM (von Dr. K zu zahlender Mietzins von 1 000 DM abzüglich des an K zu zahlenden Mietzinses von 2 000 DM) für den Zeitraum ab Bezug der Räume durch Dr. K bis zum 30.September 2003. Der Zeitraum bemißt sich nach der "festen" Mietzeit, während derer weder der Kläger noch K noch Dr. K eine ordentliche Kündigung aussprechen können. Die Möglichkeit einer Verlängerung der Mietverhältnisse über den 30.September 2003 hinaus bleibt unberücksichtigt, weil sich der Kläger spätestens zum 30.September 2003 aus der verlustträchtigen Untervermietung lösen kann. Andererseits wird der Fortbestand des Mietverhältnisses bis zum 30.September 2003 nicht durch die Möglichkeit einer vorherigen außerordentlichen Kündigung berührt. Die Ausübung eines außerordentlichen Kündigungsrechts, das dem Kläger insbesondere im Falle einer Aufgabe der ärztlichen Nutzung der Räume zusteht (§ 2 Abs.5 des Mietvertrags mit K, § 3 Abs.4a des Untermietvertrags mit Dr. K), ist bei einem gewöhnlichen Verlauf der Untervermietung nicht zu erwarten. Eine Veränderung des Mietzinses infolge der Wertsicherungsklauseln wäre erst zu berücksichtigen, wenn deren Voraussetzungen eintreten (BFHE 139, 244, 249, BStBl II 1984, 56 unter III.2.).
b) Der Verpflichtungsüberschuß erhöht sich um die von dem Kläger eingegangenen Verpflichtungen zu Mietzinserstattungen an Dr. K (bis zum Umzug), zur Übernahme der Umbaukosten und für die Zuschußzahlung an den bisherigen Vermieter von Dr. K. Unerheblich ist, daß sich die beiden erstgenannten Verpflichtungen aus dem Untermietvertrag ergeben und die letztgenannte Verpflichtung außerhalb der Vertragswerke übernommen wurde. Auch diese Verpflichtungen führen zu Aufwendungen, die zur Erfüllung des Untermietvertrags erforderlich sind. Sie sind ebenfalls in der Höhe ihres voraussichtlichen Anfalls anzusetzen. Abzustellen ist auf die Verhältnisse des Bilanzstichtages 31.Dezember 1981. Danach können die Umbaukosten nur dann mit 20 125 DM (*=tatsächlicher Aufwand im Jahre 1983) berücksichtigt werden, wenn sie in dieser Höhe schon am Bilanzstichtag zu erwarten waren. Eine vorsichtige Bewertung könnte auch einen höheren (Schätz-) Ansatz erforderlich machen (so ursprünglich der Kläger). Gleichermaßen könnten die Zuschußzahlungen an den bisherigen Vermieter von Dr. K nicht nur in ihrer bis zum 31.März 1983 tatsächlich angefallenen Höhe von 2 250 DM anzusetzen sein, wenn im Zeitpunkt der Bilanzierung ein späteres Umzugsdatum zu erwarten gewesen sein sollte.
c) Zu den Mietzinserstattungen an Dr. K ist zu bemerken: Sie liefen nach dem Untermietvertrag "bis zum Beginn des Untermietverhältnisses", der wiederum von dem Auszug des Vormieters abhängig war. Spätestens am 1.Oktober 1983 --möglicherweise aber schon früher-- entfielen die Mietzinserstattungen an Dr. K, weil der Kläger dann in der Lage war, Dr. K die Praxisräume zur Nutzung zu überlassen. Im Streitfall kann offenbleiben, wie die hierin liegende Unsicherheit hinsichtlich des Zeitpunkts der möglichen Nutzungsüberlassung bei Bildung der Rückstellung zu berücksichtigen ist. Da die monatlichen Mietzinserstattungen wie die monatlichen Verpflichtungsüberhänge aus den beiden Mietverträgen übereinstimmend 1 000 DM betragen, ist unerheblich, wann aus der Sicht des Bilanzstichtags die Phase der Mietzinserstattung in diejenige der tatsächlichen Nutzungsüberlassung übergehen würde. Der Fehler des Klägers bei der Bemessung der Rückstellung, den voraussichtlichen Übergang auf den Tag der erst später bekanntgewordenen tatsächlichen Nutzungsüberlassung (1.April 1983) anzusetzen, wirkt sich nicht aus.
d) Der Bildung der Rückstellung steht --jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH-- nicht entgegen, daß der Kläger bewußt ein Verlustgeschäft eingegangen ist (BFHE 139, 244, 250, BStBl II 1984, 56 unter III.6).
3. Der Kläger erlangte entgegen der Auffassung des FG mit dem Abschluß des Untermietvertrages kein Wirtschaftsgut, das mit einem Wert zu aktivieren wäre, der eine zu Lasten des Gewinns gebildete Rückstellung im Ergebnis ausgleichen würde.
a) Das FG nimmt einerseits eine Forderung des Klägers gegen Dr. K auf Betrieb einer Arztpraxis an; für diese Forderung soll der Kläger einen Betrag in Höhe der begehrten Rückstellung aufgewandt haben. Andererseits sollen Forderung und Rückstellung nach den Grundsätzen des schwebenden Geschäfts unbilanziert bleiben. Diesen Bilanzierungsvorstellungen ist nicht zu folgen. Sofern die Voraussetzungen für eine Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften gegeben sind, ist die Rückstellung nach zwingendem Handels- und Steuerrecht zu passivieren. Es erscheint zwar denkbar, den Passivierungsaufwand ganz oder teilweise als Anschaffungsaufwand für ein zu aktivierendes Wirtschaftsgut anzusehen. In diesem Fall könnte jedoch das Wirtschaftsgut nicht nach den Grundsätzen der Bilanzierung des schwebenden Vertrags unaktiviert bleiben. Eine Saldierung von Rückstellung und Aktivposten käme nicht in Betracht. Die Frage braucht nicht abschließend entschieden zu werden. Der Kläger erlangte gegenüber Dr. K jedenfalls bilanzrechtlich keine eigenständige Forderung auf Betrieb einer Arztpraxis.
b) Der Mieter von Räumlichkeiten ist regelmäßig berechtigt, nicht aber verpflichtet, die Räume vertragsgemäß zu nutzen (Umkehrschluß aus § 535 Satz 2, § 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Allerdings kann auch eine Gebrauchspflicht des Mieters vereinbart werden (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 4.April 1979 VIII ZR 118/78, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1979, 2351; Staudinger/Emmerich, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12.Aufl. 1981, § 535 Anm.128; Ermann, Bürgerliches Gesetzbuch, 9.Aufl. 1993, § 535 Anm.48). Das FG hat eine solche Pflicht angenommen; es verweist auf § 1 Abs.1 des Untermietvertrags, wonach die Räume Dr. K "zum Zwecke des Betriebs einer Arztpraxis" überlassen wurden, und auf § 2 Abs.4 des Vertrags, der dem Kläger für den Fall einer anderen Nutzung ein außerordentliches Kündigungsrecht gewährt. Der Kläger stellt eine Gebrauchspflicht in Abrede. Die Frage kann offenbleiben.
Der Kläger überließ Dr. K die Praxisräume zu dem eingeschränkten Gebrauch für eine Arztpraxis. Falls Dr. K keine Gebrauchspflicht trifft und er die Räume nicht als Praxis nutzen möchte, bleibt ihm nur die wirtschaftlich sinnlose Alternative, die Räume leerstehen zu lassen. Sollte eine Gebrauchspflicht bestanden haben, ist die Stellung des Klägers gegenüber Dr. K nicht in einem solchen Ausmaß verstärkt, daß ein besonderes Wirtschaftsgut in Erscheinung träte. Der Kläger hätte allenfalls eine zusätzliche Sicherheit dafür erhalten, daß Dr. K, wie ohnehin zu erwarten ist, tatsächlich in den Mieträumen ordiniert.
II. Zur ersten Rechtsfrage: Anrechnung eines Standortvorteils?
1. Wenn auch die Aktivierung eines Wirtschaftsguts ausscheidet, ist nicht zu verkennen, daß der Kläger von der verlustbringenden Untervermietung anderweitige wirtschaftliche Vorteile erwarten konnte. Das FG hat die Vorteile wie folgt beschrieben (s. auch oben I. 1.): "Der Betrieb einer Arztpraxis gegenüber der Apotheke führt zur Erhöhung des Apothekenumsatzes und entsprechend des Gewinnes; denn Patienten pflegen die ihnen verordneten Medikamente im Regelfall in der am nächsten gelegenen Apotheke zu kaufen." Selbst der Kläger spricht in der Revisionsbegründungsschrift davon, ein Apotheker verspreche sich aus der räumlichen Nähe einer Arztpraxis grundsätzlich einen "Standortvorteil", der sich in zukünftigen Umsatzgeschäften mit "Dritten" (d.h. den Patienten der Arztpraxis) realisieren solle.
Die erwarteten Vorteile sind vor dem Hintergrund des § 11 des Gesetzes über das Apothekenwesen (ApoG) zu sehen. Nach dieser Bestimmung dürfen Erlaubnisinhaber von Apotheken mit Ärzten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die die Zuführung von Patienten zum Gegenstand haben. Dem entsprechen die berufsrechtlichen Regelungen für Ärzte, denen nicht gestattet ist, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken zu verweisen (BGH-Urteil vom 17.Oktober 1980 I ZR 185/78, Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 1981, 471; Schiedermair/Pieck, Apothekengesetz, 3.Aufl. 1981, § 11 Rz.3 bis 5). Einem Apotheker, der seinen Umsatz mit Hilfe zusätzlicher Arztrezepturen erhöhen möchte, ist sonach der Weg verschlossen, einen Arzt durch finanzielle Anreize rechtsverbindlich zu verpflichten, ihm Patienten zuzuführen.
Eine Umsatzverbesserung kann er allerdings mittelbar dadurch erreichen, daß er Ärzte bewegt, sich in der Nähe der Apotheke niederzulassen. Auch hierbei sind die Beschränkungen des § 11 ApoG zu beachten. Wird ein Arzt durch finanzielle Vorteile --wie Dr. K durch die Unterpreisvermietung-- veranlaßt, sich langfristig in der Nähe der Apotheke niederzulassen, darf er in keiner Weise verpflichtet werden, Empfehlungen für die Apotheke auszusprechen, für diese Rezepte zu sammeln u.ä. Der Apotheker kann allenfalls, wie vom FG dargestellt, auf den Erfahrungssatz bauen, daß die Patienten eines Arztes sehr häufig die nächstgelegene Apotheke aufsuchen werden.
2. Nach Auffassung des Senats ist ein solcher Vorteil nicht geeignet, den sicher drohenden Verlust des Klägers aus der Untervermietung zu kompensieren.
a) Einer Kompensation steht schon entgegen, daß die erwarteten Vorteile ungewiß sind. Sie sind zum einen abhängig von der fachlichen Eignung und der Arbeitskraft des Arztes, insbesondere auch von dessen unwägbarer Fähigkeit, Patienten an sich zu binden. Zum anderen ist das Patientenverhalten von Bedeutung. Es läßt sich nicht annähernd bestimmen, wieviele Patienten ihre Rezepte in die nächstgelegene Apotheke tragen.
Der Senat folgt den Ausführungen des Urteils in BFHE 139, 244, 250, BStBl II 1984, 56 (unter III.5.) darin, daß nach dem Grundsatz der Einzelbewertung in eine drohende Verlustrückstellung nur die Aufwendungen und Erträge einbezogen werden dürfen, die durch die Verpflichtungen und Ansprüche des einzelnen schwebenden Geschäfts ausgelöst werden; eine Erhöhung des Geschäftswerts steht außerhalb des Saldierungsbereichs. Im Streitfall ist die Untervermietung an Dr. K das zu beurteilende schwebende Geschäft, aus dem ein Verlust zu erwarten ist. Andere Geschäfte, die mit der Untervermietung eine wirtschaftliche Einheit bilden könnten, sind nicht ersichtlich.
b) Der Senat hat für Verbindlichkeitsrückstellungen (Gewährleistungsverpflichtungen) entschieden, daß unter bestimmten Voraussetzungen Rückgriffsmöglichkeiten rückstellungsmindernd zu berücksichtigen sind (Urteil vom 17.Februar 1993 X R 60/89, BFHE 170, 397, BStBl II 1993, 437). Diese Aussage, die auch für sog. Drohverlustrückstellungen gelten dürfte, läßt sich nicht auf zu erwartende künftige Erträge (Betriebseinnahmen) übertragen. Der Kläger hat sich in kaufmännischer Freiheit unter Abwägung der Risiken zunächst für ein Verlustgeschäft entschieden. Er verschaffte sich ohne irgendeine Rückversicherung lediglich die Chance einer künftigen Umsatzsteigerung.
c) Der Hinweis des FA auf das BFH-Urteil in BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344 geht fehl. Der I.Senat des BFH hat in diesem Urteil eine Rückstellung für Ausbildungskosten abgelehnt, weil die zu erwartende Gegenleistung mit dem Vorteil verbunden sei, künftig aus einem Bestand von selbst ausgebildeten Fachkräften auswählen zu können. Diese Rechtsprechung steht im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten, Arbeitsleistungen zu bewerten (dazu BFH-Urteil vom 25.Februar 1986 VIII R 377/83, BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465). Im Streitfall besteht die von Dr. K zu erbringende Gegenleistung in Geld. Ihre Bewertung bereitet keine Schwierigkeiten.
Im übrigen steht die vom Kläger erhoffte Umsatzsteigerung mit der Untervermietung nur in einer losen Verbindung. Der Kläger weist zutreffend auf das BFH-Urteil vom 16.September 1970 I R 184/67 (BFHE 100, 443, 446 f., BStBl II 1971, 85 unter II.2.) hin. Danach ist eine Rückstellung wegen einer Auffüllverpflichtung nicht deswegen niedriger zu bewerten, weil der Kiesabbauunternehmer anläßlich des Auffüllvorgangs voraussichtlich auch Einnahmen (Kippgebühren) erzielen wird; die künftigen Wiederauffüllkosten ermäßigten sich nicht; auch verstoße es gegen das Verbot des Ausweises nicht realisierter Gewinne, wenn die bloße Aussicht, Einnahmen zu erzielen, Anlaß für eine Verrechnung gebe. Diese Rechtsgrundsätze lassen sich verallgemeinern und gelten nicht nur für Verbindlichkeits-, sondern auch für Drohverlustrückstellungen. Die Patienten des Dr. K und ihre Krankenkassen sind Dritte, von denen der Kläger künftig Einnahmen zu erzielen hofft. Der Verlust aus der Untervermietung ist ihm hingegen sicher.
Diese Betrachtungsweise ist durch das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip geboten, das über den Maßgeblichkeitsgrundsatz in das Bilanzsteuerrecht hineinwirkt. Es mag sein, daß ein Erwerber der Apotheke den Standortvorteil aus der Nähe der Arztpraxis des Dr. K in dem Gesamtkaufpreis für die Apotheke entgelten würde (§ 6 Abs.1 Nr.1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Ein solcher Mehrpreis würde indessen auf den Geschäftswert entfallen, der gemäß § 5 Abs.2 EStG unaktiviert bleibt. Außerhalb des Rückstellungsbereichs wird z.B. in vergleichbarer Weise ein Reklameaufwand nicht deswegen aktiviert, weil er den Geschäftswert verbessert und eine Umsatzsteigerung verspricht. Sollte die erhoffte Umsatzsteigerung eintreten, ist sie nur und erst in diesem Zeitpunkt als Ertrag (Betriebseinnahme) zu erfassen.
3. Der I.Senat des BFH hat in Fortsetzung seiner Rechtsprechung in BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344 eine Rückstellung wegen zu erwartender Ausbildungskosten selbst dann abgelehnt, wenn aus sozialen, arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Gründen mehr Lehrlinge ausgebildet werden, als zur Erhaltung eines selbst ausgebildeten Fachkräftestamms erforderlich sind; die hierdurch eintretende "Ansehenssicherung oder -erhöhung" des Unternehmens "bei den Mitarbeitern, den Geschäftspartnern und in der Öffentlichkeit" soll ein "wirtschaftlicher Wert" sein, der "sehr hoch" zu veranschlagen sei, weil es dem Unternehmen erleichtert werde, seine Ziele zu erreichen (BFH-Urteil vom 3.Februar 1993 I R 37/91, BFHE 170, 247, BStBl II 1993, 441 unter II. 3. f; kritisch Küting/Kessler, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1993, 1045).
Der Senat würde mit seiner beabsichtigten Entscheidung nicht im Sinne des Gesetzes von diesem Urteil abweichen (§ 11 Abs.3 FGO). Der I.Senat geht offenbar davon aus, daß ein wirtschaftlicher Vorteil der "Ansehenssicherung oder -erhöhung" in einer ideellen Form sogleich mit dem Abschluß der Ausbildungsverträge eintritt. Die erhoffte Umsatzverbesserung des Streitfalls bleibt hingegen vorerst vage und bedarf der späteren Bestätigung am Markt.
Wird indessen die ideelle Seite der Ansehenssicherung oder -erhöhung außer Betracht gelassen und nur auf ihren wirtschaftlichen Gehalt gesehen, zeigt sich, daß die Fälle in wesentlichen Beziehungen vergleichbar sind. Der I.Senat setzt den "wirtschaftlichen Wert eines positiven Ansehens sehr hoch" an und mißt ihn an seiner Wirkung auf Mitarbeiter, Geschäftspartner und die Öffentlichkeit; dadurch wird es dem Unternehmen erleichtert, "seine Ziele zu erreichen". Es könnte daran gedacht werden, daß das positive Ansehen die Belegschaft bei der Durchsetzung sozial-betrieblicher Maßnahmen zur Zurückhaltung veranlaßt, Lieferanten zu längeren Zahlungszielen bewegt oder die Kommunalbehörden dazu bringt, eine Zufahrtstraße zu bauen. Die "Ansehenssicherung oder -erhöhung" ist danach lediglich ein Kürzel für künftig erwartete wirtschaftliche Vorteile z.B. aus dem Verhalten günstig gestimmter Belegschaftsmitglieder, Geschäftspartner oder Entscheidungsträger der öffentlichen Hand; wie im Streitfall wird erwartet, daß sich diese Vorteile in höheren Umsätzen und/oder Gewinnen niederschlagen. Sonach bestehen die aus dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip hergeleiteten Bedenken sowohl gegenüber einer Rückstellungsbegrenzung aus einem Standortvorteil als auch gegenüber einer Rückstellungsbegrenzung aus einer Ansehenssicherung oder -erhöhung.
III. Zur zweiten Rechtsfrage: Abzinsung?
Für den Senat stellt sich die weitere Frage, ob Rückstellungen wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften abzuzinsen sind. Der Senat ist der Auffassung, daß die in die Rückstellung des Streitfalls einzubeziehenden Verpflichtungen und Ansprüche aus dem schwebenden Untermietverhältnis mit Dr. K abgezinst werden müssen.
1. Der BFH hat in dem Urteil in BFHE 139, 244, 250, BStBl II 1984, 56 (unter III. 4.) dargelegt, daß auch für Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften der Grundsatz der Bewertung nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag gelte; daher sei --ähnlich wie bei Renten (§ 156 Abs.2 AktG 1965, jetzt § 253 Abs.1 Satz 2 HGB)-- der durch Abzinsung zu ermittelnde Barwert der künftigen Ansprüche und Verpflichtungen anzusetzen (für eine Abzinsung von Verbindlichkeitsrückstellungen: BFH-Urteile vom 7.Juli 1983 IV R 47/80, BFHE 139, 154, BStBl II 1983, 753 betreffend Gratifikationen; vom 5.Februar 1987 IV R 81/84, BFHE 149, 55, 61, BStBl II 1987, 845 betreffend Jubiläumsgelder; einschränkend für Rückzahlungsverpflichtungen BFH-Urteile vom 12.Dezember 1990 I R 153/86, BFHE 163, 146, 155 f., BStBl II 1991, 479; vom 12.Dezember 1990 I R 18/89, BFHE 163, 157, 160 f., BStBl II 1991, 485).
Diese Rechtsprechung hat im Schrifttum Zustimmung gefunden (Herzig, Steuerberater-Jahrbuch --StbJB-- 1985/86, S.61, 87 bis 89; Forster in FS Stimpel, 1985, S.759, 766; Adler/ Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5.Aufl., 1987, § 253 HGB Anm.180; Groh, Betriebs-Berater --BB-- 1988, 1919; Sarrazin, Die Wirtschaftsprüfung --WPg-- 1993, 1, 6 f.; Abschn.38 Abs.3 und 5 der Einkommensteuer- Richtlinien --EStR--; nur für Verbindlichkeitsrückstellungen: Küting/Kessler, DStR, 1989, 723; Christiansen, Steuerliche Rückstellungsbildung, 1993, S.53 ff., 87 f.; ausdrücklich für eine Vermietung: Kessler, Rückstellungen und Dauerschuldverhältnisse, 1992, S.529 ff.). Sie hat aber auch Ablehnung erfahren (Clemm/Nonnenmacher in Beck'scher Bilanzkommentar, 2.Aufl. 1990, Anm.161, 279; Strobl in FS Döllerer, 1988, S.615, 630 bis 633; anders noch dieselbe für Drohverlustrückstellungen in Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft --DStjG-- 7.1984, S.195, 217 f.; Böcking, Bilanzrechtstheorie und Verzinslichkeit, 1987, S.281 ff.; Moxter in Vorwort zu Böcking, S.2 bis 26; Clemm, StbJb 1987/88, S.67, 79 ff.; derselbe, BB 1993, 687; Hartung, BB 1990, 313; Stellungnahme IdW vom 26.März 1993, WPg 1993, 250, 252; Weber-Grellet in FS für Ludwig Schmidt, 1993; differenzierend Jäger, WPg 1992, 557).
Gegen die Rechtsprechung wird insbesondere angeführt: Sie vernachlässige, daß Verbindlichkeiten grundsätzlich mit ihrem Erfüllungsbetrag (*= Rückzahlungsbetrag) zu bewerten seien. Die Bewertung ungewisser Verbindlichkeiten und von Verbindlichkeiten im Rahmen einer sog. Drohverlustrückstellung müsse sich hieran ausrichten. Eine verdeckte Zinsabrede, die eine Abzinsung rechtfertige, könne nicht ohne weiteres unterstellt oder vermutet werden. Die für Renten vorgeschriebene Barwertermittlung sei eine Ausnahmevorschrift. Eine Abzinsung von Sachleistungsverbindlichkeiten könne überhaupt nicht in Betracht gezogen werden (Stellungnahme IdW, WPg 1993, 250, 252).
2. Der Senat schließt sich im Ergebnis der Auffassung des VIII.Senats in BFHE 139, 244, 250, BStBl II 1984, 56 an. Es braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Abzinsung von Verbindlichkeitsrückstellungen möglich ist und ob die Regelung für Rentenverpflichtungen verallgemeinerungsfähig ist. Im Streitfall ist keine Verbindlichkeitsrückstellung, sondern eine sog. Drohverlustrückstellung (aus einem Dauerschuldverhältnis) zu beurteilen.
Die Drohverlustrückstellung erfaßt den Saldo (Überschuß) künftiger Aufwendungen (Verpflichtungen) gegenüber künftigen Erträgen (Ansprüchen) aus einem schwebenden Geschäft (Verpflichtungsüberschuß). Sie ist auch dann zu bilden, wenn Grund und Höhe der künftigen Aufwendungen (Verpflichtungen) und Erträge (Ansprüche) gewiß sind. Die Verbindlichkeitsrückstellung ist hingegen für dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Damit wird erreicht, daß ein vergangenheitsbezogener Aufwand als bereits verursacht in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt wird. Diese Unterschiede (dazu Groh, BB 1988, 27) wirken sich auf die Bewertung der beiden Rückstellungen aus. § 253 Abs.1 Satz 2 HGB (§ 156 Abs.4 AktG 1965) schreibt vor, daß Rückstellungen jeder Art nur in Höhe des Betrages anzusetzen sind, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Diese Anordnung, die mangels eines Vorbehalts in § 6 EStG auch steuerrechtlich gilt, wird möglicherweise für die Verbindlichkeitsrückstellungen --aber allenfalls für diese-- durch die Erwägung überlagert, daß auch eine ungewisse Verbindlichkeit eine Verbindlichkeit ist, die handels- und steuerrechtlich mit ihrem (ggf. geschätzten) Rückzahlungsbetrag (Nennwert) anzusetzen ist. Hier setzt die Kritik an, die auf den späteren Rückzahlungsbetrag abstellen und eine Abzinsung lediglich bei einer Kreditvereinbarung annehmen möchte.
Eine solche Erwägung entfällt für die sog. Drohverlustrückstellungen. Diese sind ausschließlich nach den Regeln der Rückstellungsbewertung anzusetzen, unbeschadet dessen, daß der maßgebliche Verpflichtungsüberschuß als Rechengröße die künftigen Verpflichtungen enthält. Die Berechnungsweise ändert nichts an dem Umstand, daß der drohende Verlust ein Saldo ist, der auch anhand weiterer Wertkomponenten zu ermitteln ist. Vor allem findet kein Übergang von ungewissen zu gewissen Verpflichtungen statt. Die Verpflichtungen (und Ansprüche) sind vielfach --so auch im Streitfall-- von Anfang an gewiß. Die Drohverlustrückstellung erlischt mit Ablauf des Schwebeverhältnisses. Zieht sich das Schwebeverhältnis --wie bei Dauerschuldverhältnissen-- über einen längeren Zeitraum hin, ist die Rückstellung an die Verhältnisse des jeweiligen Bilanzstichtages anzupassen. Aber auch dieses hinausgezogene Schwebeverhältnis erlischt eines Tages, ohne daß eine (gewisse) Verbindlichkeit an seine Stelle träte.
3. § 253 Abs.1 Satz 2 HGB ordnet an, daß Rückstellungen nur in Höhe des Betrages anzusetzen sind, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Der Grundsatz vorsichtiger Bewertung ist danach insoweit eingeschränkt, als unabhängig von subjektiven Einschätzungen des Kaufmanns auf das gerade noch Erforderliche abzustellen ist. Für einen drohenden Verlust darf nur in dem Ausmaß Vorsorge getroffen werden, als Mittel erforderlich werden, um den späteren Verlust abzudecken. Der künftige Aufwand macht in der Gegenwart lediglich die Bereitstellung des abgezinsten Aufwands erforderlich. Dabei ist es unerheblich, ob künftig Geld- oder Sachleistungen zu erbringen sind (a. A. Christiansen, a.a.O., S.88). Im Streitfall kann der Kläger die künftigen Vermieterleistungen (Sachleistungen) gegenüber Dr. K nur dadurch erfüllen, daß er seinerseits Geldleistungen --insbesondere die Mietzinsaufwendungen an K-- erbringt. Für diese Geldaufwendungen ist Vorsorge zu treffen.
C) Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen und Rechtsgrundlage der Vorlage
1. Der Senat hält die Sache nicht für spruchreif. Nach seiner Auffassung ist dem Kläger zwar die begehrte Rückstellung dem Grunde nach zuzugestehen, das FG wird jedoch noch den Abzinsungsbetrag zu ermitteln haben. Der Senat möchte dabei dem FG anheimgeben, in entsprechender Anwendung des § 12 Abs.3 des Bewertungsgesetzes (BewG) einen Zinssatz von 5,5 v.H. zugrunde zu legen, sofern die Beteiligten keinen anderen Satz plausibel darlegen können. Offen ist auch noch, mit welchem Schätzbetrag die Verpflichtung zur Tragung der Umbaukosten anzusetzen ist, in welcher Höhe Zuschußzahlungen an den früheren Vermieter von Dr. K zu berücksichtigen sind und welche Auswirkungen auf die Gewerbesteuerrückstellung eintreten.
Beide Vorlagefragen sind entscheidungserheblich. Sollte der Große Senat die erste Vorlagefrage (Verrechenbarkeit der Vor- und Nachteile aus mehreren Rechtsgeschäften) bejahen, wäre eine Rückstellung nicht oder allenfalls in einem weit geringeren Ausmaß, als bisher vom Senat angenommen, gerechtfertigt. Sollte der Große Senat zur Beantwortung der zweiten Rechtsfrage gelangen und sie verneinen, würde die vom Senat in Aussicht genommene Abzinsung entfallen.
2. Der Senat stützt die Vorlage in beiden Fragen auf grundsätzliche Bedeutung (§ 11 Abs.4 FGO).
a) Zur ersten Vorlagefrage: Der Senat weicht mit seiner beabsichtigten Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer Senate ab (§ 11 Abs.3 FGO). Zur Verneinung einer Divergenz zu dem BFH- Urteil in BFHE 170, 247, BStBl II 1993, 441 vgl. oben B II. 3. Der Senat weicht auch nicht von dem Urteil des XI.Senats vom 16.Dezember 1992 XI R 42/89 (BFHE 170, 179) ab. Der XI.Senat hat in diesem Urteil zwar den Anwendungsbereich des BFH-Urteils in BFHE 100, 443, BStBl II 1971, 85 (betr. Kippgebühren), auf dessen Rechtsgrundsätze sich der Senat stützt, eingeschränkt, ohne jedoch die Einschränkung im einzelnen zu verdeutlichen. Es wird nicht ersichtlich, ob der XI.Senat die Aussage des Urteils in BFHE 100, 443, BStBl II 1971, 85 auf "die Höhe" von Rückstellungen oder auf Verbindlichkeitsrückstellungen beschränken möchte. Angesichts dieser Unklarheit und der unterschiedlichen Sachverhaltsgestaltungen (XI.Senat: Flurentschädigungen, Pacht; Streitfall: Vermietung) verneint der Senat eine Abweichung. Der Rechtssatz scheint allerdings darauf hinzuweisen, daß nach Auffassung des XI.Senats der Bildung einer Drohverlustrückstellung auch später zu erwartende Einnahmen von dritter Seite (aus Kippgebühren) entgegenstehen. Der Rechtssatz unterliegt aber nicht der Bindung des § 11 Abs.3 FGO (BFH-Beschluß vom 15.Februar 1968 V B 46/67, BFHE 91, 514, 516 f., BStBl II 1968, 413).
Die Vorlagefrage hat indessen grundsätzliche Bedeutung. Der Senat ruft den Großen Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 11 Abs.4 FGO an. Die angeführten Urteile des I. und XI.Senats lassen die Tendenz erkennen, Drohverlustrückstellungen aus Dauerschuldverhältnissen auch um solche Vorteile zu kürzen, die sich erst in künftigen Erträgen (Betriebseinnahmen) niederschlagen. Das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip und dessen Maßgeblichkeit für das Bilanzsteuerrecht sind berührt.
b) Zur zweiten Vorlagefrage: Der Senat möchte in Übereinstimmung mit dem Urteil in BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56 die nach seiner Auffassung anzuerkennende Rückstellung abzinsen. Er weicht damit nicht von den BFH-Urteilen in BFHE 163, 146, BStBl II 1991, 479, und in BFHE 163, 157, BStBl II 1991, 485 ab. Der I.Senat hat in diesen Entscheidungen eine Abzinsung lediglich für Verbindlichkeitsrückstellungen und zwar für ungewisse Geldschulden verneint. Im Streitfall ist hingegen eine Drohverlustrückstellung zu beurteilen, die auf Vertragsabschlüssen beruht, welche nicht mit Geldempfängen oder -hingaben verbunden waren. Der VIII.Senat hat die o.a. Rechtsprechung des I.Senats auf eine Drohverlustrückstellung (Pachterneuerungsrückstellung) übertragen und eine Abzinsung einer derartigen Rückstellung abgelehnt (Urteil vom 3.Dezember 1991 VIII R 88/87, BFHE 167, 322, 331, BStBl II 1993, 89). Diese Ansicht dürfte auf der Auffassung des VIII.Senats beruhen, daß die Pachterneuerungsrückstellung als Erfüllungsrückstand zu begreifen ist; jedenfalls hat der VIII.Senat nicht erkennen lassen, daß er von seiner Entscheidung in BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56, abrücken wollte.
Die zweite Rechtsfrage hat ebenfalls grundsätzliche Bedeutung, so daß zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch in diesem Fall die Anrufung des Großen Senats gemäß § 11 Abs.4 FGO geboten ist. Ihre Beantwortung ist von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite. Dies gilt selbst dann, wenn der Große Senat seine Antwort auf Rückstellungen für Verluste aus schwebenden Dauerschuldverhältnissen beschränken sollte. Die wirtschaftliche Bedeutung verstärkt sich, sollte der Große Senat seine Antwort auf alle Rückstellungen ausdehnen (vgl. zur Abzinsung von Rückstellungen für Umweltlasten einerseits Entwurf eines Schreibens des Bundesministers der Finanzen --mitgeteilt bei Clemm, BB 1993, 687; andererseits Stellungnahme IdW vom 26.März 1993, WPg 1993, 250, 252). Das Schrifttum zur Abzinsungsthematik ist, wie dargestellt, kontrovers. Die BFH-Rechtsprechung bietet kein geschlossenes Bild (dazu Weber-Grellet, a.a.O., unter III.).
Fundstellen
Haufe-Index 64669 |
BStBl II 1993, 855 |
BFHE 171, 455 |
BB 1993, 1981-1985 (LT) |
DB 1993, 2107 (L) |
DStR 1993, 1516 (KT) |
DStZ 1993, 693 (KT) |
HFR 1993, 716 (LT) |
StE 1993, 534 (K) |