Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Dirk Fey
a) § 243 Abs. 2 als Maßstab für eine hinreichende Aufgliederung
Rn. 53
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
§ 247 Abs. 1 fordert für alle buchführungspflichtigen Kaufleute, dass in der Bilanz die einzelnen Posten "hinreichend aufzugliedern" (Herv.d. d.Verf.) sind. Insofern wird hier ein Element der "Klarheit" spezifiziert. Im Bericht des Rechtsausschusses zum HGB 1985 wird als Maßstab für die hinreichende Aufgliederung der "in § 243 Abs. 2 niedergelegte Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit" (BT-Drs. 10/4268, S. 98) genannt. Zu fragen ist also, welche Sachverhalte in der Bilanz bzw. GuV zusammengefasst werden dürfen und welche getrennt ausgewiesen werden müssen, um die gesetzlich geforderte Aussagefähigkeit und Lesbarkeit von JA zu gewährleisten. Der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit muss also Ober- und Untergrenze der gesetzlich zulässigen Gliederungstiefe in JA v.a. der nicht offenlegungspflichtigen UN bestimmen.
b) Gliederung der Bilanz
Rn. 54
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Im Bericht des Rechtsausschusses heißt es zu § 247 Abs. 1, ein "vereinfachtes Gliederungsschema für alle Kaufleute" sei nicht in das Gesetz aufgenommen worden, "weil die Entscheidung über die Gliederung dem Kaufmann vorbehalten bleiben soll, der dabei die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu beachten hat" (BT-Drs. 10/4268, S. 98; vgl. hierzu auch Mundt (1990), S. 147 (151)). Damit sind alle Kaufleute hinsichtlich der Gliederung ihres JA in erster Linie an den in § 243 Abs. 2 kodifizierten Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit gebunden (vgl. IDW RS HFA 7 (2017), Rn. 41ff.).
Rn. 55
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Einen Anhaltspunkt für die Gliederungstiefe, die das Gesetz nach den GoB für hinreichend hält, geben zunächst die Vorschriften für KapG und ihnen gleichgestellte Gesellschaften, v.a. die §§ 265, 266, 268, da diese Vorschriften als Konkretisierung des Grundsatzes der Klarheit und Übersichtlichkeit anzusehen sind. Als Minimalgliederung (zulässige Untergrenze) könnte analog zu § 266 Abs. 1 Satz 3 die für die kleine KapG gemäß § 267 Abs. 1 zulässige "verkürzte Bilanz" betrachtet werden (vgl. Baumbach/Hopt (2021), § 247 HGB, Rn. 2; Federmann/Müller (2018) S. 598; WP-HB (2021), Rn. F 249; nicht so streng ADS (1995), § 243, Rn. 34ff.; Helmrich (1990), S. 13 (18), sowie v. a. Beck Bil-Komm. (2020), § 243 HGB, Rn. 56, wonach Einzelkaufleuten und reinen PersG allerdings empfohlen wird, ihrem JA stets freiwillig die Gliederung der §§ 266 und 275f., und sei es nur in der auch Kleinst-KapG zugestandenen verkürzten Fassung i. S. d. § 266 Abs. 1 Satz 4, zugrunde zu legen). Dafür sprechen zwei Gründe:
Erstens ist – vorbehaltlich einer etwaig in Betracht kommenden Mindestgliederung für Kleinst-KapG gemäß § 266 Abs. 1 Satz 4 für UN vergleichbarer Größe (vgl. so Haufe HGB-Komm. (2021), § 247, Rn. 11; Beck Bil-Komm. (2020), § 247 HGB, Rn. 5) – eine weitergehende Zusammenfassung von Bilanzposten grds. nicht vertretbar (vgl. Hoffmann, BB 1985, S. 630 (633)), weil die §§ 246 Abs. 2 Satz 1 (Saldierungsverbot) und 247 Abs. 1 (gesonderter Ausweis wesentlicher Postengruppen) auf die Absicht des Gesetzgebers hindeuten, eine extreme Aggregation zu verhindern. Zweitens kann eine stärkere Zusammenfassung von Posten einem Dritten nicht den in § 238 Abs. 1 geforderten Überblick über die Lage des UN vermitteln. § 238 Abs. 1 bezieht sich zwar lediglich auf die Buchführung, aber da man die "laufende Buchführung sicher nicht von der Erstellung des Jahresabschlusses trennen" (Helmrich, WPg 1984, S. 625 (627); Leffson, in: FS Goerdeler (1987), S. 315 (319)) kann, muss die "verkürzte Bilanz" (evtl. unter Verzicht auf einen differenzierten EK-Ausweis) prinzipiell als absolute Untergrenze der Gliederungstiefe für alle buchführungspflichtigen Kaufleute angesehen werden, wenn der gesetzlich geforderte Überblick vermittelt werden soll. Erst eine solche Auslegung des Wortlauts von § 247 Abs. 1 berücksichtigt den Rechenschaftszweck der RL hinreichend (vgl. HdR-E, HGB § 243, Rn. 22ff.). Aus der Bilanz sollen aussagefähige Hinweise auf die Vermögens- und Finanzlage zu entnehmen sein. Zur Kennzeichnung der Vermögenslage ist es erforderlich, in AV und UV zu trennen, zur Kennzeichnung der Finanzlage, das AV in Finanz-, Sach- und immaterielle Anlagen sowie das UV in Vorräte, Forderungen, Wertpapiere und liquide Mittel aufzuspalten (vgl. Hoffmann, BB 1985, S. 630 (633)). Ebenso sind Vermögens- und Finanzlage auf der Passivseite mindestens durch Aufspaltung in EK, Rückstellungen und Verbindlichkeiten zu kennzeichnen. Ohne die Einhaltung dieser Mindestgliederung nach § 266 Abs. 1 Satz 3 kann der Rechenschaftszweck des JA (vgl. HdR-E, HGB § 243, Rn. 22ff.; MünchKomm. BilR (2013/II), § 243 HGB, Rn. 14ff.; Leffson (1987), S. 63ff.; Baetge, in: FS Leffson (1976), S. 11) nicht erreicht werden.
Rn. 56
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die Konzeption des EK-Ausweises ist für alle PersG i. S. v. § 264a in § 264c geregelt (vgl. auch ADS (1995), § 264c). Es erscheint sinnvoll, die dort getroffenen Regelungen analog auf die UN anzuwenden, die nicht in den Regelungsbereich von § 264a falle...