Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
Rn. 66
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Für schwebende Geschäfte gilt im Hinblick auf die Bildung von Drohverlustrückstellungen die Vermutung der Ausgeglichenheit, d. h., es wird zunächst einmal davon ausgegangen, dass die künftigen Leistungen und Gegenleistungen gleichwertig sind. Diese kann aber entkräftet werden. Ein Verlust aus einem schwebenden Geschäft ist dann zu erwarten, wenn der Wert der eigenen noch ausstehenden Verpflichtung den Wert des Anspruchs auf die noch nicht erbrachte Gegenleistung übersteigt und damit Erträge und Aufwendungen aus demselben Geschäft sich nicht ausgleichen, sondern ein Verpflichtungsüberschuss (vgl. Moxter, A. 1999, S. 140) besteht. Der drohende Verlust umfasst den Verpflichtungsüberschuss aus der zu erbringenden Leistung einschl. der unselbständigen Nebenverpflichtungen. Der Ansatz der Rückstellung wird wegen der hier ausnahmsweise zugelassenen Saldierung von der Bewertung her bestimmt, beide greifen – zumindest dem Grunde nach – ineinander. Es ist also der Wert von Leistung und Gegenleistung zu ermitteln, ggf. abzuzinsen und dann gegenüberzustellen.
Verlust ist nicht ein Betrag, der rechnerisch auf einzelne GJ entfällt, sondern nur ein insgesamt aus dem schwebenden Geschäft herrührender Fehlbetrag. Dabei sind zu erwartende, aber noch nicht eingetretene Umstände zu berücksichtigen, die den Verlust voraussichtlich vermindern werden; denn das Prinzip der Vorsicht erfordert zwar eine Berücksichtigung von Verlusten auch über den BilSt hinaus, aber nur in angemessenem Umfang. Umgekehrt kann rechnerisch am BilSt ein Verlust noch nicht vorliegen, dennoch ist eine Rückstellung erforderlich, wenn durch später zu erwartende Umstände das Geschäft insgesamt mit einem Verlust abschließen wird.
Rn. 67
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Ein Verlust liegt nicht vor, wenn neben der Gegenleistung auch wirtschaftliche Vorteile vorliegen und das Geschäft so insgesamt ausgeglichen ist. Die Rückstellung ergibt sich also als Saldo der wechselseitigen Ansprüche und evtl. Vorteile, wobei die wirtschaftliche Betrachtung maßgebend ist. Es muss also ein Kausalzusammenhang der in den Saldo einzubeziehenden Komponenten gegeben sein. Auf dieser Basis sind auch wirtschaftliche Vorteile, die Geschäftsgrundlage des schwebenden Geschäfts waren, einzurechen, z. B. bei zinslosen oder zinsgünstigen Darlehen i. V. m. einem Liefervertrag. Wenn nur ein zufälliger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist, ist eine Einbeziehung in den Saldo nicht möglich. Der BFH hat den Saldierungsbereich weit (aber nicht unbeschränkt) definiert; dies gilt insbes. für Arbeitsverhältnisse. Gegenzurechnen sind neben der Hauptleistung auch alle z. T. vertraglichen Nebenleistungen und sonst. wirtschaftlichen Vorteile, sofern sie nach dem Vertragsinhalt oder der Vorstellung beider Parteien eine Gegenleistung darstellen (vgl. BFH-Beschl. v. 23.06.1997, BStBl. II 1997, S. 735). So ist der Standortvorteil für eine Apotheke bei nicht kostendeckender Weitervermietung benachbarter Räume an einen Arzt zu saldieren. Bereits früher hat der BFH Rückgriffsansprüche bei der Bewertung von Rückstellungen für Schadensersatzverpflichtungen angerechnet, was auch auf Drohverlustrückstellungen übertragen werden kann, sowie Einnahmen von dritter Seite (vgl. BFH-Beschl. v. 26.05.1993, BStBl. II 1993, S. 855ff., unter Bezugnahme auf BFH-Urt. v. 17.02.1993, BStBl. II 1993, S. 437ff. sowie v. 16.12.1992, BFHE 170, S. 179ff.). Dies gilt z. B. für Ansprüche gegenüber Dritten aus Versicherungen oder für beantragte Zuschüsse von dritter Seite. Dies ist aber nicht übertragbar auf bewusste Verlustgeschäfte, z. B. wenn der Kaufmann die Beschäftigung sicherstellen will oder er sich wirtschaftliche Vorteile an anderer Stelle verspricht, z. B. bei Veräußerungsgeschäften unter Einstandspreis aus Gründen der Markterschließung. Hier liegen einseitige Erwartungen vor (vgl. BFH-Urt. v. 19.07.1983, BStBl. II 1984, S. 56 und 59; s. zu dieser Problematik HdR-E, HGB § 249, Rn. 212 und HdR-E, HGB § 249, Rn. 216ff. sowie allg. HdR-E, HGB § 249, Rn. 119ff. und HdR-E, HGB § 249, Rn. 278ff.). Eine Saldierung kommt nicht in Betracht bei rechtl. und wirtschaftlich selbständigen Leistungen z. B. im Fall einer Rückkaufs-Option im Kfz-Handel (BFH-Urt. v. 17.11.2010, BB 2011, S. 621).
Rn. 68
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Beschaffungsgeschäfte können sowohl auf die Anschaffung eines aktivierungspflichtigen VG als auch auf die einer nichtaktivierungsfähigen Leistung gerichtet sein. Mit einem Verlust ist zu rechnen, wenn der Wert der noch abzunehmenden VG niedriger ist als die vereinbarte Kaufpreisschuld. Dies kann der Fall sein bei gesunkenen Marktpreisen oder wenn der Absatz von noch nicht angelieferten Waren risikobehaftet geworden ist, z. B. bei Modeartikeln. Dabei ist auf den Wert abzustellen, mit dem der Liefergegenstand am BilSt anzusetzen wäre, d. h. mit dem Börsen- oder Marktpreis bzw. mit dem beizulegenden Wert. Bei Gegenständen des AV werden zum Vergleich also die Wiederbeschaffungspreise herangezogen; e...