Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Boris Hippel
Rn. 66
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Weitere Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Erleichterungen ist gemäß § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 eine Verpflichtung des MU, für die vom TU bis zum Abschlussstichtag eingegangenen Verpflichtungen einzustehen. Obwohl mit dem BilRUG der Verweis auf die Regelung zur Verlustübernahme gemäß § 302 AktG entfallen ist, kann die Voraussetzung gemäß § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 weiterhin dadurch erfüllt werden, dass sich das MU freiwillig zur Verlustübernahme gemäß § 302 AktG (vgl. BT-Drs. 18/5256, S. 80) oder nach dem für das MU maßgeblichen Recht verpflichtet hat (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 264 HGB, Rn. 176). Dies gilt z. B. immer dann, wenn ein BHV oder GAV bereits besteht oder neu abgeschlossen wird oder vergleichbare in anderen EU-Staaten übliche Verträge existieren, die eine Verlustübernahmeverpflichtung gegenüber dem TU beinhalten. Alternativ ist es möglich, dass sich das MU freiwillig verpflichtet hat, für Verpflichtungen des TU einzustehen. Eine solche freiwillige Einstandspflicht für Verpflichtungen des TU besteht bspw. hinsichtlich der Abgabe einer "harten" Patronatserklärung des MU gegenüber dem TU, womit im Wesentlichen Liquiditäts- oder Kap.-Ausstattungsgarantien in Bezug auf ein TU konzernextern gegeben werden (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 264 HGB, Rn. 149). Wenn das MU entsprechend der Formulierung in § 302 Abs. 1 AktG eine Erklärung abgibt, dass es entstehende Jahresfehlbeträge ausgleicht, wird den Anforderungen zur Verlustübernahme und damit der Voraussetzung gemäß § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ebenfalls entsprochen. Die freiwillige Verlustübernahme kann analog zu § 302 AktG begrenzt werden auf Jahresfehlbeträge, die nicht dadurch ausgeglichen werden, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die seit der Erklärung des MU zur Verlustübernahme in die Gewinnrücklagen eingestellt worden sind (vgl. mit a. A. ADS (2001), § 264 HGB, Rn. 53, die in diesem Fall eine Gewinnabführungsvereinbarung für erforderlich halten; es ist aber nicht gerechtfertigt, Einstellungen in die Gewinnrücklagen anders zu behandeln, sofern kein GAV vorliegt).
Rn. 67
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Auch wenn die Vorschrift zur Verlustübernahme gemäß § 302 AktG bei der Eingliederung gemäß der §§ 319ff. AktG nicht anzuwenden ist, sollte bei einem Eingliederungsvertrag die Voraussetzung des § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 als erfüllt angesehen werden, da die Haftungs- und Verlustübernahmeverpflichtung bei der Eingliederung gemäß den §§ 322 und 324 Abs. 3 AktG der Verpflichtung nach § 302 AktG mindestens gleichwertig ist (vgl. AKEU, DB 1999, S. 493 (495)). Dies gilt entsprechend für eine freiwillige Übernahme der gesamtschuldnerischen Haftung durch das MU analog zu § 322 AktG (vgl. zum Rechtsstand vor BilRUG ADS (2001), § 264, Rn. 54). Entsprechendes gilt auch für die persönliche Haftung einer Komplementär-GmbH oder Komplementär-AG für eine GmbH & Co. KG oder KGaA.
Rn. 68
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Einstandspflicht des MU für Verpflichtungen des TU muss für das GJ bestehen, in dem die Erleichterungen des § 264 Abs. 3 bei der Aufstellung des Abschlusses in Anspruch genommen werden. Werden z. B. die Erleichterungen für das GJ t1 in Anspruch genommen, muss eine Verlustübernahmeverpflichtung für das GJ t2 gelten (vgl. ebenso Beck Bil-Komm. (2022), § 264 HGB, Rn. 166, 174f., m. w. N.; ferner in Bezug auf die Rechtslage vor BilRUG OLG Köln, Beschluss vom 13.07.2018, 28 Wx 2/18, NZG 2018, S. 1261f., wonach sich – freilich höchst und zu Recht umstritten – eine isolierte Verlustübernahme zusätzlich auch auf bis zum Befreiungsstichtag entstandene Verluste zu erstrecken hatte). Dies ergibt sich daraus, dass die Gläubiger bei ihren Entscheidungen im laufenden GJ durch die Verlustübernahmeverpflichtung geschützt werden sollen. Eine Verlustübernahmeverpflichtung für das abgelaufene Jahr gibt keinerlei Sicherheit und ist nach § 264 Abs. 3 auch nicht erforderlich (vgl. hinsichtlich einer möglichen Ausstrahlungswirkung obiger Entscheidung des OLG Köln Beck Bil-Komm. (2022), § 264 HGB, Rn. 175, m. w. N.). Zeitlich muss die Einstandspflicht des MU alle Verpflichtungen des TU einschließen, die am BilSt bestehen, auch wenn sie in früheren GJ entstanden sind (vgl. BT-Drs. 18/5256, S. 80). Sie muss darüber hinaus "zumindest während der gesetzlichen Offenlegungsfrist (und damit auch zur Zeit der entfallenden Aufstellung, Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses) durchgehend" bestehen, wobei "ein späteres Erlöschen der Einstandspflicht" unschädlich ist (vgl. BT-Drs. 18/4050, S. 58).
Wird ein BHV oder GAV neu abgeschlossen, reicht allein der Abschluss des Vertrags im ersten Jahr nicht aus, da für das Wirksamwerden die Eintragung im Handelsregister erforderlich ist (vgl. ADS (2001), § 264, Rn. 58; Beck Bil-Komm. (2022), § 264 HGB, Rn. 167). Den Vertragsabschluss in diesem Fall entsprechend der steuerlichen Regelung als ausreichend anzusehen (vgl. Dörner/Wirth, DB 1998, S. 1525 (1528)), steht nicht im Einklang mit dem ...