Prof. Dr. Christoph Hütten, Dr. Julia Zicke
Rn. 24
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
§ 328 Abs. 1 enthält Formvorschriften, die bei der Pflichtpublizität und damit insbesondere bei der Offenlegung zu beachten sind und die sich mit Abweichungen zwischen den zur Offenlegung verwendeten Fassungen und den jeweiligen Originalen der entsprechenden Unterlagen befassen. Die Frage, ob i. R.d. Offenlegung tatsächlich Originale oder beglaubigte Abschriften einzureichen bzw. zu übersenden sind, war bereits mit der Umstellung auf eine elektronische Führung des BAnz i. R.d. EHUG und der elektronischen Einreichung der Unterlagen bei diesem hinfällig geworden und spielt auch nach der durch das DiRUG eingeführten elektronischen Übermittlung an das UN-Register keine Rolle mehr (vgl. zur Diskussion vor dem EHUG u. a. Hütten (2000), S. 50; HB-RP (1995), § 328 HGB, Rn. 7).
Rn. 25
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Anforderung des § 328 Abs. 1 ist in ihrer Formulierung denkbar ungenau. Gefordert wird, dass die (teilweise) offengelegten oder anderweitig aufgrund von Gesetz oder Gesellschaftsvertrag bzw. Satzung publizierten Versionen der offenzulegenden Unterlagen den "für ihre Aufstellung maßgeblichen Vorschriften entsprechen" (Satz 1) und "in diesem Rahmen vollständig und richtig" (Satz 2) sein müssen.
Rn. 26
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Eine allein auf diesen Wortlaut abstellende Auslegung könnte zu dem Ergebnis kommen, dass § 328 Abs. 1 Satz 1 lediglich sicherstellen will, dass die publizierten Abschlüsse unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften aufgestellt wurden und dabei v.a. das Vollständigkeitsgebot sowie die Generalnorm des § 264 Abs. 2 Satz 1 Beachtung fanden. Damit wäre es u. a. zulässig,
- in der publizierten Version des JA Wahlrechte und Ermessensspielräume anders auszuüben als in der (Original-)Fassung, die in Erfüllung der gesetzlichen Aufstellungspflicht erstellt und ggf. festgestellt sowie der AP unterworfen wurde,
- in der Originalfassung enthaltene Fehler – unabhängig von ihrer Bedeutung – nicht in die publizierte Version zu übernehmen, sondern zu korrigieren.
"Dies würde in der nicht akzeptablen Situation münden, dass dem Adressaten u. U. die Mängel, die zu einer Einschränkung oder Versagung des Testats des Abschlussprüfers geführt haben, nicht zur Kenntnis gelangen" (Hütten (2000), S. 148; vgl. ähnlich auch ADS (2000), § 328, Rn. 29). Außerdem würde eine solche Auslegung dem Gesetzgeber unterstellen, dass er mit § 328 von den entsprechenden Bestimmungen der 4. EG-R (nunmehr: Bilanz-R) bewusst abgewichen ist. Diese fordert(e) nämlich in Art. 48 (bzw. derweil: Art. 32 Abs. 1), dass der JA "in der Form und mit dem Wortlaut wiederzugeben [ist, d.Verf.], auf deren Grundlage die mit der Abschlußprüfung beauftragte Person ihren Bericht erstellt hat".
Rn. 27
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Für eine bewusst unvollständige Umsetzung von Art. 48 der 4. EG-R (bzw. Art. 32 Abs. 1 der Bilanz-R) gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist dem Gesetzgeber zu unterstellen, mit § 328 Abs. 1 Satz 1 – entsprechend der EU-Vorgaben sowie dem § 328 vorausgehenden § 178 AktG 1965 – die Identität der Wiedergabe der offenzulegenden Unterlagen mit dessen Originalfassung sicherstellen zu wollen.
Rn. 28
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Angesichts dessen muss § 328 Abs. 1 Satz 1 dahingehend interpretiert werden, dass die Wiedergabe eines JA i. R.d. durch Gesetz oder Gesellschaftsvertrag bzw. Satzung vorgeschriebenen Publizität folgende Anforderungen erfüllen muss:
(1) |
Der dargestellte Abschluss hat i. d. S. vollständig zu sein, dass er alle Bestandteile und Angaben umfasst, die auch in der Originalfassung (vgl. HdR-E, HGB § 328, Rn. 23) enthalten sind. Weder Komponenten noch einzelne Angaben dürfen – soweit nicht explizit durch gesetzliche Bestimmung erlaubt – weggelassen, gekürzt oder zusammengefasst werden, selbst wenn dies die Übersichtlichkeit des Abschlusses erhöhen würde. Dies gilt auch für solche Angaben, die nicht in Erfüllung gesetzlicher Anforderungen, sondern freiwillig in den Abschluss aufgenommen wurden. Auch Verlagerungen von Angaben aus einer Abschlusskomponente in eine andere (z. B. aus der Bilanz in den Anhang) sind nicht zulässig. |
Rn. 29
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
(2) |
Der Abschluss darf nicht um Komponenten oder Angaben erweitert werden, die in der Originalfassung nicht enthalten sind. Dies schließt nicht aus, dass der Abschluss zusammen mit weiteren Angaben und Ausführungen (z. B. im Geschäftsbericht) veröffentlicht wird. Allerdings ist dann sicherzustellen, dass für jede Angabe und Ausführung zweifelsfrei deutlich wird, ob sie zum Abschluss gehört oder nicht. Üblicherweise wird sich dies durch eine räumliche Trennung, durch eindeutige Überschriften und Bezeichnungen sowie durch eine entsprechende äußerliche Gestaltung (z. B. Papierfarbe bei Druckberichten oder Hintergrundfarbe bei Onlineberichten) erreichen lassen (vgl. auch Beck Bil-Komm. (2022), § 328 HGB, Rn. 26). Zwingend ist der Einsatz bestimmter Maßnahmen jedoch nicht. So kann auch die räumliche Trennung dann nicht verlangt werden, ... |