Prof. Dr. Hartmut Bieg, Prof. Dr. Gerd Waschbusch
Rn. 50
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Vermutung des § 271 Abs. 1 Satz 3 lässt sich wie die des § 152 Abs. 2 AktG 1965 vergleichen mit § 261a Abs. 1 A. III. Satz 2 HGB 1931, eingefügt durch die VO des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und Steueramnestie vom 19.09.1931 (RGBl. I 1931, S. 493ff.), der eine i.W. gleichlautende Formulierung enthielt. Allerdings kann diese Vermutung nur im Zusammenhang mit dem Bilanzgliederungsschema des § 261a Abs. 1 A. HGB 1931 gesehen werden. Den Posten I. "Rückständige Einlagen auf das Grundkapital" und II. "Anlagevermögen", der jedoch keine Wertpapierposten enthielt, folgten die Posten III. "Beteiligungen, einschließlich der zur Beteiligung bestimmten Wertpapiere" sowie IV. "Umlaufvermögen", Letztere mit einem Wertpapierposten unter Nr. 4, in der die nicht an anderer Stelle auszuweisenden Wertpapiere (Beteiligungen, eigene Aktien, Schecks) einzugliedern waren.
Rn. 51
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die entsprechend den handelsrechtlichen Vorschriften in Posten III. auszuweisenden "Beteiligungen, einschließlich der zur Beteiligung bestimmten Wertpapiere" zählten nach damals h. M. trotz ihres gesonderten Ausweises zum AV (vgl. Schlegelberger/Quassowski/Schmölder (1932), S. 223; a. A. Trumpler (1937), S. 104f.). Staub/Pinner ((1933), S. 574) bringen dies mit der Feststellung zum Ausdruck, eine Beteiligung sei eine auf die "Dauer berechnete Mitgliedschaft an einem anderen Unternehmen". Damit war für die Trennung von Beteiligungen und Wertpapieren (des UV!) allein die Absicht des Bilanzierenden zum Dauerbesitz entscheidend.
Rn. 52
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Für ein Bilanzgliederungsschema, das – wie § 261a Abs. 1 A. HGB 1931 – im AV überhaupt keinen Wertpapierposten vorsah, konnte aber die widerlegbare Beteiligungsvermutung des § 261a Abs. 1 A. III. Satz 2 HGB 1931 logischerweise lediglich eine Regel zur Einordnung von Anteilspapieren entweder unter die "i. w. S." (Schlegelberger/Quassowski/Schmölder (1932), S. 223) zum AV zählenden Beteiligungen oder unter die "Wertpapiere des UV" sein (vgl. Weber (1980), S. 30).
Rn. 53
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Das AktG 1937 brachte zwei Änderungen im Bilanzgliederungsschema:
(1) |
Der Posten "Beteiligungen" wurde in das AV integriert. |
(2) |
Der Posten "[a]ndere Wertpapiere des AV" wurde zusätzlich aufgenommen. Die vorausgehende Diskussion ließ keinen Zweifel daran, dass der Gesetzgeber einen Ausweis von Anteilspapieren in diesem Posten nicht beabsichtigte. Er wollte durch die Einführung dieses zusätzlichen Wertpapierpostens in das AV ausschließlich die Frage lösen, wo die mit Dauerbesitzabsicht erworbenen Gläubigerpapiere auszuweisen waren. |
Rn. 54
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Beide Änderungen des AktG 1937 gegenüber dem Gliederungsschema des HGB 1931 wurden auch in das AktG 1965 übernommen. Nach ihrer Entstehungsgeschichte rechtfertigen sie aber keine andere als die nach 1931 gültige Interpretation der Beteiligungsvermutung. Die Auslegung der Beteiligungsvermutung hat sich seit 1937 jedoch ohne Begründung verändert, und dies, obwohl in der zum AktG 1965 erschienenen Kommentarliteratur stärker als vorher auf eine Objektivierung von Gliederung und Bewertung gedrungen wurde. In der Bilanzierungspraxis unter der Geltung des AktG 1965, die den Kommentarmeinungen folgte (vgl. WP-HB (1985/86/I), S. 584f.), wurden die langfristig gehaltenen Anteilspapiere entsprechend dem Abgrenzungskriterium "beabsichtigte unternehmerische Einflussnahme" unterteilt in "Beteiligungen", mit denen eine Einflussnahme intendiert war, und in "[a]ndere Wertpapiere des AV", die mit dem Ziel einflusslosen Dauerbesitzes gehalten wurden.
Rn. 55
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die veränderte Auslegung der Beteiligungsvermutung des § 152 Abs. 2 AktG 1965 war allerdings nicht durch Veränderungen der ursprünglichen Gesetzesvorschriften zu rechtfertigen. Deswegen ist zur ursprünglichen Interpretation der Beteiligungsvermutung als einer Vermutung hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Vermögensanlage in Anteilspapieren zurückzukehren. Der Gesetzgeber wollte mit der Beteiligungsvermutung des § 271 Abs. 1 Satz 3 wie mit der des § 152 Abs. 2 AktG 1965 ein Abgrenzungskriterium zwischen AV und UV, nicht jedoch zwischen "Beteiligungen" und anderen "Posten des Finanz-AV" schaffen. Das bedeutet aber auch: Eine so interpretierte Beteiligungsvermutung lässt sich nicht mehr dadurch widerlegen, dass man die Möglichkeiten zur unternehmerischen Einflussnahme weder nützt noch nützen will. Sie kann nur durch den Nachweis widerlegt werden, dass eine kurzfristige Veräußerung beabsichtigt ist, die sich auch realisieren lässt.
Rn. 56
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Beteiligungsdefinition stützt – wie in HdR-E, HGB § 271, Rn. 17, dargelegt – nämlich auch nicht die Behauptung (vgl. Schulze, BFuP 1979, S. 37 (46)), eine unternehmerische Einflussnahme sei auch nach neuem Recht eine Voraussetzung für das Vorliegen einer Beteiligung. Diese vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckte, sich an die Kommentare zum AktG 1965 mehr als anl...