Thomas Richter, Thomas Richter
Rn. 67
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Im Gegensatz zu den bisher behandelten Steuern lassen sich bei Treuhandverhältnissen für den Bereich der USt i.W. zwei Problembereiche unterscheiden (vgl. Rosenau, DB 1966, Beilage Nr. 18 zu Heft 49, S. 1 (9f.); von Wallis, UStR 1957, S. 45f.; Eggesiecker/Hofmeister, DStZ/A 1974, S. 37f.):
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Umsätze bei der Begründung des Treuhandverhältnisses; |
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Umsätze zwischen dem Treuhänder und Dritten bei der Ausführung des Treuhandauftrags. |
a) Umsätze bei der Begründung des Treuhandverhältnisses
Rn. 68
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der USt in erster Linie die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines UN ausführt. Unternehmer ist dabei nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Da das Treugut dem Treuhänder vom Treugeber lediglich zur Verwaltung übertragen wird, findet kein Leistungsaustausch statt. Außerdem erfolgt die Übertragung unentgeltlich. Selbst, wenn man die Übertragung des Treuguts als Lieferung bezeichnen würde, wäre sie kein steuerbarer Umsatz, weil es am Merkmal der Entgeltlichkeit mangelt.
b) Umsätze zwischen dem Treuhänder und Dritten bei der Ausführung des Treuhandauftrags
Rn. 69
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Hier stellt sich die Frage, wer als Unternehmer i. S. d. UStG anzusehen ist und folglich die Steuer schuldet und wer die Verfügungsmacht über das Treugut hat. Bei der Beantwortung stehen sich in der Literatur zwei Auffassungen gegenüber, die Eggesiecker/Hofmeister (DStZ/A 1974, S. 37) als "Ein- oder Zwei-Unternehmer-Theorie" bezeichnen. Die Vertreter der ersten Auffassung (vgl. Diekmann (1968), S. 87f.; Lohmeyer, StuW 1970, Sp. 243 (253f.); Rosenau, DB 1966, Beilage Nr. 18 zu Heft 49, S. 1 (10); von Wallis, UStR 1957, S. 45f.) gehen davon aus, dass die Umsätze des Treuhänders mit Dritten unmittelbar dem Treugeber zuzurechnen seien, weil der Treuhänder im Innenverhältnis an Weisungen des Treugebers gebunden sei und folglich dem Treuhänder das Merkmal der Selbständigkeit fehle. Darüber hinaus werde das Treuhandverhältnis im Steuerrecht allg. so interpretiert, dass ein treuhänderisch geführter Betrieb dem Treugeber zuzurechnen sei und dass folglich der Treuhänder ihn nur für Rechnung des Treugebers führe. "Der Treugeber ist steuerlich der Unternehmer. Diese im Innenverhältnis aufgrund des Treuhandvertrags bestehende Tatsache wird auch nicht dadurch beseitigt, daß der Treuhänder nach außen im eigenen Namen auftritt. Das Auftreten im eigenen Namen kann zwar ein Beweisanzeichen für die Unternehmereigenschaft sein, das jedoch bei Bestehen anderer Bindungen nicht durchgreift" (Rosenau, DB 1966, Beilage Nr. 18 zu Heft 49, S. 1 (10)).
Die Vertreter der "Zwei-Unternehmer-Theorie" (vgl. Eggesiecker/Hofmeister, DStZ/A 1974, S. 37ff.; Reiss, StuW 1981, S. 81 (86f.)) sehen sowohl den Treuhänder als auch den Treugeber als Unternehmer an. Das setzt voraus, dass sie sowohl die Selbständigkeit des Treuhänders als auch seine Fähigkeit bejahen, einem Dritten die Verfügungsmacht über das Treugut verschaffen zu können (vgl. § 3 Abs. 1 UStG).
Rn. 70
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Die Auswirkungen im Bereich des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG sind in Abhängigkeit der Annahme der "Ein- oder Zwei-Unternehmer-Theorie" verschieden. Wird nur der Treugeber als Unternehmer behandelt, so ist er allein USt-pflichtig und vorsteuerabzugsberechtigt. Wenn in einem solchen Fall aber der Treuhänder, der nach außen im eigenen Namen auftritt, die Rechnung ausstellt, in der er seinem Abnehmer die Vorsteuer gesondert ausweist, schuldet er den ausgewiesenen Steuerbetrag, da nach § 14c Abs. 2 UStG u. a. derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, diesen Betrag schuldet, auch wenn er nicht Unternehmer ist. Eggesiecker/Hofmeister (DStZ/A 1974, S. 37 (38)) sprechen in diesem Fall von einer "Strafsteuer". Sein Abnehmer kann die Vorsteuer nicht abziehen, weil sie ihm nicht vom leistenden Unternehmer (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG) in Rechnung gestellt worden ist. Erhält dagegen der treuhänderisch verwaltete Betrieb Lieferungen und ist die Rechnung auf den Treuhänder ausgestellt, so kann dieser – da er nach dieser Auffassung nicht Unternehmer ist – den Vorsteuerabzug nicht in Anspruch nehmen. Auch der Treugeber kann in diesem Fall die Vorsteuer nicht abziehen; das wäre nur möglich, wenn die Rechnungen der Lieferungen auf ihn ausgestellt wären, denn nur dann wären der Rechnungsempfänger und der leistende Unternehmer identisch.
Erkennt man nach der zweiten Ansicht sowohl beim Treuhänder als auch beim Treugeber die Unternehmereigenschaft im umsatzsteuerlichen Sinn an, so löst zwar weiterhin die Übertragung von WG vom Treugeber auf den Treuhänder keine USt aus, weil es sich wegen der Unentgeltlichkeit der Übertragung nicht um steuerbare Umsätze handelt, die Umsätze des Treuhänders an Dritte werden Ersterem aber zur Besteuerung zugerechnet; der Dritte kann – wenn er Unternehmer ist ...