Dr. Wolfgang Knop, Dr. Peter Küting
Rn. 413a
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Die Bewertungskonzeption des beizulegenden Zeitwerts stellt in der RL in Deutschland kein Novum dar (vgl. zu den folgenden Ausführungen Böcking/Dreisbach/Gros, DK 2008, S. 207 (209f.), m. w. N.). Schon in der Vergangenheit fand sie in unterschiedlichem Ausmaß Eingang in die handels- und aktienrechtliche RL (vgl. zu einem historischen Überblick Kümmel (2002), S. 3ff.). Auch im Kontext deutscher Bilanztheorien wurde die Zeitwertbewertung ausführlich diskutiert (vgl. stellvertretend Baetge/Zülch, BFuP 2001, S. 543 (547f.), m. w. N.). Mit den zunehmenden Harmonisierungsbestrebungen auf dem Gebiet der RL und der steigenden Bedeutung der IAS/IFRS bzw. US-GAAP seit Ende der 1990er Jahre (vgl. etwa Ballwieser/Küting/Schildbach, BFuP 2004, S. 529ff.; sodann grundlegend wie ausführlich dazu Schildbach (2015), m. w. N.) gewann die kritische Diskussion über eine Bilanzierung zum beizulegenden Zeitwert bzw. Fair Value in Deutschland an Dynamik und fand in den Diskussionen im Vorfeld des BilMoG einen vorläufigen Höhepunkt (vgl. z. B. Siegel, BFuP 1998, S. 593ff.; Baetge/Zülch, BFuP 2001, S. 543ff.; Böcking/Lopatta/Rausch (2005), S. 83ff.; Schildbach (2006), S. 7ff.; mit explizitem Bezug auf das BilMoG Böcking/Dreisbach/Gros, DK 2008, S. 207 (211ff.); Bieg et al., DB 2008, S. 2549ff.; Böcking/Flick, DB 2009, S. 185ff.; Zülch/Hoffmann, DB 2009, S. 189f.).
Rn. 414
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
I.R.d. handelsrechtlichen RL i. d. F. des BilRiLiG gelangte der beizulegende Zeitwert nur implizit als Ausprägung des Vorsichts- bzw. Imparitätsprinzips bei der außerplanmäßigen AfA von VG des UV auf den niedrigeren Börsen- oder Marktpreis nach § 253 Abs. 3 (a. F.) zur Anwendung (vgl. ausführlich ADS (1995), § 253, Rn. 482ff.; im Übrigen Küting, StuB 2009, S. 829 (831f.); Bonner HGB-Komm. (2021), § 255, Rn. 335ff., HGB-PraxisKomm. (2020), § 255, Rn. 294, jeweils m. w. N.). Mit der partiellen Umsetzung der sog. Fair Value- ((2001/65/EG); ABl. EG, L 283/28ff. vom 27.10.2001) und Modernisierungs-R 2003/51/EG (ABl. EU, L 178/16ff. vom 17.07.2003) durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) vom 04.12.2004 (BGBl. I 2004, S. 3166ff.) wurden Angabepflichten bezüglich der beizulegenden Zeitwerte für derivative Finanzinstrumente sowie für zu den Finanzanlagen gehörende Finanzinstrumente, die über ihrem beizulegenden Zeitwert ausgewiesen wurden, normiert (vgl. §§ 285 Satz 1 Nr. 18f., 314 Abs. 1 Nr. 10f. (a. F.)). Der Gesetzgeber gab mit § 285 Satz 3ff. (a. F.) eine auf die genannten Angaben und damit auf Finanzinstrumente beschränkte Ermittlungshierarchie des beizulegenden Zeitwerts vor. Diese setzte – ähnlich den Regelungen der IFRS – den beizulegenden Zeitwert dem Marktwert gleich, sofern ein solcher ohne Weiteres festgestellt werden konnte. War dies nicht möglich, gelangten Bewertungsverfahren zur Anwendung, sofern diese eine Annäherung an den Marktwert gewährleisteten. Für den Fall, dass der beizulegende Zeitwert nicht bestimmt werden konnte, waren die Gründe hierfür offenzulegen (vgl. Pfitzer/Oser/Orth (2008), S. 98ff.; zu Auslegungsfragen IDW RH HFA 1.005 (2018), Rn. 1ff.; HdR-E, HGB §§ 284–288, Rn. 621ff.).