Prof. Dr. Michael Dusemond, Prof. Christoph Hell
Rn. 54
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Nach § 321 Abs. 2 Satz 3 ist auch darauf einzugehen, ob der Abschluss insgesamt unter Beachtung der GoB oder sonstiger maßgeblicher RL-Grundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der VFE-Lage vermittelt. Gefordert ist eine ausdrückliche Feststellung zur Übereinstimmung des JA oder KA mit der Generalnorm des § 264 Abs. 2 Satz 1 bzw. § 297 Abs. 2 Satz 2 (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 72; überdies ADS (2000), § 321, Rn. 109; Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 100; WP-HB (2021), Rn. M 373; zu Problemen bei der Auslegung des Gesetzeswortlauts ADS (2000), § 321, Rn. 108f., sowie gegensätzlich argumentierend Selchert et al. (2000), S. 327ff.). Die eindeutige Bezugnahme auf die GoB stellt zudem sicher, dass die Berichtspflicht des AP nicht über die Pflicht der gesetzlichen Vertreter nach § 264 Abs. 2 Satz 1 bzw. § 297 Abs. 2 Satz 2 hinausgeht und sich die Gesamtaussage nur auf den JA bzw. KA bezieht (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 101; WP-HB (2021), Rn. M 375; letztlich ebenso ADS (2000), § 321, Rn. 109). Der (Konzern-)Lagebericht ist in die (hier angesagte) Gesamtschau der durch die RL-Grundsätze bestimmten Darstellung der wirtschaftlichen Lage des UN bzw. Konzerns nicht einzubeziehen (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 72; überdies Haufe HGB-Komm. (2022), § 321, Rn. 116; BeckOGK-HGB (2021), § 321, Rn. 55). Feststellungen zur Prüfung des (Konzern-)Lageberichts sind vielmehr gesondert zu treffen (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 72; überdies grundlegend HdR-E, HGB § 321, Rn. 52ff., m. w. N.).
Rn. 54a
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
"Darauf eingehen" kann sich nicht in der bejahenden oder verneinenden Wiederholung des Gesetzeswortlauts erschöpfen; erforderlich ist vielmehr eine ausführliche Begründung des Prüferurteils (vgl. Jacob, WPg 1998, S. 1043 (1054); fernerhin IDW PS 450 (2021), Rn. 74; WP-HB (2021), Rn. M 381). Eine diesbezügliche Konkretisierung enthalten Satz 4f. des Abs. 2. Zur Beurteilung der Gesamtaussage des JA bzw. KA gehört ausdrücklich eine Darstellung der wesentlichen Bewertungsgrundlagen. Weiterhin ist der Einfluss diesbezüglicher Änderungen einschließlich der Ausnutzung von Wahlrechten und der Ausübung von Ermessensspielräumen sowie von Sachverhaltsgestaltungen auf die Darstellung der VFE-Lage zu erläutern (vgl. § 321 Abs. 2 Satz 4; mit dieser Normierung sollte eine erhebliche "Steigerung der Aussagekraft und Problemorientierung des Prüfungsberichts" (BR-Drs. 109/02, S. 72) erreicht werden; das IDW spricht von einer wesentlichen Ausweitung der Berichterstattungspflichten, verbunden mit einer positiven Wirkung für die Überwachungsfunktion der Aufsichtsgremien; vgl. IDW, WPg 2002, S. 146 (151); a. A. Pfitzer/Oser/Orth (DB 2002, S. 157 (164)), die diesen Zusatz für entbehrlich halten; von einer Betonung zur Zeit der Regelungsänderung schon bestehender Berichtspflichten spricht Willeke, StuB 2002, S. 227 (233)). Aufgliederungen und Erläuterungen der JA- bzw. KA-Positionen sind nach § 321 Abs. 2 Satz 5 im Kontext der Beurteilung der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bilds der VFE-Lage durch den JA bzw. KA vorzunehmen, soweit diese Angaben nicht im Anhang enthalten sind (vgl. HdR-E, HGB § 321, Rn. 61ff.; IDW, WPg 2002, S. 146 (151); IDW PS 450 (2021), Rn. 75).
Rn. 55
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Von zentraler Bedeutung für die Darstellung der VFE-Lage im JA bzw. KA sind die Bewertungsgrundlagen. Die Werte einiger im JA bzw. KA enthaltener Positionen sind nicht eindeutig determiniert. Wertansätze bzw. einzelne wertbestimmende Komponenten müssen z. T. geschätzt werden, was dem Bilanzierenden innerhalb gewisser Bandbreiten Ermessensspielräume eröffnet (vgl. etwa IDW PS 314 (2009), Rn. 10ff.). Für manche Positionen sieht das Gesetz darüber hinaus ausdrücklich Alternativen bei der Wertbestimmung in Form von Wahlrechten vor (vgl. dazu lediglich Küting/Weber (2015), S. 42ff., m. w. N.). Schließlich kann das durch den JA bzw. KA vermittelte Bild auch durch sachverhaltsgestaltende Maßnahmen beeinflusst werden. Der AP hat in diesem Teil des Prüfungsberichts auf die wesentlichen Bewertungsgrundlagen sowie den Einfluss bilanzpolitischer Maßnahmen auf die Lagedarstellung einzugehen (vgl. IDW PS 450 (2021) Rn. 78ff.; WP-HB (2021), Rn. M 386ff.).
Rn. 56
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Die Berichtspflicht umfasst eine Erläuterung der für die Bewertung maßgeblichen Faktoren und speziell der Art und Weise, in der diesbezügliche Ermessensspielräume ausgeübt werden (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 80ff.; überdies Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 106; Haufe HGB-Komm. (2022), § 321, Rn. 118; WP-HB (2021), Rn. M 389). Zu solchen Spielräumen kommt es häufig aufgrund der Unbestimmtheit der einem Tatbestand zugeordneten Rechtsfolgen (sog. Konklusionsspielräume). Diese sind oft abhängig von subjektiven Elementen, insbesondere Schätzungen. Beispiele hierfür sind Schätzungen der Wahrscheinlichkeiten für die Inanspruchnahme von Rückstellungen, der ND von Anlageg...