Prof. Dr. Hartmut Bieg, Prof. Dr. Gerd Waschbusch
a) Unschärfen der (neuen) Begriffsdefinition i. e. S.
Rn. 135
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Soweit es richtigerweise für den Verbundtatbestand nicht auf die Rechtsform und den Sitz betreffender UN ankommt, ist die Bezugnahme in § 271 Abs. 2 (1. Halbsatz) auf § 290 Abs. 1 Satz 1 missverständlich. Dies nämlich könnte den offenkundig nicht beabsichtigten (vgl. BR-Drs. 686/22, S. 41) Eindruck erwecken, als sei der Kreis "verbundener UN" (neuerlich) auf inländische KapG sowie ihnen qua § 264a gleichgestellte (haftungsprivilegierte) PersG beschränkt (vgl. so auch IDW (2022), S. 2; Oser, StuB 2023, S. 64 (66)). Auch sollte der – an für sich überflüssige (vgl. diesbezüglich HdR-E, HGB § 271, Rn. 141) – Passus "gemäß § 290 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bis 4" mit seinem kumulativen "und" zumindest durch "gemäß § 290 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 bis 4" substituiert werden (vgl. DRSC (2022), S. 2; IDW (2022), S. 2f.). Schließlich versteht sich § 290 Abs. 2 als reine (alternative) Konkretisierung der in Abs. 1 kodifizierten Generalnorm. Da im Übrigen im ersten Halbsatz des § 271 Abs. 2 allein die "Qualität der Beziehung zwischen zwei Rechtsträgern" (= Möglichkeit des (obersten) MU zur Ausübung beherrschenden Einflusses) von Bedeutung ist, wäre es mit Blick auf den zweiten Halbsatz zielführender, sich im ersten Halbsatz statt des Begriffs "TU" des Terminus "UN" zu bedienen (vgl. so explizit auch IDW (2022), S. 3; Oser, StuB 2023, S. 64 (66)).
b) Unschärfen der (neuen) Begriffsdefinition i. w. S.
aa) Ausländische Konzernobergesellschaft(en)
Rn. 136
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Speziell vor dem Hintergrund ausländischer Konzernobergesellschaften sollte seitens des Gesetzgebers ferner deutlich herausgestellt werden, dass als Bezugspunkt für Zwecke der Qualifikation von UN als "verbundene UN" stets das oberste MU eines Konzerns heranzuziehen ist. Damit wäre zugleich unmissverständlich klargestellt, dass bei Konzernverhältnissen mit einem ausländischen MU als Konzernspitze sämtliche UN dieses Konzerns als verbundene UN i. S. d. § 271 Abs. 2 zu qualifizieren sind. In diesem Zusammenhang weist Oser zu Recht darauf hin, dass dabei "nicht auf die (ebenfalls neue) Legaldefinition des Begriffs ‚oberste[s] Mutterunternehmen’ gemäß § 342a Nr. 2 [...] rekurriert werden [sollte, d.Verf.], da diese – im Kontext des Ertragsteuerinformationsberichts zutreffend, im Kontext des § 271 Abs. 2 [...] dagegen schädlich – auf einen (tatsächlich) aufgestellten Konzernabschluss Bezug nimmt" (Oser, StuB 2023, S. 64 (66)); dies aber war gerade eine der Schwächen der alten Legaldefinition.
bb) Publizitätsgesetzlicher Konzernabschluss
Rn. 137
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Nicht explizit adressiert ist des Weiteren, welche Ausstrahlungswirkung bzw. Relevanz § 271 Abs. 2 für in einen publizitätsgesetzlichen KA einbezogene TU entfaltet, wenn etwa in einem einstufigen Konzern das oberste MU in der Rechtsform einer "gesetzestypischen" (BT-Drs. 20/5653, S. 41) PersG firmiert. In diesem Fall wäre – bei gegebener Konzernrechnungslegungspflicht – zumindest für das oberste MU § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG einschlägig und damit § 271 Abs. 2 anzuwenden. "Sinngemäß" i. d. S. bedeutet, dass zur Beurteilung, ob ein Mutter-Tochter-Verhältnis vorliegt, nicht etwa § 290, sondern § 11 PublG heranzuziehen ist. Scheiterte eine sinngemäße Anwendung bis dato – ebenso wie für den Fall, dass betreffendes MU seinen statutarischen (Satzungs-)Sitz im Ausland hat – daran, dass das oberste MU seinen KA gerade nicht "nach dem Zweiten Unterabschnitt [(§§ 290–315e), d.Verf.] aufzustellen hat", dürfte nunmehr aufgrund der Neufassung bzw. Streichung dieses Passus davon auszugehen sein, dass mit § 13 Abs. 2 Satz 1 (1. Halbsatz) PublG die Norm des § 271 Abs. 2 (i. V. m. § 11 PublG) über § 298 Abs. 1 sinngemäß anzuwenden ist, mithin fortan publizitätsgesetzliche und handelsrechtliche KA auf diese Weise gleichgestellt werden (vgl. mit wohl a. A. Oser, StuB 2023, S. 64 (66)); dafür spricht auch, dass derweil als "Folgeänderung[.]" (BT-Drs. 16/12407, S. 96) zur Neufassung des § 290 im Zuge des BilMoG zwischen beiden Beherrschungskonzeptionen ein Gleichklang erreicht worden ist (vgl. § 290; § 11 Abs. 1, 6 PublG).
cc) Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsnormen (IFRS)
Rn. 138
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Ebenso bestehen mangels künftiger Verpflichtung zur Konzern-RL nach Maßgabe des Zweiten Unterabschn. des HGB Unklarheiten dahingehend, wie mit MU umzugehen ist, die qua § 315e Abs. 1f. verpflichtet sind, ihren KA in Übereinstimmung mit den von der EU legitimierten (endorsed) IFRS aufzustellen (auf § 315e Abs. 3 sei hier lediglich verwiesen). In § 271 Abs. 2 wird dieser Sachverhalt nicht explizit adressiert, allerdings statuiert § 315e Abs. 1, dass eine IFRS-Berichtspflicht erst dann eintritt, sofern ein (kap.-marktorientiertes) "Mutterunternehmen [...] nach den Vorschriften des Ersten Titels [(§§ 290–293), d.Verf.] einen Konzernabschluss aufzustellen hat". Solch ein IFRS-KA befreit dann lediglich das berichtspflichtige MU von der Aufstellung eines KA nach HGB/PublG, so dass nach hier vertretener Ansicht für Zwecke der Abgrenzung "verbundener UN" zweifellos auch die in § 315e geregelte Alternative – einer nach internationalen Normen entsprechenden Konzern-RL – gezählt ...