Dipl.-Kfm. Frederik Hegmanns, Dipl.-Kfm. Thomas Scholz
I. Regelungstechnisches Verhältnis zwischen den §§ 316ff. und der AP-VO (EU) Nr. 537/2014
Rn. 20
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Weder das Unionsrecht noch das deutsche Recht enthalten eine Norm, die das Verhältnis der beiden Rechtsordnungen zueinander im Kollisionsfall ausdrücklich regelt. Aufgrund der höchstrichterlichen Rspr. – sowohl auf EU-Ebene als auch in Deutschland – ist aber mittlerweile anerkannt, dass dem unmittelbar anwendbaren Unionsrecht Anwendungsvorrang vor nationalen Regelungen einzuräumen ist. Diese unmittelbare Anwendbarkeit der AP-VO auf die AP von PIE ist hier gegeben, da es (auch) bei jener VO keines weiteren Transformationsaktes der Mitgliedstaaten bedarf. Insoweit hätte es der in § 316a enthaltenen ausdrücklichen Anordnung des Vorrangs der AP-VO gar nicht bedurft, weshalb § 316a allein deklaratorischer Charakter zukommt. Konstitutiven Charakter hat die Regelung indes insoweit als sie die subsidiäre Geltung der Vorschriften des Dritten Unterabschn. für PIE anordnet (vgl. BeckOGK-HGB (2023), § 316a, Rn. 5; NK-AP (2022), § 316a HGB, Rn. 3; a. A. BeckOK-HGB (2024), § 316a, Rn. 5; Baumbach/Hopt (2024), § 316a HGB, Rn. 1). Dies wiederum ist deshalb von Bedeutung, weil besagte VO mit ihrer Vielzahl an Einzelregelungen Mitgliedstaatenwahlrechte enthält oder aber ausdrücklich nicht abschließend ist, mit der Folge, dass in diesen Fällen die VO und die Normen des HGB bzw. (auch) der WPO in weiten Teilen kumulativ zu betrachten sind (vgl. etwa EBJS (2024), § 316a HGB, Rn. 1f.).
Rn. 20a
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Nachdem der deutsche Gesetzgeber in § 316a Satz 2 eine Legaldefinition von PIE vorgenommen hat, gilt diese grds. auch für die Bestimmung des Geltungsbereichs der VO, soweit sie über den sich der VO ergebenden "Mindestanwendungsbereich" hinausgeht. Praktische Bedeutung hat dies insofern, als die AP-VO eigentlich nur auf solche UN anwendbar ist, deren übertragbare Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt bereits zugelassen sind (vgl. Art. 2 der AP-VO i. V. m. Art. 2 Nr. 13 der AP-R), während § 316a Satz 2 Nr. 1 als kap.-marktorientiert auch jene UN erfasst, die eine solche Zulassung bisher lediglich beantragt haben. Auf Letztere findet die AP-VO nunmehr gleichermaßen Anwendung (vgl. lediglich EBJS (2024), § 316a HGB, Rn. 3).
II. Unmittelbare Geltung der Vorschriften des Unionsrechts
Rn. 20b
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Gemäß Art. 1 enthält die AP-VO a) Anforderungen an die Prüfung von JA und konsolidierten Abschlüssen bei PIE, b) Vorschriften für die Organisation von AP und Prüfungsgesellschaften und für deren Auswahl durch PIE mit dem Ziel, deren Unabhängigkeit und die Vermeidung von Interessenkonflikten zu fördern, sowie c) Vorschriften für die Überwachung der Einhaltung dieser Anforderungen durch AP und Prüfungsgesellschaften. Nachstehend wird der Inhalt der wichtigsten – und insoweit für die AP von PIE unmittelbar anzuwendenden – Vorschriften jener VO überblicksartig wiedergegeben:
Rn. 20c
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Art. 4 der AP-VO bestimmt, dass die Prüfungshonorare für AP nicht ergebnisabhängig sein dürfen und für sog. Nichtprüfungsleistungen eine Begrenzung (Cap) auf 70 % des Durchschnitts der in den letzten drei aufeinander folgenden GJ für die AP des geprüften UN (und seiner verbundenen UN) gezahlten Honorare zu beachten ist. Somit gelangt das 70 %-Cap stets erst im vierten GJ, das von dem AP geprüft wird, zur Anwendung, sofern er nicht ein Jahr keine Nichtprüfungsleistungen erbracht hat. Im letzteren Fall beginnt die Zählung erneut. Überschreiten die insgesamt von einem PIE an den AP gezahlten Honorare in drei aufeinander folgenden GJ 15 % der insgesamt von dem AP vereinnahmten Honorare, so hat er den Prüfungsausschuss des geprüften UN darüber zu informieren, der wiederum über eine Gefährdung der Unabhängigkeit des AP zu beraten hat und schließlich entscheiden muss, ob ggf. eine auftragsbegleitende Qualitätssicherung durch einen anderen AP durchzuführen ist.
Rn. 21
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Art. 5 der AP-VO kodifiziert ein Verbot der Erbringung sog. Nichtprüfungsleistungen, namentlich:
- (Bestimmte) Steuerberatungsleistungen,
- Leistungen, mit denen eine Teilnahme an der Führung oder an Entscheidungen des geprüften UN verbunden ist,
- Buchhaltung, Erstellung von RL-Unterlagen und Abschlüssen,
- Lohn- und Gehaltsabrechnung,
- Mitwirkung bei der Gestaltung oder Umsetzung interner Kontroll- und Risikomanagementverfahren mit Bezug zu finanziellen Informationen,
- Bewertungsleistungen,
- (bestimmte) juristische Leistungen,
- Interne Revision,
- (bestimmte) Leistungen im Zusammenhang mit der Finanzierung,
- (bestimmte) Leistungen im Zusammenhang mit Aktien, sowie
- (bestimmte) Personaldienstleistungen.
Vorstehende sog. Blacklist kann von den Mitgliedstaaten erweitert werden, wobei der deutsche Gesetzgeber davon i. R.d. AReG kein Gebrauch gemacht hat. Die in der Blacklist genannten Steuerberatungs- wie auch Bewertungsleistungen können von den Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen erlaubt werden. Hiervon hatte der deutsche Gesetzgeber im Zuge des AReG Gebrauch gemacht, indem § 319a Abs. 1 Nr. 2f. (a. F.) entsprechende Regelungen enthielten. Infolge der ...