Rn. 5

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Der Begriff "Unternehmen von öffentlichem Interesse" ist ursprünglich ein europarechtlicher Begriff, der i. R.d. Adressierung internationaler Bilanzskandale von der EU-KOM im Zuge der Überarbeitung der AP-R im Jahre 2006 neu eingeführt wurde. Dort findet sich in Art. 2 Nr. 13 der AP-R die Legaldefinition, die neben kap.-marktorientierten UN, Kreditinstituten und Versicherungs-UN auch solche UN umfasst, die etwa aufgrund der Art ihrer Tätigkeit, ihrer Größe oder der Zahl ihrer Mitarbeiter von erheblicher öffentlicher Bedeutung sind und insoweit vonseiten der Mitgliedstaaten als solche bestimmt wurden.

 

Rn. 6

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Die EU-KOM war der Auffassung, dass PIE stärker im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen und wirtschaftlich von so großer Bedeutung sind, dass für die AP ihres JA oder KA strengere Anforderungen gelten sollten (vgl. Erwägungsgrund (23) der AP-R).

 

Rn. 7

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So wurden erstmals in den Art. 39 bis 43 des Kap. X der AP-R besondere Bestimmungen für die AP von PIE formuliert. Diese speziellen Bestimmungen betrafen sowohl die geprüften UN (z. B. bezüglich der Verpflichtung zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses) als auch den AP i. A. (u. a. durch die Verpflichtung zur Erstellung eines Transparenzberichts sowie zu einer dreijährigen Qualitätssicherungsprüfung) und im Besonderen (zusätzliche Anforderungen zur Unabhängigkeit und Einführung der sog. internen Rotation).

 

Rn. 8

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Diese Notwendigkeit hat der deutsche Gesetzgeber damals ebenfalls gesehen und hat – im Vorgriff auf die europäische AP-R – diesen Grundgedanken bereits bei der Verabschiedung des Bilanzrechtsreformgesetzes (BilReG) vom 04.12.2004 (BGBl. I 2004, S. 3166ff.) im Jahre 2004 umgesetzt. Zu diesem Zweck wurde § 319a erstmals in das HGB eingeführt, der besondere Ausschlussgründe für AP von PIE bestimmt, ohne dabei den Begriff des Unternehmens von öffentlichem Interesse zu definieren.

 

Rn. 9

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Allerdings bezog sich die ursprüngliche Regelung des § 319a nur auf die AP eines UN, das einen organisierten Kap.-Markt i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG ((a. F.); derweil: § 2 Abs. 11 WpHG) in Anspruch nahm (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 9, 40ff.). Kreditinstitute, Versicherungs-UN und sonstige Finanzdienstleister wurden hingegen außen vorgelassen, da diese bereits einer besonderen Aufsicht unterlagen und somit kein weiterer Handlungsbedarf vorlag (vgl. BR-Drs. 326/04, S. 86f.). CRR-Kreditinstitute und Versicherungs-UN wurden erst im Zuge der Neufassung des § 319a durch das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) vom 10.05.2016 (BGBL. I 2016, S. 1142ff.) ergänzt (vgl. BT-Drs. 18/7219, S. 41).

 

Rn. 10

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Die Verschärfung der Regelungen zur gesetzlichen AP von PIE durch das FISG hat letztlich zur Aufhebung des § 319a geführt. Dieser Wegfall wurde i. R.d. Gesetzgebung zum Anlass genommen, den Begriff des Unternehmens von öffentlichem Interesse erstmals in § 316a zu definieren.

 

Rn. 11

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Die Legaldefinition orientiert sich am Regelungsinhalt des Art. 2 Nr. 13 der AP-R. Der Verweis auf § 264d erschwert zwar die Lesbarkeit der neuen Vorschrift, dient aber dem besseren Verständnis (vgl. BT-Drs. 19/26966, S. 60).

 

Rn. 12

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Der deutsche Gesetzgeber hat weiterhin darauf verzichtet, neben den kap.-marktorientierten UN, Kreditinstituten und Versicherungs-UN, weitere UN als PIE zu deklarieren.

 

Rn. 13

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Die überwiegende Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten hat hingegen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Während derzeit nur Spanien den PIE-Begriff auch auf alternative Börsenplätze ausweitet, beziehen viele Mitgliedstaaten auch weitere Finanzdienstleister mit ein. Auch staatliche UN sowie UN, die gewisse Größenkriterien überschreiten, werden vereinzelt zu den PIE gezählt. Dies führt dazu, dass zahlreiche Mitgliedstaaten mit kleineren Kap.-Märkten über deutlich mehr PIE verfügen als Deutschland ((derzeit etwa 1.100 UN, davon: 800 börsennotierte UN); vgl. Accountancy Europe (2017), S. 2ff.).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?