Dr. Eberhard Mayer-Wegelin
Rn. 20
Stand: EL 23 – ET: 07/2016
Wie der Wortlaut des § 256 zeigt, legt das Gesetz eine Fiktion zugrunde. Daraus ergibt sich, dass die i. R.d. Bewertung unterstellte Verbrauchsfolge nicht mit der tatsächlichen übereinstimmen muss (vgl. so auch ADS 1995, § 256, Rn. 15; Grottel/Krämer, in: Beck Bil-Komm. 2016, § 256, Rn. 16, 41; GEFIU 1990, S. 1977). Diese Aussage wird nur dadurch eingeschränkt, dass die Anwendung der Verbrauchsfolgeverfahren den GoB entsprechen muss. Auch wenn im Einzelfall eine andere Verbrauchsfolge praktiziert wird, ist die Lifo-Bewertung zulässig; es kommt nur darauf an, ob diese auch tatsächlich möglich wäre.
Rn. 20a
Stand: EL 23 – ET: 07/2016
Typische Anwendungsfälle sind Vermischungstatbestände im Rahmen der Produktion, z. B. bei der nichteisenmetallverarbeitenden Industrie oder bei Ersatzteillagern in Magazinen. Hier ist entweder die Verbrauchsfolge nicht nachvollziehbar oder das Festhalten der Verbrauchsfolge würde einen unverhältnismäßigen Aufwand mit sich bringen. Dies führt zu der Frage, ob die Verbrauchsfolgeverfahren noch anwendbar sind, wenn die tatsächliche Verbrauchsfolge in der Praxis doch ermittelt wird. So werden beim Einsatz IT-gestützter Systeme alle Waren in der Lagerbuchhaltung vom Eingang bis zum Ausgang nachvollzogen. Dies erfolgt jedoch bei gleichen oder gleichartigen Waren nur stückzahlmäßig und nicht anhand individueller Merkmale. Daher kann ein Verbrauchsfolgeverfahren auch dann angewendet werden, wenn eine abweichende tatsächliche Verbrauchsfolge ermittelt wird, die Bewertung aber noch weitere Schritte erforderlich machen würde (vgl. so für die Lifo-Methode BMF 2015, S. 463 (dortige Rn. 5 ff.)); Herzig, N. 2014, S. 1756; Drüen, K.-D./Mundfortz, J. 2014, S. 2245; sodann Hildebrandt, M. 2011, S. 1999 ff.). Dies gilt auch bei Codierung von Rohstoffen sowie Halbfertig- und Fertigprodukten, da bei der Weiterverarbeitung zusätzliche HK für die Bewertung einbezogen werden, nicht aber bei der Codierung von Handelswaren, wenn dadurch die AK feststehen (vgl. BMF 2015, S. 463 (dortige Rn. 6)). Verlangt wird also, dass durch die Anwendung des Verbrauchsfolgeverfahrens eine – noch so geringe – Vereinfachung im Rahmen der Bewertung eintritt (vgl. hiergegen Adrian, G. 2015, S. 169). Damit ist auch die Anwendung der Lifo-Methode z. B. beim Handel mit Gebraucht-Pkw ausgeschlossen (vgl. so im Ergebnis auch BFH-Urt. v. 20.06.2000, BStBl. II 2001, S. 636). Sind Waren nach Vorschriften außerhalb des HR, z. B. nach Lebensmittelrecht, in besonderer Weise in der Lagerung zu verfolgen, so schließt dies nicht die Anwendung eines Verbrauchsfolgeverfahrens aus; dies gilt ebenso bei vorgeschriebenen Zertifizierungsverfahren (vgl. so für die Lifo-Methode BMF 2015, S. 463 (dortige Rn. 5)).
Eine Grenze ergibt sich dann, wenn ein Verbrauchsfolgeverfahren nicht denkbar ist, so bei VG, die am nächsten BilSt nicht mehr vorhanden sein können. Das ist z. B. der Fall bei Handelswaren mit individuellen Kennzeichen, die innerhalb eines Jahres regelmäßig abgehen oder bei Saisonbetrieben, wenn sämtliche Vorräte bei Saisonende verbraucht sind. Bei verderblicher Ware, die am nächsten BilSt nicht mehr vorhanden sein kann, aber durch gleichartige neue Waren ersetzt wird, ist die Anwendung eines Verbrauchsfolgeverfahrens strittig; die Finanzverwaltung lehnt die Anwendung der Lifo-Methode bei verderblichen Vorräten ab, die eine Haltbarkeit von weniger als zwölf Monaten haben (vgl. BMF 2015, S. 463 (dortige Rn. 9); zu Einzelheiten HdR-E, HGB § 256, Rn. 21 ff.).