Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
a) Fortgeltung des Passivierungswahlrechts für Altzusagen
Rn. 641
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Der Grundsatz der Passivierungspflicht für Altersversorgungsverpflichtungen (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 634) wird durch Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB eingeschränkt. Nach dieser Regelung braucht für eine "laufende Pension oder eine Anwartschaft auf eine Pension aufgrund einer unmittelbaren Zusage eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs nicht gebildet zu werden, wenn der Pensionsberechtigte seinen Rechtsanspruch vor dem 1. Januar 1987 erworben hat oder sich ein vor diesem Zeitpunkt erworbener Rechtsanspruch nach dem 31. Dezember 1986 erhöht."
Rn. 642
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Diese Vorschrift ist auch durch das BilMoG aus dem Jahr 2009 nicht geändert worden. UN sind folglich nicht zur Passivierung von Pensionsverpflichtungen verpflichtet, die vor dem 01.01.1987 begründet wurden. Da die Begründung einer Versorgungsverpflichtung mit dem Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage zusammenfällt, gilt anstelle der Passivierungspflicht des § 249 Abs. 1 Satz 1 ein Passivierungswahlrecht für alle vor dem 01.01.1987 erteilten Versorgungszusagen, die sog. Altzusagen. Die Passivierungspflicht erstreckt sich mithin nur auf nach dem 31.12.1986 erteilte Versorgungszusagen, die sog. Neuzusagen.
Über den Wortlaut hinaus findet Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB nicht nur auf Versorgungsverpflichtungen auf laufende Pensionen, sondern auch auf Kap.-Leistungen Anwendung (vgl. BetrAVG-Komm. (2016/II), Kap. 48, Rn. 2). Dabei ist es gleichgültig, ob die Kap.-Leistung einmalig oder in Raten gezahlt wird (vgl. Höfer, DB 2010, S. 861 (862)).
Rn. 643
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Die Befreiung der Altzusagen vom allg. Passivierungsgebot des § 249 Abs. 1 Satz 1 hat zwei Gründe:
Der eine ist rechtlicher Natur. Die UN, die im Hinblick auf das früher für Pensionsverpflichtungen geltende Passivierungswahlrecht solche Verpflichtungen eingegangen waren, sollten in ihrem Vertrauen auf den Fortbestand dieser Rechtslage nicht enttäuscht werden. Ein Vertrauensverlust wäre überdies sozialpolitisch schädlich gewesen, weil er die allseits erwünschte und geforderte weitere Ausbreitung der betrieblichen Altersversorgung beeinträchtigt hätte. Zurzeit hat dieser Gesichtspunkt v.a. noch Bedeutung für die RL von UN des öffentlichen Diensts.
Der andere Grund ist fiskalpolitischer Art. Das BMF befürchtete bei Einführung der Passivierungspflicht für Altzusagen einen zu hohen Steuerausfall. Dieser Gesichtspunkt ist heute, also 33 Jahre nach der Neuregelung des HGB durch das BiRiLiG, kaum noch von Bedeutung.
b) Passivierungswahlrecht für Erhöhungen von Altzusagen
Rn. 644
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Das Passivierungswahlrecht gilt nicht nur für die ursprünglich erteilten Altzusagen, sondern auch für ihre Erhöhungen. Hierfür sprechen zwei Gründe: Zum einen ist nicht nur jede Pensionsverpflichtung gegenüber einer bestimmten Person eine Schuld für sich (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3), sondern auch ein einheitlicher (negativer) VG. Es wäre widersprüchlich, diese Verpflichtung bei der Bilanzierung in Teile zu zerlegen, für die teils eine Passivierungspflicht und teils ein Passivierungswahlrecht gilt. Zum anderen ergäbe sich ansonsten ein praktisches Problem. Es wäre oft kompliziert und in zahlreichen Fällen sogar unmöglich, die Pensionsverpflichtung in ihre vor dem 01.01.1987 und nach dem 31.12.1986 begründeten Anteile aufzuspalten. Zu denken ist hier in erster Linie an die Fälle einer Umstrukturierung des Leistungsgefüges (z. B. Herabsetzung der Altersleistung bei gleichzeitiger Verbesserung der Invaliden- oder Hinterbliebenenversorgung; vgl. dazu Ahrend/Beucher/Förster, DB 1985, Beilage Nr. 22 zu Heft 38, S. 1 (8ff.); Höfer, DB 1984, Beilage Nr. 27 zu Heft 50, S. 2ff.); die gleichen Schwierigkeiten können sich bei der Verkürzung einer leistungsausschließenden Wartezeit ergeben.
c) Abgrenzung zwischen Alt- und Neuzusagen
Rn. 645
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Aus dem Gesetz ergibt sich, dass eine Altzusage, also eine Zusage, auf die die Passivierungspflicht keine Anwendung findet, nur dann vorliegt, wenn sie vor dem 01.01.1987 erteilt wurde. Dies bedeutet bei der Vereinbarung von Vorschaltzeiten (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 638) in der Zusage, dass auf den Zeitpunkt der Erteilung der Zusage abzustellen ist (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 638). Denn das UN ist schon ab diesem Zeitpunkt aus der Zusage verpflichtet. Entsprechendes gilt für den Fall, dass in der Zusage eine Wartezeit (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 639) vereinbart wurde (vgl. ADS (1998), § 249, Rn. 87).
Rn. 646
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Bei nachträglichen Änderungen der Versorgungszusage stellt sich die Frage, ob eine Alt- oder eine Neuzusage vorliegt, wenn dem AN am 31.12.1986 aufgrund einer Betriebsvereinbarung, betrieblichen Übung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz eine unmittelbare Versorgungszusage zustand, die nach diesem Stichtag durch eine entsprechende Einzelzusage "ausgewechselt" wurde. Auch wenn die neue Zusage formal als Neuzusage einzustufen ist, besteht doch die alte Verbindlichkeit nur auf einer neuen Rechtsgrundlage fort, so dass es für die Einstufung einer Versor...