Prof. Dr. Rolf U. Fülbier, Florian Federsel
a) Abgrenzung der Methodenbeibehaltung
Rn. 129
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Die nach § 252 Abs. 1 Nr. 6 verlangte Beibehaltung der Bewertungsmethoden wird dann vollzogen, wenn das UN seine VG und Schulden im Rahmen übereinstimmender Bewertungsbedingungen nach denselben Wertfindungsverfahren wie im vorangegangenen JA bewertet (vgl. Forster, in: FS v. Wysocki (1985), S. 29 (35f.)). Die Beibehaltung ist primär zeitlich zu sehen, d. h. die erneute Bewertung soll nach dem bisherigen Schema erfolgen. I.R.d. Wertfindungsprozesses muss neben den maßgebenden Verfahren und Bewertungsfaktoren auch die Herangehensweise zu deren Quantifizierung beibehalten werden; dies impliziert eine Stetigkeit auch in den Erwägungen und Ermessensentscheidungen (vgl. Löffler/Ross, WPg 2012, S. 363 (364); überdies Wengerofsky, StuB 2015, S. 172 (173), der hier von "angewandten Prinzipien und Praktiken, grundlegenden Überlegungen und getroffenen Konventionen" spricht). Auf diese Weise wird insbesondere auch die Vergleichbarkeit zwischen den JA sichergestellt (vgl. Kupsch, DB 1987, S. 1157 (1158); Schneeloch, WPg 1987, S. 405 (407); Bonner HGB-Komm. (2011), § 252, Rn. 249).
Rn. 130
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Der Grundsatz der Beibehaltung von Bewertungsmethoden sagt zu der Frage, ob innerhalb eines JA zwei gleiche oder vergleichbare Bewertungsgegenstände einheitlich und insoweit auch methodisch bewertet werden sollen, unmittelbar nichts aus. Zur Beantwortung dieser Frage ist der Grundsatz der Einheitlichkeit der Bewertung als nicht-kodifizierter GoB heranzuziehen. Zwar haben der Grundsatz der Einheitlichkeit der Bewertung (= einperiodenbezogen) und der Grundsatz der Beibehaltung von Bewertungsmethoden (= mehrperiodenbezogen) dieselbe Wurzel: Sie wollen nämlich die Aussagefähigkeit des JA erhöhen und dazu den Grundsatz der Willkürfreiheit stärken (vgl. ADS (1995), § 252, Rn. 103; Rümmele (1991), S. 128ff.). Aus dem Gebot der Beibehaltung von Bewertungsmethoden kann über die im VJ-Abschluss (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 145f.) angewendeten Bewertungsmethoden hinaus jedoch kein weiterer Methodenzwang abgeleitet werden (vgl. zum Verhältnis dieser beiden GoB insbesondere Kupsch, DB 1987, S. 1157 (1158f.); Müller, BB 1987, S. 1629 (1631f.); Förschle/Kropp, ZfB 1986, S. 873 (881ff.); Müller (1989), S. 45f.).
Rn. 131
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Sollte im vorangegangenen JA eine methodenfreie (= methodenungebundene) Bewertung erfolgt sein, so sagt der Bewertungsgrundsatz nach § 252 Abs. 1 Nr. 6 hierzu nichts aus (vgl. Förschle/Kropp, ZfB 1986, S. 873 (882), sowie Pfleger, DB 1984, S. 785 (786f.) zur methodenfreien Bewertung). Dass eine methodenfreie Bewertung in Frage kommt, schließt implizit die Bezugnahme des Gesetzgebers auf die Bewertungsmethoden mit ein. Eine methodenfreie Bewertung ist die Inanspruchnahme von "Individualspielräumen" (Pfleger, DB 1984, S. 785 (785)) in Bewertungssituationen, die einmalig sind bzw. sich zumindest nur selten wiederholen (vgl. Eckes, BB 1985, S. 1435 (1442); Pfleger, DB 1984, S. 785 (787)). Solche Bewertungen können deshalb nicht nach (vor-)definierten Verfahren ablaufen; dominant ist hierbei der individuelle Charakter der Bewertungssituation. Allerdings erscheinen diese Fälle sehr selten. Auch bei einmaligen oder neuen Sachverhalten kann sich über Analogien zu ähnlich bewerteten Sachverhalten oder über das konsistente Anwenden der Bewertung bei künftigen Wiederholungen ein methodischer Charakter entwickeln, der dann wiederum § 252 Abs. 1 Nr. 6 unterliegt. Die in der früheren Literatur genannten Fälle methodenfreier Bewertung, z. B. die Erfassung oder Nichterfassung nachträglicher Aufwendungen für früher beschaffte VG als AK dieser Gegenstände oder die Aufteilung des Gesamtkaufpreises für eine angeschaffte Sachgesamtheit auf die einzelnen VG (vgl. etwa Pfleger, DB 1984, S. 785 (785f.)), die an die "purchase price allocation" i. R.d. Kap.-Konsolidierung bei der Aufstellung von KA erinnert, sollten heute durchaus einer methodischen Bewertung zugänglich sein.
Rn. 132
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Fraglich erscheint, ob auch die individuelle Schätzung der Einzelwertberichtigung bei Forderungen als methodenfrei eingestuft werden kann (vgl. so Pfleger, DB 1984, S. 785). Die Schätzung muss nach kaufmännisch vernünftiger Beurteilung unter Wahrung insbesondere des Grundsatzes der allg. Bewertungsvorsicht (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 77ff.) erfolgen. Die Differenzierung der Bewertungsabschläge, z. B. nach dem erwarteten Zahlungseingang, kann wohl kaum als methodenfrei bezeichnet werden. Auch diese Methode der Wertermittlung ist nach § 252 Abs. 1 Nr. 6 beizubehalten, selbst wenn der subjektive Spielraum bei der Wertermittlung relativ groß ist. Ohne sachliche Begründung (vgl. zu den Ausnahmen HdR-E, HGB § 252, Rn. 147ff.) darf weder eine andere Abwertungsmethode noch eine rein subjektive Abwertung nach unterschiedlichen Kriterien an die Stelle dieser Bewertungsmethode treten (vgl. Kupsch, DB 1987, S. 1157 (1159); Eckes, BB 1985, S. 1435 (1437); Forster, in: FS v. Wysocki (1985), S. 29 ...