Prof. Dr. Michael Dusemond, Prof. Dr. Sabine Heusinger-Lange
Rn. 168
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Die Schwierigkeit der bilanziellen Einordnung von Genussrechtskap. ist hauptsächlich dadurch begründet, dass die Ausgestaltung der dem Genussrechtskap. zugrunde liegenden Konditionen keiner gesetzlichen Normierung unterliegt und deshalb weitestgehend von den Entscheidungen des UN bzw. des Genussrechtsempfängers abhängt. Genussrechte (vgl. zum Begriff, zu den bestehenden gesetzlichen Regelungen sowie zu den Ausgestaltungsmöglichkeiten HdR-E, HGB § 272, Rn. 228ff., m. w. N.), die v.a. von AG, KGaA, SE und GmbH begeben werden, gewähren zwar grds. keine mitgliedschaftlichen Rechte, sie können aber so ausgestaltet sein, dass sie Vermögensrechte beinhalten. Die Gestaltungsmöglichkeiten reichen demnach von einer Mindestverzinsung mit Ausschluss einer Verlustbeteiligung bis hin zu den Gesellschaftern völlig gleichgestellten Rechten am Jahreserfolg und am Liquidationserlös. Für die bilanzielle Behandlung bei dem UN, das das Genussrecht eingeräumt hat, ist in einem ersten Schritt entscheidend, wie der Berechtigte dieses Genussrecht erhalten hat.
Rn. 169
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Hat der Berechtigte das Genussrecht aufgrund einer für das UN besonderen Leistung – sozusagen als Entlohnung – erhalten, fehlt es an einer Kap.-Zuführung, die bei dem bilanzierenden UN zu erfassen wäre. Solche Genussrechtsgewährungen kommen häufig im Zusammenhang mit der Gründung oder der Erweiterung des UN vor, indem einer Person für ihre in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen ein Genussrecht gewährt wird, z. B. als Teil des Gründerlohns. Liegt ein solches Genussrecht vor, ist grds. kein Genussrechtskap. zu passivieren. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass dem Genussrechtsinhaber das Recht zusteht, dieses Genussrecht an das bilanzierende UN gegen Entgelt zurückzugeben. In diesem Fall liegt ein Genussrecht mit Verbindlichkeitscharakter vor.
Rn. 170
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Anders ist die Beurteilung im Fall eines Erwerbs des Genussrechts durch den Berechtigten. Wendet der Berechtigte einen bestimmten Betrag auf, um einen Anteil am Jahresergebnis zu erhalten, ähnelt das Genussrecht einer Vorzugsaktie ohne Stimmrecht (vgl. §§ 139ff. AktG). Beide Kap.-Beschaffungsinstrumente vermitteln dem Berechtigten grds. keine Möglichkeit, auf die Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen. Die Vorzugsaktie unterscheidet sich jedoch von einem Genussrecht dadurch, dass sie dem Berechtigten eine Beteiligung am gezeichneten Kap. vermittelt, d. h., der Inhaber einer Vorzugsaktie ist Aktionär (Kap.-Anteilseigner) im traditionellen Sinn, wobei lediglich die Einräumung der Gesellschaftsrechte in Abhängigkeit von der gesetzlichen Möglichkeit besonders ausgestaltet ist.
Die Ausgabe von Vorzugsaktien kann nur im Wege einer Erhöhung des gezeichneten Kap. mit den entsprechenden juristischen Konsequenzen (Satzungsänderung, Handelsregistereintragung etc.; vgl. §§ 182ff. AktG) erfolgen. Des Weiteren ist der Typus der Vorzugsaktie im Hinblick auf seine inhaltliche Ausgestaltung gesetzlich fixiert. Diese Fixierung beinhaltet u. a. Anwachsung eines Stimmrechts unter bestimmten Bedingungen (vgl. § 140 Abs. 2 AktG). Zwar ist die inhaltliche Ausgestaltung des Genussrechts nicht gesetzlich fixiert, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass eine Anwachsung des Stimmrechts wohl i. d. R. nicht vereinbart wird.
Die bilanzielle Behandlung des Betrags, den der Berechtigte aufgewendet hat, um die Genussrechte zu erhalten, hängt letztlich von den vereinbarten Konditionen ab. Die kontrovers geführte Diskussion, unter welchen Voraussetzungen das Genussrechtskap. im handelsrechtlichen JA als EK oder FK zu erfassen ist, hat durch die Stellungnahme 1/1994 des HFA eine Klarstellung erfahren. Danach kann – je nach Ausgestaltung der Genussrechte – eine unmittelbare Einstellung in das EK, eine Passivierung als FK oder eine erfolgswirksame Vereinnahmung in Betracht kommen (vgl. HFA 1/1994, WPg 1994, S. 419ff.).
Rn. 171
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Eine unmittelbare Einstellung des Genussrechtskap. in das EK ist stets geboten, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind (vgl. HFA 1/1994, WPg 1994, S. 419 (420f.), sowie die ausführliche Kommentierung in HdR-E, HGB § 272, Rn. 231ff.):
(1) |
Nachrangigkeit des Genussrechtskap.; |
(2) |
Erfolgsabhängigkeit der Vergütung sowie Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe; |
(3) |
Längerfristigkeit der Kap.-Überlassung. |
Nachrangigkeit unterstellt der HFA dann, wenn der Genussrechtsinhaber im Konkurs- oder Liquidationsfall einen Rückzahlungsanspruch erst nach Befriedigung aller anderen Gläubiger geltend machen kann (vgl. HFA 1/1994, WPg 1994, S. 419 (420)).
Die Erfolgsabhängigkeit der Vergütung muss gemäß HFA durch entsprechende Regelungen derart sichergestellt werden, dass keine Umgehungsmöglichkeiten bestehen; die "Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe" ist laut HFA dann erfüllt, wenn das Genussrechtskap. spätestens im Zeitpunkt seiner Rückzahlung in dem Umfang an den aufgelaufenen Verlusten teilnehmen muss, soweit ...