Prof. Dr. Christoph Hütten, Dr. Julia Zicke
Rn. 56
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Anforderungen an die freiwilligen (i. S. v. nicht durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorgeschriebenen) Formen der Publizität des JA finden sich in § 328 Abs. 2. Hierbei erfolgt eine Bezugnahme jedoch nur auf die Fälle, in denen der Abschluss nicht unverändert, sondern verkürzt oder anderweitig modifiziert publiziert wird (sog. modifizierte Publizität). Für diese Fälle will das Gesetz der Gefahr begegnen, dass der Adressat die modifizierten Informationen für einen unveränderten JA halten könnte. Zu beachten ist zudem, dass die Offenlegung nicht zur freiwilligen Publizität zählt, da sie immer gesetzlich bestimmt ist (vgl. Bonner HGB-Komm. (2022), § 328, Rn. 51). Gleiches gilt für die freiwillige Offenlegung eines IFRS-EA nach § 325 Abs. 2a, die zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber gesetzlich normiert ist. Außerdem wird der IFRS-EA explizit in § 328 Abs. 1 genannt.
Rn. 57
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Daraus, dass § 328 Abs. 2 allein die modifizierte Publizität regelt, lässt sich keinesfalls ableiten, dass eine freiwillige Veröffentlichung oder Vervielfältigung des unveränderten JA (originalgetreue Publizität) nicht zulässig sei. Vielmehr verzichtet § 328 Abs. 2 lediglich deshalb auf die Erwähnung dieser Variante, da sie einer analogen Anwendung des Abs. 1 unterliegt (vgl. so auch MünchKomm. HGB (2020), § 328, Rn. 27).
Rn. 58
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Somit besteht i. R.d. freiwilligen Publizität ein Wahlrecht, den JA unverändert, also originalgetreu, oder aber verkürzt bzw. anderweitig modifiziert wiederzugeben. Je nachdem, wie dieses Wahlrecht ausgeübt wird, sind entweder die Anforderungen des § 328 Abs. 1 oder aber die des § 328 Abs. 2 zu beachten.
Übersicht: Varianten der freiwilligen Publizität
Rn. 59
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Damit wird auch klar, wo der Trennstrich zwischen originalgetreuer und modifizierter Publizität zu ziehen ist. Mit den aus § 328 Abs. 1 Satz 1f. abzuleitenden Anforderungen (vgl. HdR-E, HGB § 328, Rn. 24ff.) wird der Rahmen der originalgetreuen Publizität eindeutig abgesteckt. Jede Wiedergabe des JA, die diesen Anforderungen nicht genügt, ist der modifizierten Publizität zuzurechnen, jede diese Anforderungen beachtende Publizität ist originalgetreu.
Rn. 60
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Zur weiteren Abgrenzung der modifizierten Publizität gilt es festzustellen, ob jede unvollständige Darstellung von Informationen aus dem JA unter § 328 Abs. 2 fällt oder ob dies nur ab einer bestimmten Informationsfülle der Fall ist. Nach hier vertretener Ansicht ist in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut von einer Einschlägigkeit des § 328 Abs. 2 nur auszugehen, wenn tatsächlich der JA wiedergegeben wird, d. h., wenn die dargestellten Informationen zusammen genommen den Eindruck eines (ggf. stark verkürzten) Abschlusses erwecken. Nur dann greift der Schutzzweck des § 328 Abs. 2, weil nur dann die Gefahr besteht, dass die Adressaten die ihnen vorliegenden Informationen für einen vollständigen JA halten könnten.
Rn. 61
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Damit ist § 328 Abs. 2 nicht einschlägig, wenn lediglich einzelne Kennzahlen aus dem JA genannt werden (vgl. so auch KK-AktG (1991), § 328 HGB, Rn. 10; einschränkend ADS (2000), § 328, Rn. 82). Selbst eine verkürzte Darstellung einzelner Rechenwerke des JA (v.a. Bilanz und GuV) dürfte noch nicht den Eindruck eines JA vermitteln und damit nicht unter § 328 Abs. 2 fallen. Dagegen sind der modifizierten Publizität alle Darstellungen eines JA zuzurechnen, in die nicht im Original enthaltene Informationen integriert oder in denen Angaben verändert wurden. Nicht in den Anwendungsbereich einbezogen sind jedoch Informationen durch Dritte sowie UN-interne Vervielfältigungen (vgl. MünchKomm. HGB (2020), § 328, Rn. 28).