Prof. Dr. Christoph Hütten, Prof. Dr. Peter C. Lorson
Rn. 17
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Nach § 265 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbsatz) kommen Abweichungen von der Darstellungsform des vorherigen JA nur in Frage, wenn sie "in Ausnahmefällen wegen besonderer Umstände [...] erforderlich sind." Notwendig sind damit kumulativ
- das Auftreten besonderer Umstände sowie
- das aus diesem Auftreten resultierende Erfordernis einer Änderung der Darstellungsform.
Nicht dem Stetigkeitsgrundsatz unterfallen hingegen Entscheidungen über Angaben, die einzelfallbezogen zu treffen sind. Hierzu gehört bspw. die Entscheidung, im Lagebericht zur künftigen Entwicklung quantitative oder qualitative Angaben zu machen.
a) Auftreten besonderer Umstände
Rn. 18
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Das Gesetz äußert sich nicht detailliert zur Abgrenzung der Umstände, die eine Änderung der Darstellungsform rechtfertigen. Durch die Formulierung "in Ausnahmefällen wegen besonderer Umstände" wird jedoch klargestellt, dass die Umstände derart besonders sein müssen, dass sie nur sehr selten auftreten. Alle Umstände, die sich üblicherweise häufig ändern, qualifizieren sich damit unabhängig von ihrer Bedeutung nicht als Grund für eine Durchbrechung der Darstellungsstetigkeit.
Rn. 19
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Besondere Umstände, die Anlass zu Stetigkeitsdurchbrechungen geben, können sowohl in den Rahmenbedingungen der durch die RL dargestellten UN-Tätigkeit als auch in den Rahmenbedingungen der RL selbst auftreten. Beispiele für solche Änderungen sind (vgl. auch ADS (1997), § 265, Rn. 20):
(1) |
Umstände in der UN-Tätigkeit:
- Änderung der rechtlichen Verhältnisse (z. B. Rechtsform, Kap.-Marktorientierung) des bilanzierenden UN,
- wesentliche Änderung des Leistungsspektrums des bilanzierenden UN,
- deutlich zu- oder abnehmende Internationalisierung des bilanzierenden UN, seiner Wettbewerber oder seines MU,
- Wechsel des MU bzw. von wesentlichen Gesellschaftern,
- Wechsel der Anteilsquoten an Beteiligungs-UN;
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(2) |
Umstände in der RL:
- Änderung einschlägiger RL-Vorschriften,
- Änderung in der Rspr. oder in Verlautbarungen von Fachgremien,
- Korrektur von Fehlern der VJ.
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b) Erfordernis einer Darstellungsänderung
Rn. 20
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Nicht jedes Auftreten besonderer Umstände rechtfertigt eine Durchbrechung der Darstellungsstetigkeit; vielmehr sind Abweichungen gegenüber dem VJ nur zulässig, wenn diese angesichts der Umstände "erforderlich sind" (§ 265 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbsatz)). Ein solches Erfordernis liegt nach hier vertretener Ansicht vor, wenn aufgrund der besonderen Umstände alternativ
(1) |
die bisherige Darstellung nicht mehr korrekt ist (z. B. Ausweis einer Forderung unter den Forderungen gegen verbundene UN, nachdem die Beteiligung am Schuldner veräußert wurde); |
(2) |
die bisherige Darstellung nicht mehr dem Erfordernis der Klarheit und Übersichtlichkeit (vgl. § 243 Abs. 2) genügt (z. B. Beibehaltung einer weitergehenden Aufgliederung eines Postens trotz deutlich gesunkener Bedeutung dieses Postens); |
(3) |
die Beibehaltung der bisherigen Darstellung für das bilanzierende UN einen unangemessenen (Mehr-)Aufwand bedeuten würde (z. B. Beibehaltung des GKV im JA nach einer vom MU angewiesenen Umstellung auf das UKV für Konzernzwecke). |
Rn. 21
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Durch die Einschränkung der Zulässigkeit von Durchbrechungen der Darstellungsstetigkeit auf zwingend erforderliche Fälle wird auch klargestellt, dass § 265 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbsatz) keine Wahlrechtsnorm darstellt. Treten daher besondere Umstände auf, die eine Darstellungsänderung erfordern, so hat das bilanzierende UN kein Recht, die bisherige Darstellung fortzuführen, sondern muss die Änderung zwingend vornehmen (vgl. so auch ADS (1997), § 265, Rn. 17; Beck Bil-Komm. (2020), § 265 HGB, Rn. 3).