Prof. Dr. Rolf U. Fülbier, Florian Federsel
a) Verwendung des Bilanzergebnisses
Rn. 35
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Eine Durchbrechung des Grundsatzes der Wertansatzidentität soll nicht vorliegen, wenn die Auswirkungen eines Gewinnverwendungsbeschlusses, die in der JA-Bilanz keine Berücksichtigung mehr finden (vgl. z. B. § 174 Abs. 3 AktG), in die Saldenvorträge zu Beginn des nächsten GJ aufgenommen werden. Zur Begründung wird auf die Einheit von Schlussbilanz und Gewinnverwendungsbeschluss verwiesen, an die die Eröffnungsbuchungen zu Beginn des nächsten GJ anzuknüpfen haben (vgl. ADS (1968), § 149 AktG, Rn. 28; ADS (1995), § 252, Rn. 16; HB-RP (1995), § 252 HGB, Rn. 11 i. V. m. Teil I, Rn. 287). Gegen eine solche Verfahrensweise bestehen insofern keine Bedenken, als es sich lediglich um eine Um- oder Aufgliederung von Bilanzpositionen handelt. Sie könnte in einer Aufgliederung eines Bilanzgewinns in einen auf dem Rücklagenkonto, ggf. auf den Konten der Gesellschafter (bei PersG), und einen auf einem Gewinn-(vortrags-)konto zu buchenden Teilbetrag bestehen. Eine weitergehende saldenvortragsmäßige Erfassung von Folgen eines Gewinnverwendungsbeschlusses, insbesondere die Verarbeitung von Aufwendungen oder Erträgen ("z. B. Steuern, dividendenabhängige Vergütungen"; ADS (1995), § 252, Rn. 16) hätte jedoch ein Auseinanderfallen der Schlussbilanz und der Eröffnungsbuchungen auf den Bestandskonten zur Folge. Ein solches Auseinanderfallen ließe sich auch nicht durch die Kenntnis der Abweichungsgründe und deren Zusammenfassung mit der Schlussbilanz heilen. Hierfür bietet § 252 Abs. 1 Nr. 1 jedenfalls keine Handhabe, da er auf das unmittelbare Verhältnis zwischen den Wertansätzen beim Übergang vom abgeschlossenen zum neuen GJ abstellt. Auch § 252 Abs. 2 rechtfertigt ein solches Abweichen nicht. Der Ergebnisverwendungsbeschluss vermag nicht zu begründen, und zwar auch nicht ausnahmsweise, dass Aufwendungen oder Erträge, die a priori GJ-bezogen sind, gewissermaßen zwischen den GJ verrechnet werden. Wird der Ergebnisverwendungsbeschluss nicht mehr im betreffenden JA erfasst, so fällt dieser Beschluss, wie der damit verbundene Aufwand, in das nachfolgende GJ. Insofern sind die aus dem Gewinnverwendungsbeschluss resultierenden Buchungen unter Wahrung der Wertansatzidentität im folgenden GJ durchzuführen.
b) Abweichungen durch spezielle gesetzliche Vorschriften
Rn. 36
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Durch gesetzliche Regelung kann erzwungen werden, dass die Jahresanfangsbestände (Vorträge) auf den Bestandskonten nicht mit den Wertansätzen in der vorangegangenen Schlussbilanz übereinstimmen. Das war bereits beim Übergang von der RM-Schlussbilanz auf die DM-Eröffnungsbilanz im Jahr 1948 (vgl. Wöhe (1997), S. 207) oder beim Übergang von der Schlussrechnung in Mark der DDR auf die DM-Eröffnungsbilanz nach dem Gesetz über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung (DMBilG) vom 28.07.1994 (BGBl. I 1994, S. 1843ff.; vgl. dazu von Wysocki et al., DB 1990, S. 945ff.; von Wysocki et al. (1991), S. 66) im Jahr 1990 der Fall. Bei einer solchen, speziellen gesetzlichen Regelungen unterliegenden Verfahrensweise handelt es sich jedoch nicht um einen Ausnahmefall vom Grundsatz der Wertansatzidentität. § 252 Abs. 2 kann lediglich Anwendung finden, wenn anderenfalls § 252 Abs. 1 Nr. 1 zu beachten ist. Dem in § 252 Abs. 1 Nr. 1 enthaltenen Grundsatz gehen aber spezielle Regelungen vor, wie sie z. B. im DMBilG verankert waren (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 15f.).
Der Übergang von der DM-Schlussbilanz zur Euro-Eröffnungsbilanz war grds. nicht mit Änderungen der Wertverhältnisse verbunden. Es lag lediglich eine durch den (Umrechnungs-)Faktor 1,95583 festgelegte "lineare Transformation" (Währungsumrechnung) vor, die die "bisherigen Wertverhältnisse" bewahrt hat (vgl. Ehlig, DB 1999, S. 444ff.). Soweit durch die Währungsumstellung Erträge entstanden sind, z. B. aus der Umrechnung, durfte dafür übergangsweise auf der Passivseite ein "Sonderposten" gebildet werden (vgl. Art. 43 Abs. 1 EGHGB). Für Aufwendungen aus der Währungsumstellung kam der Ansatz einer Bilanzierungshilfe in Betracht, allerdings nur, soweit immaterielle VG des AV geschaffen wurden (vgl. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 EGHGB; ferner auch Plewka/Schlösser, DB 1997, S. 337ff.). Mit dem BilMoG wurden Bilanzierungshilfen zwar an sich abgeschafft (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 36; des Weiteren z. B. Dörfler/Adrian, DB 2009, S. 58 (60)), allerdings blieben Art. 43 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 Satz 3 EGHGB hiervon unberührt.
c) Bilanzberichtigungen
Rn. 37
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Fraglich kann sein, ob im Fall erforderlicher Bilanzberichtigungen vom Grundsatz der Wertansatzidentität abgewichen werden darf. Ein Abweichen wäre dann gerechtfertigt, wenn eine berichtigungsbedürftige Bilanz nur unter Verstoß gegen diesen Grundsatz berichtigt werden könnte. Als alternative Verfahrensweisen zur Bilanzberichtigung bieten sich grds. die rückschreitende Berichtigung früherer JA bis hin zur Fehlerquelle einerseits sowie die Vornahme entsprechender Korrekturbuchungen bei der Erstellung des nächsten JA andererseits an (vgl. so auch ADS (1995), § 252, Rn. 19; zur jewe...