Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
Rn. 127
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der Antragsgrund des § 318 Abs. 4 Satz 1 ist gegeben, wenn vor dem Ablauf des GJ kein AP gewählt worden ist. Maßgebliches Kriterium ist dabei allein die AP-Wahl und nicht der Abschluss des Prüfungsvertrags (vgl. ebenso ADS (2000), § 318, Rn. 403; Bonner HGB-Komm. (2022), § 318, Rn. 181). An der Wahl eines AP fehlt es dann, wenn die zuständigen Gesellschaftsorgane keinen AP gewählt haben oder der Wahlbeschluss unwirksam ist. Unwirksam ist die Wahl des AP dann, wenn der Wahlbeschluss gegen Gesetz oder Gesellschaftsvertrag verstößt (vgl. § 241 AktG, der für die GmbH analog anzuwenden ist; zur analogen Anwendung Altmeppen, GmbHR 2018, S. 225, m. w. N.). Zu den möglichen Gründen einer Nichtigkeit des Wahlbeschlusses verbleibt i.W. ein Verstoß gegen § 319 Abs. 1, wonach ein Verstoß gegen Befangenheitsgründe der §§ 319 Abs. 2, 319b oder des Art. 5 der AP-VO seit dem BilReG zu den gesetzlichen Ausschlussgründen gehört und nicht mehr zur Nichtigkeit des Wahlbeschlusses führt (vgl. Beck Bil-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 97; Bonner HGB-Komm. (2022), § 318, Rn. 182). Zudem kann eine erfolgreich angefochtene Wahl dazu führen, dass eine gerichtliche Bestellung des AP in Betracht kommt (vgl. MünchKomm. HGB (2024), § 318, Rn. 111).
Rn. 128
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der Antrag auf gerichtliche Bestellung wegen einer fehlenden AP-Wahl kann schon vor Ablauf des GJ gestellt werden. Zwar spricht der Wortlaut des § 318 Abs. 4 Satz 1 gegen eine Antragsstellung vor Ablauf des GJ (vgl. so z. B. Beck Bil-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 111; Haufe HGB-Komm. (2023), § 318, Rn. 72), allerdings kann eine Antragsstellung schon vor Ablauf des GJ sinnvoll sein, wenn bereits abzusehen oder sogar sicher ist, dass eine HV bzw. Gesellschafterversammlung bis zum Ende des GJ nicht mehr einberufen werden kann (vgl. Bonner HGB-Komm. (2022), § 318, Rn. 180; Staub: HGB (2023), § 318, Rn. 98; BilR-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 156; Hennrichs, WPg 2017, S. 482 (483)). Die gerichtliche Bestellung des AP darf aber nicht vor Ende des GJ erfolgen. Obwohl es im Interesse einer ordnungsgemäßen Durchführung einer AP liegt, dass schon vor Ende des GJ mit den Prüfungshandlungen begonnen werden kann, steht eine gerichtliche Bestellung vor Ende des GJ nicht im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes und widerspricht dem Vorrang der Bestellung durch die Gesellschaftsorgane (vgl. dazu HdR-E, HGB § 318, Rn. 122). Entsprechend kann sich ein vor Ablauf des GJ gestellter Antrag auf gerichtliche Bestellung durch die rechtzeitige Wahl des Prüfers erledigen.
Rn. 129
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Das Wahlrecht der zuständigen Gesellschaftsorgane endet indes nicht mit Ablauf des GJ, sondern erst mit der Bestellung des AP durch das Gericht (vgl. ebenso ADS (2000), § 318, Rn. 405; Haufe HGB-Komm. (2023), § 318, Rn. 72). Auch dann, wenn der AP erst nach Ablauf des GJ, aber vor der Antragstellung an das Gericht gewählt wird, liegt kein Grund für eine gerichtliche Bestellung des AP vor (vgl. ebenso ADS (2000), § 318, Rn. 404; Mellerowicz/Brönner (1970), § 163 AktG, Rn. 24; BilR-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 157). Eine gerichtliche Bestellung entfällt ebenfalls, wenn der Prüfer erst nach dem Antrag an das Gericht gewählt wird und die gesetzlichen Vertreter den Prüfungsauftrag erteilt haben, das Gericht in der Sache aber noch nicht entschieden hat (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 163 AktG, Rn. 34; BilR-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 157). Wird nach der gerichtlichen Entscheidung ein AP gewählt, ist der entsprechende Wahlbeschluss unwirksam.
Rn. 130
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Bestellt das Gericht einen AP in Unkenntnis der Tatsache, dass die Gesellschaftsorgane zwischenzeitlich selbst einen AP gewählt haben, wird der Wahlbeschluss der Gesellschaft deshalb nicht nichtig (vgl. Mellerowicz/Brönner (1970), § 163 AktG, Rn. 24; ebenso ADS (2000), § 318, Rn. 406; BilR-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 157), obwohl die Antragsteller verpflichtet sein dürften, nach erfolgter Wahl des AP den Antrag an das Gericht unverzüglich zurückzuziehen (vgl. ADS (2000), § 318, Rn. 406).
In diesem Fall sind zwei AP wirksam nebeneinander eingesetzt. Sollte dieser Fall eintreten, bestehen auf Ebene des UN die folgenden Handlungsmöglichkeiten:
- Solange der Prüfungsauftrag dem von den Gesellschaftsorganen gewählten AP nicht erteilt ist, kann das zuständige Wahlorgan den Wahlbeschluss rückgängig machen (vgl. ADS (2000), § 318, Rn. 407; KK-RLR (2011), § 318 HGB, Rn. 53).
- Hat der von den Gesellschaftsorganen gewählte AP den Prüfungsauftrag bereits angenommen, muss der vom Gericht bestellte AP den Prüfungsauftrag durchführen, da die Bestellung des gerichtlich bestimmten AP unanfechtbar ist (vgl. § 318 Abs. 4 Satz 4 (2. Halbsatz)). Im Schrifttum wird für diesen Fall vorgeschlagen, dass entweder der gerichtlich bestellte AP außerordentlich gekündigt wird (vgl. Staub: HGB (2023), § 318, Rn. 101, m. w. N.) oder dass die Gesellschaft die Bestellung in analoger Anwendung von § 318 Abs. 1 Satz 5 widerruft (vgl. ...