Rn. 63

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Ein schwebendes Geschäft liegt vor, wenn der Kaufmann einen Vertrag abgeschlossen hat und dieser von beiden Seiten noch nicht (vollständig) erfüllt ist. Schwebende Geschäfte sind damit auf Leistungsaustausch gerichtete schuldrechtl. Verträge, die sich meist über einen längeren Zeitraum erstrecken. Darüber hinaus sind auch ges.rechtl. Verhältnisse als schwebende Geschäfte anzusehen (vgl. ADS 1995, § 249, Rn. 140 m. w. N.), so dass z. B. auch Drohverlustrückstellungen für die Verlustübernahme aus einem GAV in Betracht kommen (vgl. hierzu Kusterer, S. 1996, S. 114). Ein schwebendes Geschäft liegt auch vor, wenn der Vertrag unwirksam ist, aber von beiden Seiten als gültig behandelt wird (vgl. Woerner, L. 1984, S. 490). In Anlehnung an die Rspr. des BFH kann ein bindendes Vertragsangebot bereits als schwebendes Geschäft gesehen werden, wenn die Annahme des Angebots mit Sicherheit erwartet werden kann (vgl. BFH-Urt. v. 16.11.1982, BStBl. II 1983, S. 361ff.). Dasselbe gilt für das Vorliegen eines Vorvertrags. Schwebende Geschäfte sind auch bewusst eingegangene Verlustgeschäfte. Dagegen sind einseitige Verpflichtungen keine schwebenden Geschäfte. Nicht ausreichend ist es, wenn die Annahme des Angebots nur wahrscheinlich (aber nicht sicher) ist, weil dann der Begriff der Ungewissheit auch auf das Entstehen des schwebenden Geschäfts ausgedehnt würde. Bei schwebenden Geschäften kann es sich sowohl um Beschaffungsgeschäfte als auch um Veräußerungsgeschäfte handeln. Dauerschuldverhältnisse sind ebenfalls schwebende Geschäfte, wenn beide Seiten verpflichtet sind, in der Zukunft weiterhin Leistungen zu erbringen. Bei einmaligen oder Dauerbeschaffungsgeschäften muss es sich bei der vereinbarten Leistung nicht um bilanzierungspflichtige VG handeln. Auch Verträge über nicht aktivierungsfähige Leistungen wie z. B. Mietverträge, Verträge über Dienstleistungen, Kreditverträge u.ä. fallen hierunter, wenn der wirtschaftliche Wert der Gegenleistung nicht (mehr) dem Wert der Leistung entspricht (vgl. ADS, 1995, § 249, Rn. 139; Schubert, in: Beck Bil-Komm., 2014, § 249, Rn. 73). Schwebend ist hier der zukünftige Teil, bei Erfüllungsrückstand im bereits abgewickelten Teil ist eine Verbindl.-Rückstellung zu bilden (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 46). Der Schwebezustand des Geschäfts beginnt regelmäßig mit dem Abschluss des auf Leistungsaustausch gerichteten Vertrags. Er beginnt aber auch schon vorher mit dem Eintritt einer faktischen Bindung, so bei einem Vertragsangebot, dessen Annahme mit Sicherheit zu erwarten ist oder bei Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung mit deren Konkretisierung. Der Schwebezustand endet mit der vollständigen Erfüllung des Vertrags durch eine Partei, wobei auch hier die wirtschaftliche Betrachtung maßgebend ist, d. h. erfüllt ist auch dann, wenn nur noch unwesentliche Nebenverpflichtungen offen geblieben sind. Anzahlungen stellen dabei keine Erfüllung dar. Bei teilw. Erfüllung beschränkt sich das schwebende Geschäft auf den noch offenen Teil.

 

Rn. 64

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Für die Abgrenzung des schwebenden Geschäfts gilt der Grundsatz der Einzelbewertung. Nur wenn ein enger rechtl. oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen besteht, ist die Zusammenfassung mehrerer Verträge zu einer wirtschaftlichen Einheit und damit zu einem schwebenden Geschäft zulässig, so bei Koppelungsgeschäften oder bei geschlossenen Positionen in Devisentermingeschäften. Unselbstständige Nebenverpflichtungen sind, insbes. bei Dauerschuldverhältnissen, Bestandteil der Hauptverpflichtung aus dem schwebenden Geschäft (vgl. zur Gegenrechnung wirtschaftlicher Vorteile in Zusammenhang mit einem einzelnen Geschäft HdR-E, HGB § 249, Rn. 67).

Nach § 254 können Bewertungseinheiten dadurch gebildet werden, dass bestimmte Geschäfte zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder dass Zahlungsströme aus vergleichbaren Risiken mit Finanzinstrumenten zusammengefasst werden. In diesem Fall ist § 249 Abs. 1 (d. h. die Bildung von Drohverlustrückstellungen) nicht anwendbar, soweit sich betragsmäßig und zeitlich ein Ausgleich ergibt. Diese Neuregelung gilt nach Art. 66 Abs. 3 S. 1 EGHGB erstmals für GJ, die nach dem 31.12.2009 beginnen.

 

Rn. 65

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Der Verpflichtung zur Rückstellungsbildung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 muss ein schwebendes Geschäft und damit eine Außenverpflichtung zugrunde liegen; droht ein Verlust, ohne dass ein Zusammenhang mit einem schwebenden Geschäft gegeben ist, so fällt dieser nicht hierunter und ist auf andere Weise zu berücksichtigen, z. B. bei Wertminderungen im AV oder UV über Abschreibungen auf den niedrigeren beizulegenden Wert. Drohverlustrückstellungen können allenfalls den Teil des Verlusts aus einem schwebenden Absatzgeschäft betreffen, der den Buchwert des VG übersteigt (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 72).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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