Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. David Markworth
Rn. 21
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
In formeller Hinsicht verlangt § 315 Satz 2 AktG einen Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den Schwellenwert des § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG, d. h. mindestens 1 % des Grundkap. oder den anteiligen Betrag von 100.000 EUR, erreichen. Das gesetzliche Quorum, auf das in § 315 Satz 1 AktG aufgrund der engen tatbestandlichen Fassung des Antragsrechts verzichtet werden konnte, soll davor schützen, dass querulatorische oder missbräuchliche Verfahren eingeleitet und erhebliche Kosten verursacht werden. Es bildet damit das notwendige Korrektiv für die generalklauselartige Tatbestandsfassung des § 315 Satz 2 AktG. Gesellschaftsgläubiger sind nach h. M. nicht antragsbefugt (vgl. nur KonzernR (2022), § 315 AktG, Rn. 7).
Rn. 22
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Bei der Berechnung des Quorums kommt es ausschließlich auf den Nennbetrag der Aktien an. Die Höhe des eingezahlten Kap. ist ohne Belang (vgl. zum Parallelproblem bei § 142 AktG MünchKomm. AktG (2022), § 142, Rn. 105ff.; MünchKomm. AktG (1973), § 142, Rn. 21). Stamm- und Vorzugsaktien werden bei der Ermittlung des Quorums gleichermaßen mitgerechnet (vgl. KonzernR (2022), § 315 AktG, Rn. 11). Folgerichtig sind die stimmrechtslosen Vorzüge auch bei der Berechnung des Grundkap. mit einzubeziehen (vgl. AktG-Komm. (2020), § 142, Rn. 39; KK-AktG (2014), § 142, Rn. 231). Trotz des Wortlauts des § 315 Satz 2 AktG, der aus Gründen sprachlicher Vereinfachung von "Aktionären" spricht, kann die antragsberechtigte Minderheit auch von einem einzigen Aktionär repräsentiert werden, wenn dessen Anteile den Schwellenwert erreichen. Schwierigkeiten ergeben sich bei den verschiedenen Formen der mittelbaren Beteiligung. Die dort entstehenden Zuordnungsprobleme sind von anderen Individual- und Minderheitsrechten bekannt; für ihre Lösung gelten die i. R.d. allg. Sonderprüfung dargestellten Grundsätze. Pfandgläubiger und Entleiher sind nicht antragsberechtigt; Inhaberschaft an den Aktien und Antragsbefugnis verbleiben in den Händen des Verpfänders und Verleihers (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 142, Rn. 23). Auch dem Nießbraucher kommt kein eigenes Antragsrecht zu; Praktikabilitätsgründe sprechen dafür, das Antragsrecht ausschließlich dem Gesellschafter zuzuweisen und den Nießbraucher auszuschließen (sehr strittig; vgl. abweichend MünchKomm. AktG (1973), § 142, Rn. 23; wie hier hinsichtlich des Stimmrechts beim Anteilsnießbrauch BGH, Urteil vom 09.11.1998, II ZR 213/97, NJW 1999, S. 571; eingehend Schmidt (2014), S. 605).
Rn. 23
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Antragsteller müssen – angelehnt an die Regelung in § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG – ferner glaubhaft machen, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Antragstellung Inhaber der Aktien waren. Dieser im RefE noch nicht vorgesehene Passus (vgl. RefE zur Änderung des Aktiengesetzes ("KonTraG"), ZIP 1996, S. 2129 (2138f.)) wurde auf Betreiben der Wirtschaftsverbände in den RegE (vgl. BT-Drs. 13/9712, S. 25) eingefügt (vgl. BDI, WM 1997, S. 490 (496)). Die Vorbesitzzeit soll verhindern, dass Aktien mit dem Ziel aufgekauft werden, eine Sonderprüfung zu beantragen. Zu ihrer Glaubhaftmachung genügen etwa Depotauszüge oder eine eidesstattliche Versicherung vor dem Notar (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 315, Rn. 20). Die Berechnung der Frist erfolgt nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB in der Weise, dass vom Tage des Antrags an bis zum Ablauf desjenigen Tages des dritten Monats zurückgerechnet wird, der durch seine Zahl dem Tage der Antragstellung entspricht. Vorbesitzzeiten werden dem Antragsteller gemäß § 70 AktG unter den dort genannten Voraussetzungen zugerechnet. Handelt es sich um die Neugründung einer AG, KGaA bzw. SE, die noch keine drei Monate zurückliegt, so genügt die Besitzzeit seit der Entstehung (vgl. zum Parallelproblem bei der allg. Sonderprüfung AktG-Komm. (2020), § 142, Rn. 45). Gleiches gilt für Aktien aus einer aktuellen Kap.-Erhöhung (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 142, Rn. 23; abweichend früher Staub (1921), § 266, Rn. 13).
Rn. 24
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
§ 315 Satz 2 AktG kennt kein Hinterlegungserfordernis (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 315, Rn. 20; BeckOGK-AktG (2022), § 315, Rn. 7; Hüffer-AktG (2022), § 315, Rn. 3b; a. A. vor Abschaffung des Hinterlegungserfordernisses in § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG noch OLG Hamm, Beschluss vom 29.06.2000, 15 W 69/00, NZG 2000, S. 1235 (1236)). Die Antragsteller müssen ihre Anteile bis zur Entscheidung über den Antrag, nicht dagegen bis zum Abschluss der Sonderprüfung halten (so die wohl h. M.; vgl. KonzernR (2022), § 315 AktG, Rn. 12; Hüffer-AktG (2022), § 315, Rn. 3b; KK-AktG (2004), § 315, Rn. 5; BeckOGK-AktG (2022), § 315, Rn. 7). Die Fortdauer des Aktienbesitzes bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ist ebenfalls nachzuweisen. Dabei reicht eine bloße Versicherung, die Aktien bis zur Beendigung des Verfahrens nicht zu veräußern, nicht aus. In Betracht kommt neben einer freiwilligen Hinterlegung eine Depotbescheinigung mit einem Sperrvermerk. Mö...