Rn. 67
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Ein Abhängigkeitsverhältnis i. S. d. § 17 AktG ist dann gegeben, wenn ein anderes (herrschendes) UN unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Nach dieser gesetzlichen Formulierung ist es nicht Tatbestandsvoraussetzung, dass das herrschende UN von seinen Einflussmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht. Zur Begründung der Abhängigkeit genügt vielmehr bereits die bloße Möglichkeit zur Herrschaft in der abhängigen Gesellschaft (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 17, Rn. 6; WP-HB (2021), Rn. C 91). Auch ist es unerheblich, ob die Absicht besteht, das andere UN zu beherrschen. "Erklärungen des herrschenden Unternehmens, keinen Einfluss nehmen zu wollen, sind daher unbeachtlich" (AktG-GroßKomm. (2017), § 17, Rn. 19). Eine Beherrschungsmöglichkeit ist dann gegeben, wenn das "herrschende Unternehmen über gesicherte rechtliche Möglichkeiten verfügt, dem abhängigen Unternehmen (besser: dessen Verwaltung) Konsequenzen für den Fall anzudrohen, dass das abhängige Unternehmen bzw. dessen Verwaltung dem Willen des herrschenden Unternehmens in Fragen der Personal-, Geschäfts- und Unternehmenspolitik nicht Folge leistet, so dass sich das abhängige Unternehmen letztlich dem Einfluss des herrschenden Unternehmens nicht zu entziehen vermag" (KonzernR (2019), § 17 AktG, Rn. 8 (Herv.d. d.Verf.)). Für die Annahme eines beherrschenden Einflusses genügt es demnach, dass ein maßgeblicher Einfluss auf die personelle Besetzung der Verwaltungsorgane besteht, weil in diesem Falle die Wahrscheinlichkeit des einflusskonformen Verhaltens der Organmitglieder (Wiederwahl etc.) sehr groß ist (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 17, Rn. 5; KonzernR (2019), § 17 AktG, Rn. 8; MünchKomm. AktG (2019), § 17, Rn. 27). Dabei ist die Sichtweise des abhängigen und nicht des herrschenden UN als Beurteilungsmaßstab heranzuziehen (vgl. HB-GesR (2020/IV), § 69, Rn. 38).
Rn. 68
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Nicht erforderlich ist, dass der beherrschende Einfluss sofort und jederzeit durchgesetzt werden kann (vgl. MünchKomm. AktG (2019), § 17, Rn. 12). Es genügt, wenn der beherrschende Einfluss mittelfristig unter Wahrung der gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten ausgeübt wird. Zu nennen ist hier v.a. die Möglichkeit eines mit Mehrheit beteiligten UN, über Wahlen zum AR oder die Bestellung anderer Vorstandsmitglieder die Personalpolitik eines UN zu dominieren und letztlich in den entscheidenden Punkten zu beeinflussen. "Besonderes Gewicht kommt hierbei dem Bereich der Finanzierung zu. Eine Gesellschaft, die nicht frei über ihre Mittel verfügen kann, ist abhängig" (KonzernR (2019), § 17 AktG, Rn. 10 (Herv.d. d.Verf.)). Für den Fall, dass keine Möglichkeit zur Bestellung der UN-Leitung besteht, wird jedoch eine allumfassende Abhängigkeit gefordert. Dabei muss sich der beherrschende Einfluss wenigstens auf alle wichtigen Geschäftsbereiche erstrecken (vgl. MünchKomm. AktG (2019), § 17, Rn. 24).
Rn. 69
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Der Abhängigkeitstatbestand setzt nicht voraus, dass die Beherrschungsmöglichkeit eine bestimmte Mindestdauer aufweist, also kontinuierlich besteht (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 17, Rn. 7; BeckOGK-AktG (2021), § 17 AktG, Rn. 20). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob in dem Zeitraum der Beteiligung ein HV-Termin mit AR-Wahl fällt (vgl. AktG-GroßKomm. (2017), § 17, Rn. 21). "Der Abhängigkeitsbegriff enthält daher keinen Zeitfaktor" (KK-AktG (2011), § 17, Rn. 25). Der herrschende Einfluss sollte allerdings auf einer ausreichend sicheren Grundlage stehen. Nur gelegentliche oder zufällige Möglichkeiten der Einflussnahme genügen nicht (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 17, Rn. 7), ebenso wenig die fallweise, aber nicht gesicherte Mitwirkung Dritter, um eine Mehrheit innezuhaben. Damit wird eine gewisse Beständigkeit der Einflussnahme vorausgesetzt, d. h., sie muss verlässlich sein, nicht jedoch kontinuierlich, denn auf eine Mindestdauer kommt es nicht an.
Dies gilt z. B. für eine vorübergehende, zur Weiterveräußerung bestimmte Beteiligung einer Bank. Auch wenn die Beteiligung nicht auf Dauer angelegt ist, wird ein beherrschender Einfluss zu bejahen sein (vgl. KK-AktG (2011), § 17, Rn. 39). Wohl ist es richtig, dass der Beteiligungshandel für Banken eine weit größere Rolle spielt als für Nichtbanken. Da aber Außenstehende einschließlich der Organmitglieder einer Beteiligungsgesellschaft nicht darüber informiert sind, ob die Beteiligung veräußert wird oder nicht, hält Koppensteiner eine Sonderbehandlung des Beteiligungsbesitzes von Banken i. R.d. Abhängigkeit für unbegründet (vgl. KK-AktG (2011), § 17, Rn. 38). Anders liegt der Fall, wenn die Bank die Aktien aus einer Kap.-Erhöhung übernommen hat, um sie den Aktionären anzubieten. Während der Zeit des Bezugsrechts ist die Bank nicht als beherrschendes UN anzusehen (vgl. WP-HB (2021), Rn. C 93).