Dr. Robert Weber, Julia Sieber
Tz. 9
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Vorstandsmitglieder sind allg. verpflichtet, für ein rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft Sorge zu tragen. Dies beinhaltet die Pflicht, sich selbst i. R.d. Amtsführung rechtmäßig zu verhalten (Legalitätspflicht), ferner die Pflicht, für ein rechtmäßiges Verhalten der übrigen für die Gesellschaft handelnden Personen Sorge zu tragen ((Legalitätskontrollpflicht); vgl. Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 9ff.; Verse, ZHR 175 (2011), S. 401 (403); LG München I, Urteil vom 10.12.2013, 5 HKO 1387/10, ZIP 2014, S. 570 (572f.)). So sind die Vorstandsmitglieder verpflichtet, die ordnungsgemäße RL (vgl. § 91 Abs. 1 AktG) sowie die Abführung gesetzlich geschuldeter Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge sicherzustellen und AN-Schutzvorschriften oder Vorschriften des Umweltrechts zu beachten. Die Zahlung von Schmiergeldern ist ihnen nach § 299 StGB verboten. Nach ganz h. M. stellt das rechtswidrige Verhalten eines Vorstandsmitglieds im Außenverhältnis zugleich eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis dar. Rechtswidrig handelnde Vorstandsmitglieder können sich namentlich nicht darauf berufen, ihr Gesetzesverstoß liege subjektiv im Interesse der Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 27.08.2010, 2 StR 111/09, NZG 2010, S. 1190 (1192); BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 29, 50). Anderes gilt für vertragliche Regelungen. Hier können die Vorstandsmitglieder nach h. M. im Rahmen ihres unternehmerischen Ermessens zu dem Ergebnis kommen, dass bestimmte vertragliche Pflichten nicht erfüllt und stattdessen Schadensersatzansprüche abgewartet werden sollen (vgl. BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 40). An die Einhaltung von Handelsbräuchen, freiwilligen Richtlinien und nationalen oder internationalen Verhaltenskodizes ist der Vorstand grds. nicht gebunden (vgl. AktG-GroßKomm. (2015), § 93, Rn. 149). Die Verpflichtung der Vorstandsmitglieder, für ein rechtmäßiges Verhalten Sorge zu tragen, bezieht sich auch auf ausländisches Recht, überzeugenderweise jedoch nur, soweit (deutsches) Kollisionsrecht dieses für anwendbar erklärt (vgl. MünchKomm. AktG (2019), § 93, Rn. 110; Brock, BB 2019, S. 1292 (1294); a. A. Bicker, AG 2014, S. 8 (12)). Hier verbleibt dem Vorstand aber richtigerweise insoweit ein Ermessensspielraum, als ausländische Regelungen in den betreffenden Ländern nicht durchgesetzt werden (vgl. MünchKomm. AktG (2019), § 93, Rn. 111f.; zudem Bicker, AG 2014, S. 8 (12); a. A. Cichy/Cziupka, BB 2014, S. 1482 (1485)). Die Zahlung von Schmiergeldern im Ausland stellt allerdings gemäß § 299 StGB nach deutschem Recht eine Straftat dar und ist daher zu unterlassen (vgl. LG München I, Urteil vom 10.12.2013, 5 HKO 1387/10, ZIP 2014, S. 570 (573)). Zweifelhaft kann die Reichweite des Legalitätsprinzips und damit die Pflichtenlage des Vorstands bei auch nach Hinzuziehung von Expertenrat noch immer unklarer Rechtslage sein. Maßgeblich wird jedenfalls das Maß der noch bestehenden Rechtsunsicherheit sein, so dass bspw. eine höchstrichterliche Rspr. regelmäßig vom Vorstand zu beachten sein wird. Ebenfalls Berücksichtigung finden müssen die der Gesellschaft für den Fall drohenden Nachteile, dass sich der vom Vorstand eingenommene Rechtsstandpunkt im Nachhinein als falsch herausstellt sowie die Frage der Dringlichkeit überhaupt eines Tätigwerdens, solange die unsichere Rechtslage besteht (vgl. BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 38). Mit teilweiser Ähnlichkeit befürworten andere Stimmen in der Literatur eine Abwägungsentscheidung, bei der die Wahrscheinlichkeit der Rechtsmäßigkeit aus ex-ante-Sicht, das Gewicht der Nachteile bei Verzicht auf die fragliche Handlung und die Schwere der drohenden Rechtsgutsverletzung für den Fall, dass sich eingenommener Rechtsstandpunkt als fehlerhaft erweist, zu berücksichtigen sein soll (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 84; Verse, ZGR 2017, S. 174 (181ff.)).
Tz. 9a
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Vorstandsmitglieder müssen sich nicht nur selbst rechtmäßig verhalten, sondern auch der Missachtung gesetzlicher Vorgaben auf unteren Unternehmensebenen entgegenwirken (Legalitätskontrollpflicht). Zu beachten ist insofern auch die ausdrücklich gesetzlich normierte Vorstandspflicht zur Einrichtung eines Überwachungssystems im Hinblick auf den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen, wovon auch Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften umfasst sind (vgl. § 91 Abs. 2 AktG; ferner LG München I, Urteil vom 10.12.2013, 5 HKO 1387/10, ZIP 2014, S. 570 (573)). Für börsennotierte Gesellschaften ist ferner die Pflicht zur Einrichtung eines IKS und Risikomanagementsystems gesetzlich normiert (vgl. § 91 Abs. 3 AktG). Das IKS umfasst dabei die Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen zur Sicherung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftstätigkeit, zur Sicherung der Ordnungsmäßigkeit der RL sowie zur Sicherung der Einhaltung der maßgeblichen rechtlichen Vorschriften (vgl. BT-Drs. 19/26966, S. 115). Anders als bei rechtswidrigem Verhalten der Vorstandsmitglieder selbst ((Legalitätspflicht); vgl. HdR-E, ...