Prof. Paul Scharpf, Dr. Joachim Brixner
Rn. 84
Stand: EL 27 – ET: 04/2018
Für die Bilanzierung dieser Instrumente stellt sich die Frage, ob das betrachtete Instrument als Ganzes oder getrennt in seine einzelnen Bestandteile – Kassainstrument und Derivat(e) – zu bilanzieren ist. Der HFA hat mangels expliziter handelsrechtlicher Vorschriften mit IDW RS HFA 22 (2015) Regeln zu den mit diesen Instrumenten einhergehenden Bilanzierungsfragen veröffentlicht. Sinn und Zweck von IDW RS HFA 22 (2015) ist die adäquate Abbildung der in einem strukturierten Finanzinstrument enthaltenen Risiken (vgl. HdJ, Abt. I/13 (2014), Rn. 155).
Für den Fall, dass das strukturierte Produkt in seine einzelnen Finanzinstrumente zerlegt bilanziert werden muss, ist das (sind diese) eingebettete(n) Derivat(e) nach den für dieses (diese) geltenden Regeln bilanziell abzubilden.
Das HGB enthält mit Ausnahme der Regelung des § 272 Abs. 2 Nr. 2für Schuldverschreibungen mit Wandlungsrechten und Optionsrechten zum Erwerb von eigenen Anteilen des bilanzierenden Unternehmens keine speziellen Regelungen zur Bilanzierung strukturierter Finanzinstrumente. Somit ist die Bilanzierung solcher Finanzinstrumente aus den GoB abzuleiten (vgl. §§ 243 Abs. 1, 264 Abs. 2).
Strukturierte Finanzinstrumente weisen durch die Verbindung des Basisinstruments mit Derivaten im Vergleich zu anderen VG mit Forderungscharakter und Verbindlichkeiten besondere Chancen und Risiken auf. Die Komponenten eines strukturierten Finanzinstruments (Basisinstrument plus eingebettete(s) Derivat(e)) können nicht gesondert gehandelt werden.
Eine einheitliche bilanzielle Behandlung des Basisinstruments und des eingebetteten Derivats kann zu einer unzutreffenden Darstellung der wirtschaftlichen Lage im JA des Erwerbers/Gläubigers bzw. des Emittenten/Schuldners führen. Zum einen werden die besonderen Chancen und Risiken aus dem eingebetteten Derivat bei einem einheitlichen Ausweis der strukturierten Finanzinstrumente im JA nicht ersichtlich. Zum anderen kann die Behandlung als einheitliches Bewertungsobjekt zu einer Saldierung positiver und negativer Effekte aus einer unterschiedlichen Wertentwicklung von Basisinstrument und eingebettetem Derivat führen (vgl. IDW RS HFA 22 (2015), Rn. 7).
Um die VFE-Lage im handelsrechtlichen JA des Erwerbers/Gläubigers bzw. Emittenten/Schuldners i. S. d. §§ 243 Abs. 1 und 264 Abs. 2 zutreffend darzustellen, ist daher zu entscheiden, in welchen Fällen ein strukturiertes Finanzinstrument für die Bilanzierung als ein einheitlicher VG bzw. eine einheitliche Verbindlichkeit anzusehen ist und in welchen Fällen dessen Bestandteile (Basisinstrument und eingebettetes Derivat) getrennt zu bilanzieren sind.
Nach der im Handelsrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise hat sich die Entscheidung über die Aufspaltung eines strukturierten Finanzinstruments insbesondere daran zu orientieren, ob das strukturierte Finanzinstrument aufgrund des eingebetteten Derivats im Vergleich zum Basisinstrument wesentlich erhöhte oder zusätzliche (andersartige) Risiken oder Chancen aufweist (vgl. IDW RS HFA 22 (2015), Rn. 8).
Nach den vorstehenden Grundsätzen sind strukturierte Finanzinstrumente wegen ihrer rechtlichen Verbindung zu einer Einheit im JA des Erwerbers/Gläubigers grds. als einheitlicher VG und im JA des Emittenten/Schuldners grds. als einheitliche Verbindlichkeit zu bilanzieren (vgl. IDW RS HFA 22 (2015), Rn. 9).
Wenn strukturierte Finanzinstrumente jedoch durch das eingebettete Derivat im Vergleich zum Basisinstrument wesentlich erhöhte oder zusätzliche (andersartige) Risiken oder Chancen aufweisen, handelt es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung um zwei oder mehr Instrumente, die grds. getrennt voneinander zu bilanzieren sind (vgl. IDW RS HFA 22 (2015), Rn. 10). Dies ist bspw. bei CLN oder Asset Backed Securities (ABS) i. d. R. der Fall (vgl. IDW RS BFA 1 (2015), Rn. 9f., 21ff.).
Für die Beurteilung, ob strukturierte Finanzinstrumente beim Emittenten/Schuldner als einheitliche Verbindlichkeit zu behandeln sind oder ob sie in ihre Bestandteile zu zerlegen und diese separat anzusetzen und zu bewerten sind, sind die Grundsätze für die Bilanzierung strukturierter Finanzinstrumente beim Erwerber/Gläubiger entsprechend anzuwenden (vgl. IDW RS HFA 22 (2015), Rn. 22).
Kuhn/Hachmeister ((2015), Teil I, Rn. 222) sprechen sich für ein Wahlrecht dahingehend aus, dass soweit IDW RS HFA 22 (2015) keine getrennte Bilanzierung ausdrücklich vorschreibt, ein strukturiertes Finanzinstrument freiwillig in seine Bestandteile zerlegt bilanziert werden darf, wenn der Bilanzierende i. R.d. Risikosteuerung das entsprechend strukturierte Finanzinstrument in seine Komponenten zerlegt und z. B. durch individuelle Absicherungsgeschäfte steuert (vgl. so auch HdJ, Abt. I/13 (2014), Rn. 172) – zumal durch eine freiwillige Zerlegung und getrennte Bilanzierung der Bestandteile eine Kompensation der risikobedingten Wertänderungen von Basisinstrument und Derivat(en) vermieden wird.
Die Anhangangaben im Zusammenhang mit strukturierten Finanzinstru...