Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
Rn. 192
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Dauerbeschaffungsgeschäften sind zu bilden, wenn und soweit am BilSt der Wert des Lieferungs- oder Leistungsanspruchs für die Restlaufzeit des Geschäfts hinter dem Wert der Gegenleistungsverpflichtung zurückbleibt (vgl. Schubert, in: Beck Bil-Komm. 2014, § 249, Rn. 77; IDW RS HFA 4, Rn. 32).
Rn. 193
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Die eigene Leistungsverpflichtung aus einem Dauerbeschaffungsgeschäft ist mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen. Er ermittelt sich bei Leistungen, die nicht in Geld zu erbringen sind, als Geldwert der Aufwendungen, die zur Bewirkung der Sach- oder Dienstleistung erforderlich sind (i. E. vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 308ff.). Beträgt die Restlaufzeit mehr als ein Jahr, ist eine Abzinsung geboten; allg. vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 329, zur Ermittlung der Restlaufzeit bei Dauerschuldverhältnissen vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 124f.).
Rn. 194
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Was die Bewertung des eigenen Anspruchs aus einem schwebenden Dauerbeschaffungsgeschäft angeht, ist zu unterscheiden zwischen Verträgen, die auf den Erwerb aktivierungsfähiger VG gerichtet sind (z. B. Sukzessivlieferungsverträge), und Beschaffungsgeschäften über nicht aktivierungsfähige Leistungen (z. B. Miet-, Pacht-, Darlehens- und Arbeitsverträge). Ansprüche auf Lieferung aktivierungsfähiger VG sind nach den für Einmalgeschäfte geltenden Grundsätzen zu bewerten. Ihr Wert bestimmt sich somit nach den AK oder dem niedrigeren beizulegenden Wert der betr. VG am Bewertungsstichtag. Die für die Ableitung des beizulegenden Werts relevante Marktseite richtet sich nach den für die Niederstbewertung vorherrschenden Konventionen (vgl. IDW RS HFA 4, Rn. 30f.). Diese sehen je nach Bewertungsgegenstand eine MGB des Beschaffungsmarkts, des Absatzmarkts oder die sog. doppelte MGB (kritisch hierzu Kessler, H. 1994a, S. 1295) vor (i. E. vgl. Brösel/Olbrich, HdR-E, HGB § 253, Rn. 638ff.).
Rn. 195
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Umstritten ist die Bewertung nicht in Geld bestehender Ansprüche aus Dauerbeschaffungsgeschäften (vgl. z. B. Ballwieser, W. 1989, S. 965; Christiansen, A. 1993a, S. 1242ff.; Schön, W. 1994, S. 16). Sie kann verwertungs- oder wiederbeschaffungsorientiert erfolgen. Nach der von der Rspr. (vgl. BFH-Beschluss v. 23.06.1997, BStBl. II 1997, S. 738 m. w. N.) und weiten Teilen der Literatur (vgl. z. B. IDW RS HFA 4, Rn. 32; Schön, W. 1994, S. 16; Weber-Grellet, in: Schmidt 2010, § 5 EStG, Rn. 465) favorisierten verwertungsorientierten Sichtweise ist der Wert des aus einem Dauerbeschaffungsgeschäft hervorgegangenen Leistungsanspruchs ausschließlich nach dessen Beitrag zum Erfolg oder Misserfolg des Betriebs zu bestimmen. Der mit diesem Bewertungskonzept anvisierte betriebsinterne Wert der beschafften Dauerleistung lässt sich i. A. nicht feststellen, da sich der Erfolgsbeitrag einer Leistung – von wenigen Grenzfällen abgesehen – praktisch nicht auf die beteiligten Einsatzfaktoren zurechnen lässt. Der verwertungsorientierte Bewertungsansatz mündet daher in eine weitgefasste Ausgeglichenheitsvermutung für Dauerbeschaffungsgeschäfte. Drohverlustrückstellungen kommen danach nur in Betracht, wenn eine beschaffte Dauerleistung keinen oder keinen nennenswerten Erfolgsbeitrag für das UN mehr erbringt (vgl. Bertram 2013, § 249, Rn. 162, 166). Dieser Fall liegt bspw. vor, wenn ein AN trotz fehlender betrieblicher Beschäftigungsmöglichkeiten oder Arbeitsunfähigkeit aus moralischen Gründen weiterbeschäftigt wird. Gleiches gilt, wenn angemietete Büro- oder Lagerräume als Folge einer Einschränkung der Betriebstätigkeit nicht mehr genutzt werden können, der Mieter aber die vereinbarten Mietzinsen noch für eine bestimmte Dauer zu entrichten hat (vgl. BFH-Urt. v. 07.10.1997, BStBl. II 1998, S. 331; v. 17.05.2000, BFH/NV 2001, S. 155; Kessler, H. 1992, S. 352, m. w. N.).
Rn. 196
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Gegen eine ausschließlich verwertungsorientierte Sichtweise und die ihr zugrunde liegende Ausgeglichenheitsvermutung wird eingewendet, sie ignoriere die Risiken aus schwebenden Dauerbeschaffungsgeschäften und verfehle den Zweck der Rückstellungsbildung (so noch Kozikowski/Schubert, in: Beck Bil-Komm. 2010, § 249, Rn. 77; anders Schubert, in: Beck Bil-Komm. 2014, § 249, Rn. 77, der eine wiederbeschaffungsorientierte Anspruchsbewertung auf Fehlmaßnahmen beschränken will). Der Alternativvorschlag geht dahin, die nicht in Geld bestehenden Leistungsansprüche aus schwebenden Dauerbeschaffungsgeschäften mit den aktuellen Beschaffungspreisen für die jeweilige Leistung zu bewerten (vgl. Euler, R. 1990, S. 1036ff.; Hartung, W. 1988b, S. 2139; Herzig, N. 1986, S. 90ff.; Herzig, N. 1991, S. 222ff.; Jacobs, O. H. 1988, S. 241; Lauth, B. 1993, S. 391; mit Ausnahme von Arbeitsverhältnissen auch Christiansen, A. 1993a, S. 1242ff.). Nach dieser Sichtweise ist ein ausweispflichtiger Drohverlust dann anzunehmen, wenn die gleiche Dauerleistung am BilSt zu einem geringeren Preis wiederbeschafft werde...