Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
a) Allgemeines
Rn. 210
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Gesellschafterdarlehen stellen in praxi eine verbreitete Form der UN-Finanzierung dar. Sie werden bei KapG primär aus Haftungs- oder steuerlichen Gründen gewährt und begründen Gläubigerrechte gegenüber der Gesellschaft. Sie können aus der Hingabe von Gelddarlehen, durch Lieferungs- und Leistungsbeziehungen oder aus nicht entnommenen Gewinnen resultieren. Ihre bilanzielle Behandlung erweist sich als unproblematisch, soweit diese den Charakter "normaler" Darlehen aufweisen, d. h. die Kreditgewährung als Alternative zu einer Mittelaufnahme von Dritten und nicht als Ersatz für eine in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft eigentlich erforderliche Zuführung von EK erfolgt. Unter dieser Voraussetzung sind Gesellschafterdarlehen unstrittig als Verbindlichkeit(en) zu erfassen (vgl. Beck-HdR, B 231 (2011), Rn. 19ff.). Für die GmbH verlangt § 42 Abs. 3 GmbHG eine besondere Kenntlichmachung dieser Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern. Dies kann entweder durch Einfügung eines eigenständigen Postens in das gesetzliche Bilanzgliederungsschema (vgl. HdJ, Abt. VI/1 (2020), Rn. 146) oder durch eine Anhangangabe erfolgen.
Rn. 211
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Etwas anderes gilt für formell als Darlehen gegebene, jedoch funktionell wie Zuschüsse des Gesellschafters behandelte Leistungen, wie sie in der Vergangenheit häufig bei Publikums-KG in Form der sog. gesplitteten Einlage vorzufinden waren. Bei dieser Finanzierungsform wird das von den Gesellschaftern aufzubringende EK bereits bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags in einen Kap.- und einen Darlehensbetrag aufgeteilt, wobei Letzterer regelmäßig nicht verzinst wird, nur zusammen mit der Beteiligung kündbar und dem vollen EK-Risiko unterworfen ist (vgl. Priester, DB 1991, S. 1917 (1921); Schmidt, in: FS Goerdeler (1987), S. 487 (496ff.)). Da derartige Darlehen regelmäßig die Voraussetzungen des materiellen EK-Begriffs erfüllen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 21.03.1988, II ZR 238/87, BB 1988, S. 1084f.; nach dem Urteil des BFH vom 07.04.2005, BStBl. II 2005, S. 598ff., erhöhen derartige von Kommanditisten gewährte Darlehen deren Kap.-Konto i. S. d. § 15a EStG), sind sie auch bilanziell als EK zu behandeln. Als Ausweisort empfiehlt sich bei KapG die Kap.-Rücklage, bei Nicht-KapG ein gesonderter Posten innerhalb des EK.
b) Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen
aa) Rechtliche Einordnung
Rn. 212
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Das Rechtsinstitut des EK-ersetzenden Gesellschafterdarlehens wurde ursprünglich durch die Rspr. des BGH aus den §§ 30f. GmbHG (a. F.) entwickelt (vgl. zur Rechtsentwicklung Gehrlein, BB 2011, S. 3ff.; zur Anwendbarkeit der Rspr.-Regeln auf eine AG BGH, Urteil vom 26.03.1984, II ZR 171/83, BGHZ 90, S. 381ff.; Schmidt, AG 1984, S. 12ff.). Mit der GmbH-Novelle von 1980 hat der Gesetzgeber die Rspr.-Grundsätze in den §§ 32af. GmbHG (a. F.) modifiziert und ergänzt. Als EK-ersetzend galten danach insbesondere Darlehen, die ein Gesellschafter in einem Zeitpunkt gewährt hat, in dem ihr die "Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten" (§ 32a Abs. 1 Satz 1 GmbHG (a. F.)). Die an dieses Tatbestandsmerkmal anknüpfende Rechtsfolge bestand in einer Beschränkung des Darlehensrückgewährsanspruchs: Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft konnte der Gesellschafter diesen nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen.
Rn. 213
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Das am 01.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, S. 2026ff.) hat die Regelungen über Gesellschafterdarlehen auf eine neue Basis gestellt (vgl. Hirte, WM 2008, S. 1429ff.). Mit der Aufhebung der §§ 32af. GmbHG wurde die Unterscheidung von EK-ersetzenden und nicht EK-ersetzenden Darlehen aufgegeben. § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG stellt dabei klar: Die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens darf nicht (mehr) mit dem Hinweis auf eine sinngemäße Anwendung der Regeln über die Erhaltung des Stammkap. verweigert werden. Gesellschafterdarlehen sind damit unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft den Darlehensforderungen anderer Gläubiger gleichgestellt.
Rn. 214
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Mit dieser Maßnahme ist das von der Rspr. entwickelte und in der praktischen Anwendung überaus komplexe Kap.-Ersatzrecht beseitigt worden. An seine Stelle ist eine rechtsformübergreifende Regelung getreten, die der Gesetzgeber – systematisch zutreffend – in der InsO verankert hat. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO gelten nunmehr Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz generell als nachrangig, es sei denn, eine staatliche Förderbank oder eines ihrer TU hat einem UN, an dem die staatliche Förderbank oder eines ihrer TU beteiligt ist, ein Darlehen gewährt oder eine andere einer Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vorgenommen (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2 InsO; privilegiert sind wie schon nach altem Recht Darlehen von Kleingesellschaftern sowie Darlehen von Gesellschaftern, die Gese...