Rn. 40
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Der Begriff Rechtsgeschäft bezeichnet im Zivilrecht die auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete Willenserklärung, an die die Rechtsordnung den Eintritt des in ihr bezeichneten Erfolgs knüpft. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 312 Abs. 1 Satz 3 AktG, wonach bei Rechtsgeschäften Leistung und Gegenleistung angegeben werden muss, wurde teilweise gefolgert, dass sich die Berichtspflicht insoweit nur auf gegenseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte erstreckt. Dem ist zu Recht entgegengehalten worden, dass einem solchen Verständnis der Zweck des Abhängigkeitsberichts, alle Rechtsgeschäfte mit Verbund-UN zu erfassen, bei denen eine nach § 311 Abs. 1 AktG tatbestandsmäßige und möglicherweise zur Ausgleichspflicht führende Benachteiligung der Gesellschaft nicht ausgeschlossen ist, ohne dass es dabei auf die zusätzlichen Kriterien "Veranlassung" oder "im Interesse" ankommt, entgegensteht (vgl. ADS (1997), § 312 AktG, Rn. 41; Beck Bil-Komm. (2020), § 289 HGB, Rn. 391; Hüffer-AktG (2021), § 312, Rn. 13; KK-AktG (2004), § 312, Rn. 43; MünchKomm. AktG (2020), § 312, Rn. 82). So können Verträge, die die Gesellschaft einseitig verpflichten, Verfügungsgeschäfte zu ihren Lasten, aber auch unvollkommen zweiseitige Verträge, wie z. B. die unentgeltliche Übernahme einer Geschäftsbesorgung, nicht minder nachteilig sein als gegenseitig verpflichtende Verträge mit unzureichender Gegenleistung. Im Hinblick darauf ist der Umstand, dass § 312 Abs. 1 AktG bei Rechtsgeschäften die Angabe von Leistung und Gegenleistung verlangt, nicht als Beschränkung des Begriffs Rechtsgeschäft auf gegenseitige Verträge zu verstehen, sondern dahingehend, dass nach Maßgabe des Möglichen über Leistung und Gegenleistung zu berichten ist (vgl. ADS (1997), § 312 AktG, Rn. 41; Beck Bil-Komm. (2020), § 289 HGB, Rn. 397; KK-AktG (2004), § 312, Rn. 73).
Rn. 41
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Eine Einengung des aktienrechtlichen Rechtsgeschäftsbegriffs auf (obligatorische und/oder dingliche) Zuwendungsgeschäfte erscheint ebenfalls nicht sachgerecht; vielmehr sind auch solche Rechtsgeschäfte unter diesem Begriff zu erfassen, die keine unmittelbare Vermögensverschiebung beinhalten, wie z. B. Unterlassungsverpflichtungen (vgl. ADS (1997), § 312 AktG, Rn. 41a; Beck Bil-Komm. (2020), § 289 HGB, Rn. 392; KK-AktG (2004), § 312, Rn. 44).
Rn. 42
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Ob auch Gestaltungserklärungen (Kündigung, Widerruf, Rücktritt, Anfechtung, Aufrechnung) als Rechtsgeschäfte i. S. d. §§ 311ff. AktG anzusehen sind, ist umstritten. Als Argument gegen die Einbeziehung von Gestaltungserklärungen unter den aktienrechtlichen Rechtsgeschäftsbegriff wird – neben dem nicht überzeugenden Argument des Wortlauts des Gesetzestexts ("mit") (vgl. wie hier ADS (1997), § 312 AktG, Rn. 41a; KK-AktG (2004), § 312, Rn. 45) – vorgebracht, dass es sachgemäßer sei, Gestaltungserklärungen als "Maßnahme" i. S. d. §§ 311ff. AktG zu erfassen, weil die hierfür vorgesehenen weitergehenden Angabepflichten (Angabe der Gründe für die "Maßnahme" sowie der Vor- und Nachteile) bei Gestaltungserklärungen aussagekräftiger seien, da den Gestaltungserklärungen gerade keine vertraglich vereinbarten Gegenleistungen gegenüberstünden. Indes erscheint es sachgerechter, auch Gestaltungserklärungen als Rechtsgeschäft i. S. d. §§ 311ff. AktG aufzufassen (vgl. ebenso ADS (1997), § 312 AktG, Rn. 41a; Hüffer-AktG (2021), § 312, Rn. 13; KK-AktG (2004), § 312, Rn. 45; MünchKomm. AktG (2020), § 312, Rn. 84). Jedenfalls soweit die Gestaltungserklärung gegenüber Verbundmitgliedern vorgenommen wurde, wird damit die Aufnahme in den Abhängigkeitsbericht erreicht, ohne dass es zusätzlich noch auf das Kriterium der "Veranlassung" oder des "Interesses" ankommt. Ungeachtet dessen kommt eine Pflicht zur zusätzlichen Erläuterung durch Angabe von Gründen für die Gestaltungserklärung sowie von Vor- und Nachteilen in Betracht, wenn eines dieser beiden Kriterien erfüllt ist.