Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
Rn. 127
Stand: EL 08 – ET: 10/2010
Der Antragsgrund des § 318 Abs. 4 Satz 1 ist gegeben, wenn vor dem Ablauf des GJ kein AP gewählt worden ist. Maßgebliches Kriterium ist dabei allein die AP-Wahl und nicht der Abschluss des Prüfungsvertrags (ebenso ADS 1995, § 318, Rn. 403). An der Wahl eines AP fehlt es dann, wenn die zuständigen Gesellschaftsorgane keinen AP gewählt haben oder wenn der Wahlbeschluss unwirksam ist. Unwirksam ist die Wahl des AP dann, wenn der Wahlbeschluss gegen Gesetz oder Gesellschaftsvertrag verstößt (vgl. § 243 Abs. 1 AktG, der für die GmbH analog angewendet wird). Zu den möglichen Gründen einer Nichtigkeit des Wahlbeschlusses gehören neben Verstößen gegen die §§ 319, 319a und 319b nach der Rspr. des BGH (vgl. BGH-Urt. v. 25.11.2002, DB 2003, S. 383 ff.) auch Verstöße gegen § 318 Abs. 3 und § 323 Abs. 1 Satz 1 (vgl. HdR-E, HGB § 318, Rn. 81).
Rn. 128
Stand: EL 08 – ET: 10/2010
Der Antrag auf gerichtliche Bestellung wegen einer fehlenden AP-Wahl kann erst nach Ablauf des GJ gestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn bereits abzusehen oder sogar sicher ist, dass eine HV bzw. Gesellschafterversammlung bis zum Ende des GJ nicht mehr einberufen werden kann (ebenso ADS 1995, § 318, Rn. 401). Obwohl es im Interesse einer ordnungsgemäßen Durchführung einer Abschlussprüfung liegt, dass schon vor Ende des GJ mit den Prüfungshandlungen begonnen werden kann, steht eine Antragstellung vor Ende des GJ nicht in Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes und widerspricht dem Vorrang der Bestellung durch die Gesellschaftsorgane (vgl. dazu HdR-E, HGB § 318, Rn. 119).
Rn. 129
Stand: EL 08 – ET: 10/2010
Das Wahlrecht der zuständigen Gesellschaftsorgane endet indes nicht mit Ablauf des GJ, sondern erst mit der Bestellung des AP durch das Gericht (ebenso ADS 1995, § 318, Rn. 405; Claussen/Korth 1991, § 318, Rn. 52). Auch dann, wenn der AP erst nach Ablauf des GJ, aber vor der Antragstellung an das Gericht gewählt wird, liegt kein Grund für die gerichtliche Bestellung des AP vor (ebenso ADS 1995, § 318, Rn. 404; Brönner 1970, § 163 AktG, Rn. 24; Claussen/Korth 1991, § 318, Rn. 50). Die gerichtliche Bestellung entfällt ebenfalls, wenn der Prüfer erst nach dem Antrag an das Gericht gewählt wird und die gesetzl. Vertreter den Prüfungsauftrag erteilt haben, das Gericht in der Sache aber noch nicht entschieden hat (vgl. Kropff 1973, § 163 AktG, Rn. 34). Wird nach der gerichtlichen Entscheidung ein AP gewählt, ist der entspr. Wahlbeschluss unwirksam.
Rn. 130
Stand: EL 08 – ET: 10/2010
Bestellt das Gericht einen AP in Unkenntnis der Tatsache, dass die Gesellschaftsorgane zwischenzeitlich selbst einen AP gewählt haben, wird der Wahlbeschluss der Gesellschaft deshalb nicht nichtig (vgl. Brönner 1970, § 163 AktG, Rn. 24; ebenso ADS 1995, § 318, Rn. 406; Claussen/Korth 1991, § 318, Rn. 51), obwohl die Antragsteller verpflichtet sein dürften, nach erfolgter Wahl des AP den Antrag an das Gericht unverzüglich zurückzuziehen (vgl. ADS 1995, § 318, Rn. 406).
In diesem Fall sind zwei AP wirksam nebeneinander eingesetzt. Sollte dieser Fall eintreten, bestehen auf der Ebene des UN die folgenden Handlungsmöglichkeiten:
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Solange der Prüfungsauftrag dem von den Gesellschaftsorganen gewählten AP nicht erteilt ist, kann das zuständige Wahlorgan den Wahlbeschluss rückgängig machen (vgl. ADS 1995, § 318, Rn. 407; a. A. Claussen/Korth 1991, § 318, Rn. 27). |
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Hat der von den Gesellschaftsorganen gewählte AP den Prüfungsauftrag bereits angenommen, muss der vom Gericht bestellte AP den Prüfungsauftrag durchführen, da die Bestellung des gerichtlich bestimmten AP unanfechtbar ist (vgl. § 318 Abs. 4 Satz 4 2. Halbsatz). Im Schrifttum wird für diesen Fall vorgeschlagen, dass die Gesellschaft die Bestellung in analoger Anwendung von § 318 Abs. 1 Satz 5 widerruft (vgl. ADS 1995, § 318, Rn. 407). |
Die AP können auf die doppelte Einsetzung eines AP reagieren, indem einer von ihnen den Prüfungsauftrag ablehnt bzw. – soweit er ihn schon angenommen hat – ihn aus wichtigem Grund nach § 318 Abs. 6 kündigt. Keiner der AP ist indes zur Ablehnung des Prüfungsauftrags oder zur Kündigung aus wichtigem Grund verpflichtet.