Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. David Markworth
Rn. 38
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Der i. R.d. konzernrechtlichen Sonderprüfung entsprechend anwendbare § 145 Abs. 6 Satz 1 AktG verpflichtet den Sonderprüfer zur schriftlichen Berichterstattung über das Prüfungsergebnis. Inhalt und Umfang des Sonderprüfungsberichts sind im Gesetz nicht näher umrissen. Allg. Berichtsgrundsätze lassen sich aber aus dem Berichtszweck herleiten. Ziel des Sonderprüfungsberichts ist es, die Antragsteller in die Lage zu versetzen, sich ein eigenes informiertes Bild von den Geschäftsbeziehungen im UN-Verbund zu machen, um ihnen das Tatsachenmaterial für eine Schadensersatzklage nach den §§ 317f. AktG an die Hand zu geben und die Erfolgschancen einer derartigen Klage zu beurteilen (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 315, Rn. 34). Daraus ergibt sich zwingend, dass der Prüfer keinen Ergebnis-, sondern einen Erläuterungsbericht vorlegen muss (vgl. ausführlich König (1970), S. 76ff., zur allg. Sonderprüfung). Er hat, wie es Art. 697e OR für das schweizerische Aktienrecht griffig formuliert, "einlässlich" über das Ergebnis seiner Prüfung zu berichten, darf sich also nicht auf einen Kurzkommentar beschränken. Gefordert wird eine detaillierte Berichtsausarbeitung, die andererseits auf eine geraffte und übersichtliche Darstellung aber nicht verzichten soll (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 145, Rn. 7; Schedlbauer (1984), S. 186). Das erforderliche Mittelmaß zu finden, erfordert von dem Sonderprüfer bisweilen ein beträchtliches Einfühlungsvermögen (vgl. WP-HB (2012/I), Rn. Q 1200).
Rn. 39
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Hinsichtlich der weiteren Leitlinien der Berichterstattung wird man sich an den Grundsätzen orientieren können, die sich in der berufsständischen Praxis für die Berichterstattung über AP herausgebildet haben (vgl. grundlegend König (1970), S. 80ff.; ebenso ADS (1997), §§ 142–146 AktG, Rn. 38; Noack, WPg 1994, S. 225 (234)). Dies sind die Grundsätze der Vollständigkeit, Wahrheit, Klarheit und Unparteilichkeit (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 8ff.; KK-AktG (2014), § 145, Rn. 94ff.). Unparteilichkeit (vgl. auch § 43 Abs. 1 Satz 2 WPO) bedeutet, dass sich der Sonderprüfer einer fairen Berichterstattung zu befleißigen und belastenden wie entlastenden Hinweisen mit derselben Gründlichkeit nachzugehen hat. Der Grundsatz der Klarheit (vgl. auch § 321 Abs. 1 Satz 2) verlangt eine verständliche und eindeutige Darlegung der berichtspflichtigen Tatsachen, die auf den Adressatenkreis des Prüfungsberichts Bedacht nimmt. Mit dem Grundsatz der Wahrheit soll gewährleistet werden, dass sich die Berichterstattung mit den tatsächlichen Erkenntnissen des Sonderprüfers deckt und keine falschen Eindrücke erweckt. Schwierigkeiten in der Tatsachenermittlung sowie Vermutungen sind offen zu legen. Der Grundsatz der Vollständigkeit, der gemäß § 403 AktG ebenso wie das Wahrheitsgebot unter Strafrechtsschutz steht, ist an dem Prüfungsauftrag zu messen: Der Sonderprüfer hat alles zu erwähnen, was im Hinblick auf seine Aufgabe von Bedeutung ist und zur Klärung des fraglichen Sachverhalts beitragen kann. Einschränkungen der Vollständigkeitsmaxime durch den bilanzrechtlichen Grundsatz der Materiality sind i. d. R. nicht angezeigt (vgl. zurückhaltend auch Noack, WPg 1994, S. 225 (234); dies gänzlich ablehnend BeckOGK-AktG (2022), § 145, Rn. 56; zur Gegenauffassung KK-AktG (2014), § 145, Rn. 99).
Rn. 40
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
I.R.d. zuvor entwickelten Leitlinien wird man dem Sonderprüfer neben einer Sachverhaltsdarstellung auch eine eigene Bewertung abverlangen können (vgl. ebenso ADS (1997), §§ 142–146 AktG, Rn. 42). Es liegt aber nicht an ihm, aus seiner Arbeit Empfehlungen für die außenstehenden Aktionäre abzuleiten oder einem Richterspruch im Schadensersatzprozess vorzugreifen: Der Sonderprüfer fällt keine Entscheidungen und greift weder gestaltend noch urteilend in die Verhältnisse der Gesellschaft ein (vgl. ausführlicher vgl. KK-AktG (2014), § 145, Rn. 106ff.; Schneider, AG 2008, S. 305 (306)).
Rn. 41
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Eindeutige Vorgaben enthält das Gesetz hinsichtlich der Berichterstattung über UN-schädliche Geschäftsvorgänge: Gemäß § 145 Abs. 6 Satz 2 AktG müssen auch Tatsachen in den Bericht aufgenommen werden, deren Bekanntwerden geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen UN einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, wenn ihre Kenntnis zur sachgerechten Beurteilung erforderlich ist. Damit hat der Gesetzgeber eine andere Gewichtung der Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft vorgenommen als im früheren Recht (vgl. zur Schutzklausel des § 121 Abs. 3 AktG 1937 näher MünchKomm. AktG (2022), § 145, Rn. 9). Es gilt der Grundsatz "alles Prüfen – alles Berichten", der auf der Grundüberzeugung beruht, dass ein Höchstmaß an Offenheit auch im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft und ihrer Anteilseigner liegt (vgl. Kropff (1965), S. 211f.). Immerhin ermöglicht das Merkmal der Erforderlichkeit punktuelle Einschränkungen: Der Sonderprüfer hat sorgfältig zu ergründen, ob die Erwähnung nachteiliger Vorgäng...