Dr. Robert Weber, Julia Sieber
Tz. 20
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Vorstandsmitglieder dürfen die ihnen aufgrund ihrer Organstellung zustehenden gesellschaftsrechtlichen Machtbefugnisse nicht zugunsten eigennütziger Zwecke, wie der Erhaltung ihres Amts, einsetzen. Auch ist ihnen das Ausnutzen der Organstellung zur Erlangung persönlicher Vorteile verwehrt. Leistungen der Gesellschaft, die ihnen weder ausdrücklich noch konkludent nach dem Anstellungsvertrag zustehen, dürfen sie nicht entgegennehmen. Insbesondere stellt die ohne jedwede vertragliche Grundlage erfolgende Zahlung – für den Vorstand deren Annahme – nachträglicher Anerkennungsprämien für erbrachte, dienstvertraglich geschuldete Leistungen an Vorstandsmitglieder eine treuepflichtwidrige Schädigung des Gesellschaftsvermögens dar, wenn diese Anerkennungsprämien "kompensationslos" gewährt werden, der Gesellschaft also keinerlei Nutzen bringen (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2005, 3 StR 470/04, WM 2006, S. 276 (278)). Insgesamt kann die Grenzziehung im Einzelfall schwierig sein. Die private Inanspruchnahme betrieblicher Hilfsmittel, wie die private Nutzung eines Dienstwagens, wird i. d. R. nur gegen angemessenes Entgelt zulässig sein. Aufwendungen für die persönliche Sicherheit hat das UN jedenfalls dann zu tragen, wenn die dienstliche Stellung des Vorstandsmitglieds eine Gefährdung mit sich bringt. Für Kosten der Repräsentation im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Vorstandsmitglieds wird die Gesellschaft aufzukommen haben, soweit sich diese insgesamt in einem angemessenen Umfang halten. Die den AN des UN durchweg gewährten betrieblichen Leistungen und Vergünstigungen können Vorstandsmitglieder dann in Anspruch nehmen, wenn damit nicht in erster Linie eine soziale Begünstigung der AN erstrebt ist (vgl. zu Einzelheiten KK-AktG (2010), § 93, Rn. 104). Anlässlich von Rechtsgeschäften der Gesellschaft mit Dritten darf ein Vorstandsmitglied keine Leistungen oder Zuwendungen entgegennehmen, sei es in Form von Schmiergeldzahlungen, Provisionen oder dem Vorstandsmitglied gewährten Vorzugspreisen. Umgekehrt darf ein Vorstandsmitglied Dritte, wie Familienangehörige, nahestehende Personen oder UN, an denen es nicht unbedeutend beteiligt ist, nicht begünstigen, sei es durch direkte Zuwendungen, Verzicht auf oder Nichtgeltendmachung von Forderungen, Gewährung von zinslosen Darlehen etc. (vgl. AktG-GroßKomm. (2015), § 93, Rn. 271f.; Scholz-GmbHG (2021), § 43, Rn. 221, 224). Weiter ist es Vorstandsmitgliedern untersagt, Geschäftschancen der Gesellschaft selbst oder durch nahe stehende Dritte etc. zu nutzen, und zwar auch dann, wenn diese Geschäfte dem Vorstandsmitglied persönlich angetragen werden. Dieses Verbot deckt sich weitgehend mit dem in § 88 AktG gesetzlich normierten Wettbewerbsverbot. Entsprechend § 88 Abs. 1 AktG kann daher der AR für die Wahrnehmung von Geschäftschancen eine Einwilligung erteilen (vgl. zu Einzelheiten AktG-GroßKomm. (2015), § 93, Rn. 250ff.; Sieg/Zeidler (2016), Rn. 11f.). Aus dem aus der Treuepflicht resultierenden Verbot, das Vorstandsamt bzw. den damit verbundenen Einfluss auszunutzen, um der Gesellschaft zugunsten eigener Interessen oder der Interessen Dritter einen Nachteil zuzufügen, kann sich schließlich die Unzulässigkeit bereits einer Gefährdung der Interessen der Gesellschaft ergeben. So dürfen Organmitglieder z. B. nicht die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft durch öffentliche Meinungsäußerungen gefährden (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 29.02.2012, 20 U 3/11, ZIP 2012, S. 625f.; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 06.11.2012, II ZR 111/12, NZG 2013, S. 339 (340)).