Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
a) Begriff
Rn. 610
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Der Gesetzgeber hat den Begriff "vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen" durch das BilMoG in das HGB eingeführt (vgl. § 246 Abs. 2 Satz 2 und § 253 Abs. 2 Satz 2), ohne ihn im Gesetz näher zu definieren. Indes nennen die Gesetzesmaterialien zwei Beispiele, nämlich Altersteilzeitverpflichtungen und Verpflichtungen aus Lebensarbeitszeitmodellen (vgl. BT-Drs. 15/10067, S. 48). Der Begriff stellt auf die Vergleichbarkeit mit Altersversorgungsverpflichtungen ab.
Rn. 611
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Dies bedeutet zum einen, dass sie hinsichtlich der Langfristigkeit mit ihnen vergleichbar sein müssen. Dabei wird man aber die Langfristigkeit nicht überbetonen dürfen, denn die Gesetzesmaterialien subsumieren auch Altersteilzeitverpflichtungen unter diesen Begriff (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 48), die sich manchmal nur auf zwei Jahre erstrecken.
Rn. 612
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Zum anderen wird man wie bei Altersversorgungsverpflichtungen davon ausgehen müssen, dass sie ungewisser Natur sind, also zumindest die Dauer der Zahlung unsicher ist.
Rn. 613
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Allerdings darf die Zahlung selbst nicht oder nicht nur von dem Eintritt von Tod, Invalidität oder dem Erreichen des Pensionsalters abhängen, denn dann lägen Altersversorgungsverpflichtungen oder ähnliche Verpflichtungen vor.
b) Fallgruppen
aa) Verdienstsicherungen
Rn. 614
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Zu den vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen gehören häufig die Verpflichtungen gegenüber älteren Mitarbeitern auf Zahlung von Verdienstsicherungen. Sie werden gezahlt, wenn der AN nicht mehr seine volle Arbeitsleistung zu erbringen hat, und errechnen sich aus der Differenz zwischen dem Wert der verminderten Arbeitsleistung und dem weiterhin zu zahlenden Verdienst. Finanzverwaltung und Rspr. erkennen entsprechende Rückstellung in der StB allerdings nicht an (vgl. BFH, Urteil vom 16.12.1987, I R 68/87, BStBl. II 1988, S. 338 (339ff.); BdF, Schreiben vom 13.03.1987, IV B 1 – S 2176–12/87, S. 365 (366)).
bb) Altersteilzeit
Rn. 615
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Es existieren in der Praxis zwei Altersteilzeitmodelle. Beim ersten Modell (Gleichverteilungsmodell genannt) ist der AN während des gesamten Altersteilzeit-Zeitraums bis zur Pensionierung halbtags tätig. Beim zweiten Modell (Blockmodell genannt) arbeitet der AN während der ersten Hälfte des Altersteilzeit-Zeitraums weiterhin ganztägig. Während der zweiten Hälfte des Zeitraums wird er von der Arbeitspflicht freigestellt. Bei beiden Modellen erhält der AN während des gesamten Altersteilzeit-Zeitraums die gleiche Vergütung, die z. B. 85 % des bisherigen Nettoeinkommens für Ganztagsarbeit beträgt. Beim ersten Modell bekommt der AN im Verhältnis zu seiner 50 %-igen Arbeitsleistung eine 35 %-ige Aufstockung. Beim zweiten Modell leistet der AN während der Vollzeitphase mehr, als es der 85 %-igen Gehaltszahlung entspricht. In der Freistellungsphase erhält er dagegen die 85 %-ige Gehaltszahlung ohne jegliche Arbeitsleistung. Ein unentziehbarer Entgeltanspruch garantiert, dass dem AN bzw. den Hinterbliebenen bei Invalidität oder Tod die erdiente Differenz zwischen dem vollen Gehalt für die Ganztagstätigkeit und dem tatsächlich gezahlten Gehalt gewährt wird.
Rn. 616
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Die Literatur ist teilweise der Ansicht, dass beim ersten Modell für die überproportionale Vergütung in der HB keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 zu bilden ist (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 249 HGB, Rn. 100 (Altersteilzeit); a. A. Förster/Heger, DB 1998, S. 141 (143); ferner auch IDW RS HFA 3 (2013), Rn. 6ff.). Die Finanzverwaltung erkennt entsprechende Rückstellungen in der StB nicht an (vgl. BMF, Schreiben vom 11.11.1999, IV C 2 – S 2176–102/99, BStBl. I 1999, S. 959 (960).
Rn. 617
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Beim zweiten Modell liegt zweifelsfrei während der Beschäftigungsphase ein Erfüllungsrückstand in Höhe des noch nicht entlohnten Anteils der Arbeitsleistung vor (vgl. Höfer/Kempkes, DB 1999, S. 2537 (2538)). Dieser Erfüllungsrückstand erfordert die Bildung einer Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit in der HB (vgl. BFH, Urteil vom 30.11.2005, I R 110/04, BStBl. II 2007, S. 251; Beck Bil-Komm. (2020), § 249 HGB, Rn. 100 (Altersteilzeit); Förschle/Naumann, DB 1999, S. 157; IDW RS HFA 3 (2013), Rn. 26) und auch in der StB (vgl. BMF, Schreiben vom 11.11.1999, IV C 2 – S 2176–102/99, BStBl. I 1999, S. 959 (960)).
cc) Jubiläumsgelder, Treueprämien, Gratifikationen
Rn. 618
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Jubiläumszahlungen und Treueprämien werden i.W. als Gegenleistung und Anerkennung für geleistete Betriebstreue gewährt. V.a. Jubiläumsgeldverpflichtungen sind langfristiger Natur, da sie regelmäßig sich auf Zeiträume von 10, 25 oder gar 40 Jahre erstrecken.
Aber auch Treueprämien und sonstige aufgeschobene Gratifikationen, die nach einigen Jahren gewährt werden, erfüllen den Begriff "vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen", da sie wie Altersteilzeitzahlungen innerhalb der wenigen Jahre zu leisten sein können, die nach den Gesetzesmate...