Prof. Dr. Hartmut Bieg, Prof. Dr. Gerd Waschbusch
a) Historischer Rückblick und Kritik
Rn. 102
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Mit dem BiRiLiG hatte der Gesetzgeber – divergierend zu dem aktienrechtlichen Terminus des § 15 AktG (vgl. HdR-E, AktG §§ 15–19, Rn. 1ff.) – den Verbundbegriff erstmals und insoweit zusätzlich mit § 271 Abs. 2 im HGB legal definiert, womit Art. 41 der 7. EG-R (derweil: Art. 2 Nr. 12 der Bilanz-R) – wie folgt – in nationales Recht umgesetzt wurde:
"Verbundene Unternehmen im Sinne dieses Buches sind solche Unternehmen, die als Mutter- oder Tochterunternehmen (§ 290) in den Konzernabschluß eines Mutterunternehmens nach den Vorschriften über die Vollkonsolidierung einzubeziehen sind, das als oberstes Mutterunternehmen den am weitestgehenden Konzernabschluß nach dem Zweiten Unterabschnitt aufzustellen hat, auch wenn die Aufstellung unterbleibt, oder das einen befreienden Konzernabschluß nach den §§ 291 oder 292 aufstellt oder aufstellen könnte; Tochterunternehmen, die nach § 296 nicht einbezogen werden, sind ebenfalls verbundene Unternehmen."
Rn. 103
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Damit also der Tatbestand eines UN-Verbunds nach HGB erfüllt war, mussten gemäß § 271 Abs. 2 (a. F.) gleichzeitig zwei Bedingungen gegeben sein (vgl. Dusemond/Küting/Wirth (2018), S. 53ff.):
- Es musste ein (bilaterales) Subordinations- bzw. Mutter-Tochter-Verhältnis i. S. d. § 290 vorliegen (Verbundbedingung I).
- Das UN war nach den Vorschriften des Zweiten Unterabschn. in den KA des obersten MU einzubeziehen, auch wenn die Aufstellung unterblieb. Diesem Tatbestand wurde gleichgestellt, dass das oberste MU einen befreienden KA nach den §§ 291 bzw. 292 aufstellte oder hätte aufstellen können (Verbundbedingung II). Demnach reichte bereits eine Einbeziehung in einen möglichen (also nicht tatsächlich erstellten) befreienden KA aus, um die Verbundbedingung II zu erfüllen. Ein UN-Verbund lag mithin auch dann vor, wenn ein aufzustellender KA – entgegen den gesetzlichen Vorschriften – nicht aufgestellt oder die Einbeziehung einzelner UN gesetzwidrig unterlassen wurde. Entscheidend war allein, welche UN in einen KA einzubeziehen gewesen wären. TU, die infolge des § 296 nicht mittels Vollkonsolidierung in den KA einbezogen wurden, stellten ebenso "verbundene UN" dar.
Rn. 104
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Die Vorschrift des § 271 Abs. 2, die keineswegs durch die einschlägigen EU-Vorgaben so "reichlich misslungen[.]" (Oser, StuB 2023, S. 64 (65)) hätte umgesetzt werden müssen, war aufgrund komplexer Formulierungen nur schwer lesbar und darüber hinaus z. T. unverständlich. Sie war unter Verständlichkeitsgesichtspunkten ein Musterbeispiel dafür, wie Gesetze nicht geschaffen werden sollten. Zu Recht hat Bieg daher die Frage aufgeworfen, ob es dieser "babylonischen Sprachverwirrung wirklich [... bedurfte, d.Verf.]. Gesetze leben nicht zuletzt auch davon, daß sie nicht nur von ihren Verfassern und einigen wenigen Spezialisten verstanden werden" (Bieg, DB 1985, Beilage Nr. 24 zu Heft 41, S. 1 (16)). M.a.W.: Die Legaldefinition des § 271 Abs. 2 erwies sich bereits seit über 30 Jahren mit all ihren "handwerklichen Mängel[n]" (Oser, StuB 2023, S. 64 (65)) als "verfehlte Regelung, die ausdrücklich so gewollt war und die sich im Rahmen der Vorgaben des Art. 41 der 7. EG-Richtlinie [... hielt, d.Verf.], mag sie auch so nicht gefordert [worden, d.Verf.] sein. Sie [... konnte, d.Verf.] daher weder durch eine weitgehend vom Wortlaut gelöste Auslegung, durch Analogie, durch Lückenschließung, durch betriebswirtschaftliche Überlegungen noch durch bloße Praktizierung überwunden werden. Insoweit [blieb, d.Verf.] nur, [eine, d.Verf.] Änderung des Gesetzes zu fordern" (Baumbach/Hueck (2006), § 42 GmbHG, Rn. 143; vgl. sodann grundlegend Küting, DStR 1987, S. 347ff.; überdies Wohlgemuth, DStR 1991, S. 1495ff., 1529ff.).
Rn. 105
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Dies gegeben, musste die Definition "verbundener UN" unter Gesichtspunkten der RL (und Prüfung) so beurteilt werden, dass sie die Grundlage einer zweckentsprechenden Offenlegung von Verbundbeziehungen bildete. Zweck dieser spezifischen Berichterstattung ist es nämlich insbesondere, die "finanzielle Verflechtung mit ‚verbundenen Unternehmen’ und ihren Einfluß auf die Ertragslage offenzulegen" (Kropff, DB 1986, 364; vgl. auch EBJS (2020), § 271 HGB, Rn. 10; denn Beziehungen zwischen "verbundenen UN" weisen nun einmal eine andere Qualität auf als jene zwischen nicht verbundenen UN. Vor diesem Hintergrund war eine Begriffsbestimmung der "verbundenen UN" daran zu messen, inwieweit sie die Grundlage einer möglichst umfassenden Begriffsbestimmung aller Verbundbeziehungen schaffte. Wurde die Begriffsbestimmung des § 271 Abs. 2 hiernach beurteilt, musste diese Definition abgelehnt werden, da sie die Verbundbeziehungen lediglich partiell erfasste. Obgleich vom Grundsatz und von der Notwendigkeit einer spezifischen Berichterstattung her zweifelsfrei Verbundbeziehungen vorlagen, wurden bei einer wörtlichen Auslegung des Gesetzestexts diese Beziehungen u. U. dann nicht als solche ausgewiesen (vgl. i. d. S. auch Dusemo...