Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
Rn. 119
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Die sachliche Abgrenzung des schwebenden Geschäfts bei Dauerschuldverhältnissen ist gleichbedeutend mit der Frage, welche Leistungsverpflichtungen (und -ansprüche) in den Saldierungsbereich zur Ermittlung eines etwaigen drohenden Verlusts aus dem betr. Schuldverhältnis einzubeziehen sind. Ausgehend vom Zweck der Drohverlustrückstellung, Verpflichtungsüberschüsse aus gegenseitigen Verträgen offen zu legen (vgl. Kammann, E. 1988, S. 290ff.; Kessler, H. 1994, S. 567ff.), kann als zentrale Bedingung für die Einbeziehung von Leistungspflichten in den Saldierungsbereich deren wechselseitige Verknüpfung nach dem Prinzip des "do ut des" formuliert werden. Danach sind nur solche Pflichten der Vertragspartner dem schwebenden Geschäft zuzurechnen, die im Verhältnis der Gegenseitigkeit zueinander stehen (vgl. Fumi, H.-D. 1991, S. 55).
Rn. 120
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Das nach dieser Formel abgegrenzte schwebende Geschäft ist regelmäßig nicht identisch mit der Gesamtheit der aus einem Dauerschuldverhältnis resultierenden Ansprüche und Verpflichtungen. Oftmals stehen nur einzelne der aus einem gegenseitigen Vertrag hervorgehenden Pflichten der einen Vertragspartei zu denen der anderen im Verhältnis der Gegenseitigkeit, während andere einseitiger Natur sind und keinen Bezug zu einer Gegenleistung aufweisen. Wann ein solches Gegenleistungsverhältnis (vertragliches Synallagma) vorliegt und wann nicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbes. von den Abreden der Parteien, ab und ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Palandt 2014, Einf. v. § 320 BGB, Rn. 16f.). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Haupt- oder Nebenleistungspflichten handelt.
Rn. 121
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Bei Mietverträgen etwa umfasst das vertragliche Synallagma die Verpflichtung des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung der Mietsache sowie die Verpflichtung des Mieters zur Zahlung des Mietzinses (vgl. Palandt 2014, Einf. v. § 535 BGB, Rn. 81ff.). Entspr. gilt für Pachtverträge, wobei hier zur Überlassungspflicht des Verpächters die Pflicht zur Gewährung des Genusses der Früchte des verpachteten Gegenstands hinzutritt (vgl. Palandt 2014, § 581 BGB, Rn. 7ff.). Demgegenüber steht die Verpflichtung zur Rückgabe der Miet- oder Pachtsache nach Beendigung des Dauerschuldverhältnisses als Abwicklungsverpflichtung außerhalb des Gegenseitigkeitsverhältnisses. Da diese vertraglichen Pflichten mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden können, sind aus bilanzieller Sicht all diejenigen Leistungsverpflichtungen in den Saldierungsbereich eines schwebenden Mietvertrags (Pachtvertrags) einzubeziehen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung als Bestandteil der Überlassungsverpflichtung des Vermieters (Verpächters) oder als Bestandteil der mit dieser synallagmatisch verknüpften Mietzinsverpflichtung (Pachtzinsverpflichtung) des Nutzungsberechtigten anzusehen sind (vgl. Kessler, H. 1992, S. 234ff.). Dazu gehören u. a. die Instandhaltungsverpflichtung des Vermieters wie auch die Verpflichtung des Pächters zur Erneuerung unbrauchbar gewordener Teile. Eine andere Beurteilung ergibt sich für Wiederauffüllungs-, Rekultivierungs- oder Entfernungsverpflichtungen. Diese Pflichten des Pächters stellen im Gegensatz zur Erneuerungsverpflichtung keine Gegenleistung für die Überlassung der Pachtsache dar. Sie sind vielmehr wirtschaftlich als Bestandteil der Rückgabepflicht zu begreifen und damit bilanziell nach den Passivierungsgrundsätzen für einseitige Schulden zu beurteilen (vgl. Woerner, L. 1985, S. 187f.).
Rn. 122
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Auch bei der Abgrenzung des Saldierungsbereichs von Arbeitsverhältnissen (vgl. Fumi, H.-D. 1991, S. 95ff.) ist danach zu fragen, welche Verpflichtungen der Arbeitgeber eingeht, um die Arbeitsleistung des AN zu erhalten. Bestandteil des gegenseitigen Austauschverhältnisses ist danach in jedem Fall die Verpflichtung zur Zahlung des vereinbarten Arbeitsentgelts. Sie umfasst neben dem fortlaufend zu entrichtenden Arbeitslohn auch Weihnachtsgelder, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen, Tantiemen u. Ä. Darüber hinaus können bestimmte Sozialverpflichtungen dem schwebenden Geschäft zuzurechnen sein, soweit sie auf den Erwerb oder den Erhalt der Arbeitsleistung des AN gerichtet sind. Aus der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses erwachsende Leistungen des Arbeitgebers sind im Gegensatz dazu als selbstständige, vom Austauschverhältnis losgelöste Verpflichtungen zu behandeln. Dies gilt bspw. für Vorruhestands- und Sozialplanverpflichtungen sowie für die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen an den Pensions-Sicherungsverein (vgl. Herzig, N. 1988, S. 221).
Rn. 123
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Ungeachtet dieser Orientierung am vertraglichen Synallagma darf die Abgrenzung des Saldierungsbereichs von Dauerschuldverhältnissen nicht ausschließlich nach formal-juristischen Gesichtspunkten erfolgen. Nicht selten wird ein wirtschaftliches Austauschverhältnis zwischen zwei Parteien nur unzureichend durch die Rechte und Pfli...