Prof. Dr. Rolf U. Fülbier, Florian Federsel
Rn. 49
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 ist bei der Bewertung nur insofern von einer Fortführung der UN-Tätigkeit auszugehen, als dem "nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen." Zur Durchführung der Bewertung und zu deren Prüfung ist daher zunächst zu klären, ob und ggf. inwieweit rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten eher gegen die Annahme einer UN-Fortführung sprechen. Als solche rechtlichen oder tatsächlichen Gegebenheiten können z. B. in Frage kommen:
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Rechtliche Gegebenheiten:
- Notwendigkeit, die Geschäftstätigkeit im Zuge einer Insolvenz zu beenden;
- Auflösung der Gesellschaft aufgrund gesetzlichen Normen und/oder Satzungsvorschriften;
- Änderungen zentraler rechtlicher Rahmenbedingungen, z. B. durch Kauf durch ein Konkurrenz-UN oder wesentlicher Umweltschutzauflagen, die die gesamte Produktionstätigkeit einschränken (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 15, wonach dieser Sachverhalt unter die gegen die Fortführung der UN-Tätigkeit sprechenden tatsächlichen Gegebenheiten zu subsumieren sein soll).
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(2) |
Tatsächliche Gegebenheiten:
- Drohende Insolvenz oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens;
- Auslaufen von Patent-, Lizenz-, Miet- oder Pachtverträgen sowie Konzessionen, die die Fortführung des UN aus wirtschaftlichen Gründen in Frage stellen;
- Unfähigkeit zur Durchführung notwendiger Investitionen zwecks Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit;
- Ausschöpfung sämtlicher Kreditlinien bei Bestehen weiteren unabweisbaren Kreditbedarfs;
- Ausfall wesentlicher Kreditgeber, Zulieferer oder Abnehmer;
- Weigerung von Lieferanten, weiterhin ein Zahlungsziel einzuräumen;
- erhebliche Wertbeeinträchtigungen bei Vermögensgegenständen, die zur Erzielung von Cashflows dienen;
- unzureichender Versicherungsschutz beim Eintritt von Katastrophenfällen;
- anhängige Gerichtsverfahren, die zu wahrscheinlich nicht erfüllbaren Ansprüchen führen können;
- Verlust von Mitarbeitern in Schlüsselpositionen und Konflikte mit der Belegschaft;
- Verschiebungen des Nachfrageverhaltens, welchen angesichts der Leistungsfähigkeit des UN nicht gefolgt werden kann;
- Wegfall des Zugangs zu Rohstoffmärkten, z. B. aufgrund politischer Veränderungen;
- Entstehen erdrückender Konkurrenz;
- Fehlschläge bei der Einführung neuer Produkte;
- ungenügende EK-Ausstattung aufgrund fortwährender Verluste (vgl. u. a. ADS (1995), § 252, Rn. 25; Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 15f.; Janssen, WPg 1984, S. 341 (342f.); IDW PS 270 (2018), Rn. A5).
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Rn. 50
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Die Feststellung von Gegebenheiten, welche die Prämisse der Fortführung der UN-Tätigkeit ausschließen, und ihre Interpretation ist im Einzelfall problematisch. Zum einen besteht die Schwierigkeit der Identifizierung solcher Gegebenheiten (vgl. u. a. Bretzke, WPg 1979, S. 337ff.); allerdings erfolgt bspw. bei der Zahlungseinstellung eine Klarstellung durch den BGH (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 52); so ist z. B. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein noch keine rechtliche Gegebenheit, da das Insolvenzverfahren regelmäßig die Aufrechterhaltung der UN-Tätigkeit beinhaltet (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2017, IX ZR 285/14, NJW 2017, S. 1611 (1611)). Ja sogar die beschlossene Liquidation oder die eingetretene Insolvenz bedarf immer noch der einzelfallbezogenen Interpretation, denn sie spricht nicht zwingend gegen die Bilanzierung zu Fortführungswerten; allerdings hat das UN dann die Argumentationslast und insofern darzulegen, warum es trotz dieser Gegebenheiten von einer Fortführung ausgeht (vgl. Hennrichs/Schulze-Osterloh, DStR 2018, S. 1731ff.). Zum anderen ist es bisher nicht möglich, allg. fixierbare Kennzahlen bzw. Größenordnungen der einzelnen Gegebenheiten zu formulieren, welche i. S.e. eindeutigen Kausalbeziehung den Wegfall der Prämisse der UN-Fortführung verlangen (vgl. Janssen, WPg 1984, S. 341 (345); ADS (1995), § 252, Rn. 25; Wetzel (1990), S. 110ff.; zur Ermittlung geeigneter Kennzahlen zwecks Aufdeckung einer potenziellen Gefährdung des UN-Fortbestands insbesondere Baetge/Baetge/Kruse, DStR 1999, S. 1628ff.; Baetge et al., DB 1994, S. 337ff.). Vielmehr stellen die Gegebenheiten jeweils nur Anhaltspunkte dar, die im Zuge einer einzelfallbezogenen Interpretation gegen eine Fortführung der UN-Tätigkeit sprechen könnten. Selbst bei "wesentlichen Unsicherheiten" (IDW PS 270 (2018), Rn. 9) ist weiterhin zu Fortführungswerten zu bilanzieren, außer es ist "objektiv fehlerhaft, von der Aufrechterhaltung der Unternehmenstätigkeit auszugehen", also wenn die "Einstellung der Unternehmenstätigkeit unvermeidbar oder beabsichtigt ist" (BGH, Urteil vom 26.01.2017, IX ZR 285/14, NJW 2017, S. 1611 (1614)). Bei der vom Gesetzgeber geforderten Feststellung von rechtlichen oder tatsächlichen Gegebenheiten (vgl. auch Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 10, 14ff.) ist stets auf die Gesamtsituation des UN abzustellen. Hierbei scheint die Differenzierung in rechtliche und tatsächliche Gegebenheiten im Ergebnis weniger wichtig, weil beide der Annahme der UN-Fortführung entgegens...