Dr. Matthias Heiden, Dr. Christian F. Bosse
Rn. 163
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Die Pflichten aus § 91 Abs. 3 AktG betreffen die Vorstandsmitglieder der AG in Gesamtverantwortung (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG). Die Aufgabe der Einrichtung eines wirksamen IKS und Risikomanagementsystems obliegt grds. dem gesamten Organ "Vorstand". Durch eine Ressortaufteilung kann die Zuständigkeit einem bestimmten Ressort (hier in aller Regel "Finanzen") zugewiesen werden (vgl. auch § 77 AktG). Hierzu bedarf es aber eindeutiger Abreden (vgl. LG München (I), Urteil vom 10.12.2013, 5 HK O 1387/10, BeckRS 2014, 01 998). In diesem Fall verbleiben bei den nicht ressortzuständigen Vorstandsmitgliedern nur Überwachungspflichten nach allg. Grundsätzen (vgl. MünchKomm. AktG (2023), § 91, Rn. 91).
Eine Pflichtverletzung kommt v.a. unter dem Gesichtspunkt des Unterlassens der Einrichtung entsprechender Systeme oder für den Fall in Betracht, dass diese Systeme zwar eingerichtet sind, aber im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit und die Risikolage des UN nicht angemessen oder nicht wirksam sind (vgl. hierzu auch Hein, EweRK 2015, S. 63ff.).
Rn. 164
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Drittens kann auch eine unzureichende Überwachung von bereits eingerichteten Systemen sowie eine unzureichende Erfassung der abgeleiteten Informationen haftungsbegründend sein (vgl. LG München (I), Urteil vom 10.12.2013, 5 HK O 1387/10, Beck RS 2014, 01 998). Es ist jeweils eine Gesamtbetrachtung anzustellen, nicht jedes nicht erfasste und dann verwirklichte Risiko bedeutet, dass eine Wirksamkeit zu verneinen ist.
Anzusprechen wären hier als mögliche Folgen einer Pflichtverletzung
- die Verweigerung der Entlastung,
- die Kündigung des Anstellungsverhältnisses aus wichtigem Grund, oder
- die Abberufung eines Vorstandsmitglieds.
Rn. 165
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Bei der Frage einer Haftung kann sich der Vorstand aber auf die Business Judgement Rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG berufen (vgl. MünchKomm. AktG (2023), § 91, Rn. 92). Wie bereits ausgeführt, ist bei UN im Anwendungsbereich der Norm das "Wie" und damit die Art und Weise der Einrichtung eines Risikomanagementsystems eine unternehmerische Entscheidung, die eine Prognose zu dem voraussichtlichen Nutzen enthält, der seinerseits ins Verhältnis zu den Kosten gestellt werden muss. Fällt das UN nicht in den Anwendungsbereich von Abs. 3, dann steht auch die Entscheidung, ob Risikomanagement- oder IKS eingeführt werden, im Leitungsermessen des Vorstands.
Rn. 166
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Die bereits angesprochenen Auslegungsfragen bei den Begrifflichkeiten in der Norm können dabei nicht zu Lasten des Vorstandsmitglieds gehen. Insoweit ist daher nur zu fordern, dass sich der Vorstand unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf der Grundlage angemessesener Informationen eine vertretbare Auslegung zu eigen macht und dann seine Entscheidung trifft. Ergo ist somit erforderlich, dass sich der Vorstand mit den insoweit maßgeblichen regulatorischen Regelungen einschließlich der Standards zur RL auseinander setzt, ein Zwang diese unter jedem Gesichtspunkt umzusetzen kann aber schon vor dem Hintergrund des fehlenden Normcharakters nicht bestehen. Dabei wird man allerdings eine konsequente Linie verlangen können. Festzuhalten bleibt damit auch, dass die Beachtung der Prüfstandards nicht per se zu einer Entlastungswirkung für den Vorstand führt (vgl. MünchKomm. AktG (2023), § 91, Rn. 91).
Rn. 167
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Eine Außenhaftung kommt entsprechend den allg. Regeln lediglich in sehr engen Grenzen in Betracht; insbesondere ist § 91 Abs. 3 AktG kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB. Eine Haftung unter strafrechtlichen Gesichtspunkten kommt ggf. dann in Betracht, wenn der Vorstand unter bewusster Verletzung seiner Pflichten Dritte im Vertrauen auf die auf Grundlage von Abs. 3 einzurichtenden Systeme zu Vermögensdispositionen veranlasst (vgl. vertiefend MünchKomm. AktG (2023), § 91, Rn. 94).
Rn. 168
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Zu einer weitergehenden Haftung wegen der Notierung des UN an einer US-Börse auf Grundlage des Sarbanes-Oxley-Acts vgl. MünchKomm. AktG (2023), § 91, Rn. 94.
Rn. 169
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Ergänzend ist auf die maßgeblichen Ausführungen zu Verstößen gegen Abs. 2 unter HdR-E, AktG § 91, Rn. 135ff., zu verweisen.