Dr. Tobias Brembt, Dr. Katrin Rausch
a) Allgemein
Rn. 26
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
§ 319 Abs. 2 regelt den allg. Grundsatz, wonach ein WP/vBP als AP ausgeschlossen ist, wenn Gründe, insbesondere Beziehungen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Art, vorliegen, nach denen eine Besorgnis der Befangenheit besteht. Das Vorliegen einer Besorgnis der Befangenheit ist dabei immer aus der Sicht eines (sach-)verständigen Dritten zu beurteilen. Es ist unerheblich, ob der WP tatsächlich befangen ist oder nicht – Zweifel an der Unbefangenheit reichen aus. Hierbei orientiert sich die Vorschrift am international gängigen Konzept der "Threats and Safeguards" (vgl. IESBA (2023), Rn. 120.1ff.). Danach gibt es Risiken (threats), die dazu führen können, dass die Einhaltung der grds. Anforderungen an den AP gefährdet ist oder von Dritten als gefährdet wahrgenommen wird. Sicherungsmaßnahmen (safeguards) können diese Risiken eliminieren bzw. zumindest auf ein vertretbares Maß minimieren.
Rn. 27
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Folgende Sachverhalte führen zu einer Besorgnis der Befangenheit (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 38; fernerhin Brösel et al. (2015), S. 90ff., m. w. N.):
(1) |
Der Prüfer hat ein wirtschaftliches oder sonstiges Eigeninteresse am Ergebnis der Prüfung, das nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (sog. Eigeninteresse; vgl. § 32 BS WP/vBP). |
(2) |
Der Prüfer beurteilt i. R.d. AP Sachverhalte, an denen er selbst mitgewirkt hat (sog. Selbstprüfung; vgl. § 33 BS WP/vBP). |
(3) |
Der Prüfer ist als Interessenvertreter für oder gegen die Interessen des Mandanten tätig (sog. Interessenvertretung; vgl. § 34 BS WP/vBP). |
(4) |
Der Prüfer unterhält nahe Beziehungen zur UN-Leitung, die ein übermäßiges Vertrauen begründen (sog. persönliche Vertrautheit; vgl. § 35 BS WP/vBP). |
(5) |
Der Prüfer unterliegt einer besonderen Einflussnahme durch das zu prüfende UN, die wiederum seine Objektivität beeinträchtigt (sog. Einschüchterung; vgl. § 36 BS WP/vBP). |
Rn. 28
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Diesen Sachverhalten können jedoch in bestimmten Fällen Schutzmaßnahmen gegenübergestellt werden, die das Risiko einer Beeinträchtigung der Unbefangenheit und Unabhängigkeit auf ein akzeptables Maß reduzieren. In § 30 BS WP/vBP bzw. den Erläuterungen des Vorstands der WPK dazu werden diese Schutzmaßnahmen wie folgt konkretisiert:
(1) |
Erörterung des Sachverhalts mit dem Aufsichtsorgan des betreffenden UN; |
(2) |
Sachverhaltsdiskussion mit zuständiger Aufsichtsbehörde (wie z. B. APAS oder BaFin); |
(3) |
spezifische Transparenzregelungen (z. B. Offenlegung von Honoraren für Prüfungs- und Nichtprüfungsleistungen oder auch Preisgeben von Informationen zur Unabhängigkeit im BV bei UN von öffentlichem Interesse (vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. f) und g) der AP-VO; |
(4) |
kritische Durchsicht der Arbeitspapiere durch Personen, die bislang nicht mit betreffender AP befasst waren; |
(5) |
Konsultation mit Spezialisten für Fragen zur Unabhängigkeit und Unbefangenheit; |
(6) |
Einrichtung von sog. Firewalls, damit Informationen, die zu einer Befangenheit des AP führen können, diesem nicht zur Kenntnis gelangen. |
b) Eigeninteresse
Rn. 29
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Eigeninteressen können sowohl finanzieller Art – bspw. aufgrund von kap.-mäßigen Bindungen, übermäßiger Umsatzabhängigkeit, Leistungsbeziehungen, die (wie Sonderkonditionen beim Einkauf) über den üblichen Geschäfts- und Lieferverkehr hinausgehen, Forderungen gegenüber dem zu prüfenden UN sowie offenstehenden Honorarforderungen von nicht unerheblicher Höhe – sein als auch sonstige Gründe haben, wie etwa Pflichtverletzungen aus vorangegangenen Prüfungen, falls ein Verdeckungsrisiko besteht, oder offene Rechtsstreitigkeiten (vgl. auch Beck Bil-Komm. (2022), § 319 HGB, Rn. 23).
c) Selbstprüfung
Rn. 30
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Das Risiko einer Selbstprüfung liegt vor, wenn ein WP an der Entstehung eines Sachverhalts maßgeblich beteiligt war, und er diesen Sachverhalt schließlich i. R.d. AP selbst zu beurteilen hat (vgl. § 33 Abs. 1 BS WP/vBP). War ein WP in seiner Funktion als AP bereits mit einem Sachverhalt befasst, ohne an dessen Entstehung mitgewirkt zu haben, wie z. B. als VJ-Prüfer oder als AP eines TU, so fällt dies nicht unter eine unzulässige Selbstprüfung (vgl. § 33 Abs. 2 BS WP/vBP; fernerhin bereits ADS (2000), § 318, Rn. 200; KK-AktG (1991), § 318 HGB, Rn. 41; MünchKomm. AktG (1973), § 163, Rn. 27; bezüglich weiterer Erläuterungen auch HdR-E, HGB § 319 HGB, Rn. 92ff.).
d) Interessenvertretung
Rn. 31
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
War der WP oder vBP in anderer Angelegenheit dazu beauftragt, für oder gegen betreffendes UN Interessen zu vertreten, zu werben, dessen Produkte zu vertreiben oder Treuhandfunktionen für einzelne Gesellschafter zu übernehmen, kann seine Unbefangenheit beeinträchtigt sein.
e) Persönliche Vertrautheit
Rn. 32
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Hat der WP oder vBP eine enge persönliche Beziehung entweder zu dem zu prüfenden UN, zu Mitgliedern der UN-Leitung oder zu Personen, die den Prüfungsgegenstand beeinflussen können, so kann seine Unbefangenheit gefährdet sein. Kriterien zur Beurteilung sind mitunter die Art der Beziehung (Verwandtschaft, Freundschaft...