Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Dirk Fey
Rn. 34
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Zweckgerechte, auf einem allg. Konsens beruhende Grundsätze müssen i. R.e. Ordnung konkretisiert werden, um eine ordnungsmäßige RL sicherstellen zu können (vgl. ADS (1995), § 243, Rn. 9; Moxter, in: FS RFH/BFH (1993), S. 533 (534); MünchKomm. HGB (2020), § 238, Rn. 23f.). Ein solches System von Grundsätzen und die ihnen entsprechenden RL-Alternativen können angesichts der wenig konkreten und teils divergierenden Zwecke "Rechenschaft" und "Kap.-Erhaltung" nicht den strengen Anforderungen eines wissenschaftlichen Systems genügen (vgl. Beisse, StuW 1984, S. 1 (3, 6ff.); Beisse, in: FS Döllerer (1988), S. 25ff.); vielmehr ist es ausreichend, wenn die einzelnen RL-Alternativen anhand einheitlicher übergeordneter Rechtsprinzipien folgerichtig ausgewählt werden. Einheitlichkeit und Folgerichtigkeit sind die notwendigen Merkmale eines jeden Rechtssystems (vgl. Canaris (1983), S. 13ff.).
Rn. 35
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Bei der Konkretisierung zweckgerechter RL-Alternativen muss deshalb – v.a. durch Wissenschaft, AP und Aufsichtsbehörden – darauf geachtet werden, dass möglichst nur solche Alternativen allg. anerkannt werden, die sich widerspruchsfrei in das Gesamtsystem einfügen. Dabei kommt es darauf an, neben den vagen gesetzlichen Zwecken weitere das System der RL tragende, übergeordnete Prinzipien, die von Fey ((1987), S. 104ff.) als Systemgrundsätze bezeichnet werden, als einheitliche Basis zur Konkretisierung untergeordneter Grundsätze herauszuarbeiten. Die einheitliche Basis aller GoB bilden – wie Fey ((1987), S. 104ff.) nachgewiesen hat – die Systemgrundsätze:
Sofern RL-Alternativen einheitlich anhand dieser Systemgrundsätze beurteilt und folgerichtig konkretisiert werden, können trotz Zweckpluralität Widersprüche innerhalb des Gesamtsystems weitgehend vermieden werden (vgl. Fey (1987), S. 104ff.).
Rn. 36
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Bei einer systemgerechten Auswahl von RL-Alternativen werden sich allerdings nicht immer eindeutige Lösungen ermitteln lassen. Denn die gegensätzlich interpretierbaren Vorschriften des HGB können wegen Fehlens einer eindeutigen Zweckdominanz in der Generalnorm des § 243 Abs. 1 und mit dem ausschließlichen Verweis auf die GoB nicht völlig frei von Gegensätzen werden. Trotzdem impliziert Ordnungsmäßigkeit, dass zumindest die im Gesetz kodifizierten, übergeordneten Rechtsprinzipien einheitlich angewandt werden und mit diesen nicht zu vereinbarende, "ordnungswidrige" RL-Alternativen ausgeschlossen werden. § 243 Abs. 1 verlangt, die so verstandene Systemgerechtigkeit neben der Zweckgerechtigkeit und dem allg. Konsens als Voraussetzung einer GoB-konformen RL zu berücksichtigen. Jede bei der Aufstellung von Bilanz und GuV verwendete, allg. anerkannte RL-Alternative muss inhaltlich mindestens einem Grundsatz des GoB-Systems (vgl. HdR-E, Kap 4, Rn. 29ff.) entsprechen, so dass das System als Ganzes die gesetzlichen Zwecke realisiert.
Rn. 37–40
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
vorläufig frei