Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Tobias Brembt
Rn. 28
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Das Auskunftsrecht des JA-Prüfers gegenüber einem Konzern-UN sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden UN des zu prüfenden UN wurde erstmals in § 165 Abs. 4 AktG 1965 gesetzlich verankert. Dies war erforderlich, da die Verbindungen des zu prüfenden UN mit anderen UN für die Beurteilung der Lage dieses UN oft von größter Bedeutung sind. Die Vorschrift soll(te) insoweit sicherstellen, dass eine sorgfältige Prüfung dieser Verbindungen möglich ist.
Rn. 29
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
§ 320 Abs. 2 Satz 3 lautet: "Soweit es für eine sorgfältige Prüfung notwendig ist, hat der Abschlußprüfer die Rechte nach den Sätzen 1 [(Auskunftsrecht), d.Verf.] und 2 [(Prüfungs- und Auskunftsrecht für Vor- und Zwischenprüfungen), d.Verf.] auch gegenüber Mutter- und Tochterunternehmen." Aus diesem Wortlaut geht eindeutig hervor, dass der AP kein Recht auf eine "Hauptprüfung" gegenüber MU und TU haben soll. § 320 Abs. 2 Satz 2 räumt dem AP das Prüfungsrecht durch einen Verweis auf § 320 Abs. 1 Satz 2 lediglich vor der Aufstellung des JA ein. Legt man die Vorschrift streng nach ihrem Wortlaut aus, so gewährt § 320 Abs. 2 Satz 3 dem AP ein Prüfungsrecht gegenüber MU und TU also nur bei Vor- und Zwischenprüfungen, nicht indes bei der Hauptprüfung.
Eine Begrenzung des Prüfungsrechts gegenüber MU und TU auf die Vor- und Zwischenprüfung ohne ein Prüfungsrecht für die Hauptprüfung wäre indes in keiner Weise prüfungsgerecht. Der wichtigere Teil des Prüfungsrechts gegenüber MU und TU würde nämlich verweigert. In den Begründungen zu der Gesetzesvorlage findet sich indes kein Hinweis, der Aufschluss darüber gibt, welche Absicht der Gesetzgeber mit dem Wortlaut des § 320 Abs. 2 Satz 3 verfolgt.
Rn. 29a
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Nach dem Wortlaut des § 165 Abs. 4 AktG 1965 bestand die gleiche Situation wie nach § 320 Abs. 2 Satz 3. Aus der Begründung des damaligen RegE geht indes eindeutig hervor, dass § 165 Abs. 4 AktG 1965 das Recht auf "Hauptprüfung" gegenüber Konzern-UN bzw. gegenüber abhängigen oder herrschenden UN bewusst ausschloss. Die Beschränkung auf das Auskunftsrecht wurde damit begründet, dass ein unmittelbares Prüfungsrecht mit der rechtlichen Selbständigkeit der Konzern-UN nicht zu vereinbaren sei (vgl. Kropff (1965), S. 270). Dieses Argument ist berechtigt, zumal zwischen MU und TU einerseits und Prüfungs-UN andererseits kein Prüfungsvertrag geschlossen wird. Ein Prüfungsrecht gegenüber einem herrschenden UN verstieße auch gegen das natürliche Organisationsgefälle. Allenfalls könnte danach eine Prüfung bei einem TU möglich sein. Das Recht auf "Hauptprüfung" gegenüber MU und TU ist nach hier vertretener Auffassung für eine Beurteilung der in HdR-E, HGB § 320, Rn. 28, genannten Verbindungen des zu prüfenden UN zu MU und TU nicht erforderlich, weil sich der Prüfer durch das Auskunftsrecht alle dafür erforderlichen Aufklärungen und Nachweise für eine sichere Beurteilung verschaffen kann (vgl. bereits Kropff (1965), S. 270; ebenso Gessler, WPg 1964, S. 400). Da vorrangig aus der RegB zum BilMoG keine Absicht erkennbar war, die Rechtslage in diesem Punkt zu ändern, muss die Vorschrift weiterhin so interpretiert werden, dass das unmittelbare Prüfungsrecht gegenüber MU und TU ausgeschlossen bleibt. Nach hier vertretener Ansicht entfällt für den Prüfer damit sogar das aus dem Wortlaut ablesbare Recht auf Vor- und Zwischenprüfung gegenüber MU und TU, weil das Auskunftsrecht den Zugriff des Prüfers auf alle erforderlichen Prüfungsinformationen sichert (vgl. so auch ADS (2000), § 320, Rn. 46; Bonner HGB-Komm. (2021), § 320, Rn. 63; a. A. MünchKomm. HGB (2020), § 320, Rn. 18f.).
Rn. 30
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Wie gesagt, begründet § 320 Abs. 2 Satz 3 das Auskunftsrecht auch gegenüber MU und TU des zu prüfenden UN i. S. d. § 290. Allerdings geht weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Erläuterungen zu den Gesetzesentwürfen eindeutig hervor, ob auch MU von MU und TU von TU von dieser Vorschrift erfasst werden sollen (vgl. Gross/Schruff (1986), S. 283). Die Vorschrift ist indes objektiv-teleologisch, also vom objektiven Zweck der Vorschrift her, so zu interpretieren, dass der AP das Auskunftsrecht auch gegenüber dem weiteren Kreis von UN hat (vgl. so auch ADS (2000), § 320, Rn. 43; Beck Bil-Komm. (2020), § 320 HGB, Rn. 16).
Rn. 31
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Unstreitig vom Auskunftsrecht nach § 320 Abs. 2 Satz 3 nicht erfasst werden Gemeinschafts-UN, assoziierte UN, Beteiligungs-UN und Schwester-UN (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 320 HGB, Rn. 16). Damit ist der Kreis der auskunftspflichtigen UN nach § 320 Abs. 2 Satz 3 mit dem der ursprünglichen Regelung des § 165 Abs. 4 AktG 1965, die Konzern-UN, abhängige und herrschende UN umfasste, nicht mehr vergleichbar.
Rn. 32
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Zu den TU i. S. d. § 290 können auch ausländische UN gehören. Damit wird dem AP in § 320 Abs. 2 Satz 3 grds. auch ein Auskunftsrecht gegenüber TU mit Sitz im Ausland eingeräumt (vgl. Bonner HGB-Komm. (2021), § 320, ...